„Wenn ein solcher Streit unentschieden schwebt, so muss die Entscheidung wohl auf einem Gebiete liegen, das man noch nicht betreten hat ...“
Vortrag über praxeologische Perspektiven einer Geschichte der Deutschen Philologie
Am 24. Januar wird das Kolloquium „Kulturen des Entscheidens“ des SFB 1150 mit einem Vortrag von Steffen Martus (HU Berlin) fortgesetzt. Unter dem Titel „Wenn ein solcher Streit unentschieden schwebt, so muss die Entscheidung wohl auf einem Gebiete liegen, das man noch nicht betreten hat ...“ spricht der Germanist über praxeologische Perspektiven einer Geschichte der Deutschen Philologie. Das Kolloquium findet am Mittwoch um 18.15 Uhr in Raum F3 des Fürstenberghauses am Domplatz 20-22 statt und beschließt die Reihe für das aktuelle Wintersemester.
Der Vortrag geht von dem sogenannten „Nibelungenstreit“ aus, der seit der Mitte des 19. Jahrhunderts die deutsche Philologie in unerbittlich zerstrittene Lager geteilt hat. Der Konflikt führt zu einer Situation der Unentscheidbarkeit, weil er sich auf argumentativem Weg nicht bewältigen ließ, und damit zu der Frage, wie die Disziplin und ihre Vertreter Entscheidungsfähigkeit wiedererlangen sollten. Die wegweisende Empfehlung eines Zeitgenossen bestand darin, „die Entscheidung […] auf einem Gebiete“ zu suchen, „das man noch nicht betreten hat“ und die herkömmlichen „Routinen“ hinter sich zu lassen. Für dieses neue kognitive Niveau sollten theoretische, methodische und methodologische Reflexionen sorgen, die bis dahin als lässlich galten. Diese wissenschaftshistorische Episode hat in vielen Hinsichten paradigmatischen Charakter für die Modernisierung der Geisteswissenschaften, und dies gilt nicht zuletzt für die Wertschätzung von Theorie und die Abwertung der Praxis in der Selbstbeschreibung. Diese Asymmetrie eignet sich gut dazu, den Stellenwert von „Theorie“ als „Ressource des Entscheidens“ aus einer praxeologischen Perspektive zu diskutieren und dabei nach der angemessenen Beobachtung von geisteswissenschaftlichen Disziplinen zu fragen.