Arbeitsgruppe „Praxeologien des Entscheidens“
Wenn es ein zentrales Anliegen unseres SFBs war, das 'Wie' des Entscheidens unter die Lupe zu nehmen, dann schienen praxistheoretische Ansätze dafür ein besonders geeigneter methodischer Rahmen zu sein. Bei allen Unterschieden im Detail zeichnen sich diese Ansätze dadurch aus, dass sie offensichtliche soziale Aktivitäten problematisieren und hinsichtlich ihrer körperlichen, dinglich-materiellen, diskursiven und lokalen Dimensionen beschreiben. Praxistheoretische Perspektiven gründen zugleich in der Überwindung epistemologischer Konstruktionen von Subjekt-Objekt-Dichotomien wie sie unter anderem mentalistischen Entscheidungstheorien zugrunde liegen. So erscheinen subjektive Absichten, Intentionen, Zwecke und Taktiken aus praxistheoretischer Sicht als sozial begründete Subjektperformanzen beziehungsweise als Vollzug praktischen Sinns. Es geht somit nicht um die Ausblendung, sondern um praxistheoretische Reformulierungen des Mentalen und seinen Manifestationen in körperlichen „doings and sayings“ (Th. Schatzki). Neuere Ansätze in den sogenannten „work studies“ unterscheiden zudem zwischen kreativer Praxis und unreflektierter Routine, so wie auch für unseren SFB die Unterscheidung von Entscheiden und Routinen wichtig ist.
Als operationalisierbares Kontrastprogramm zu mentalistischen Entscheidungstheorien bieten sich Praxistheorien daher besonders an. Wir versprechen uns davon nicht nur Einsichten und analytische Präzisierungen für die jeweiligen Projektarbeiten, sondern auch übergreifende Erkenntnisse. Denn Praxistheorien beruhen sowohl auf dichten Beschreibungen der jeweiligen Fälle als auch auf dichten Vergleichen. Durch den (vergleichenden) Fokus auf konkrete Entscheidungspraxen können simplifizierende Annahmen über Modernisierungen oder Rationalisierungen auf den empirischen Prüfstand gestellt werden. Gleichzeitig können wir fragen, inwiefern Praxistheorien tatsächlich dazu beitragen, historische Prozesse des Entscheidens besser zu verstehen. Das praxistheoretische Gegenstandsfeld ist dabei offen, keines der im SFB behandelten Themen ist prinzipiell davon ausgeschlossen, unter diesen Gesichtspunkten behandelt zu werden.
Die AG diente zunächst dazu, sich mit Klassikern der Praxistheorie und unterschiedlichen Positionen in diesem Feld vertraut zu machen. Im Sommersemester 2017 hatte sich die AG zunächst als Lektürezirkel konstituiert (mit drei Sitzungen), im Wintersemester diente sie dann als Schreibwerkstatt.