Römische Entscheidungen am Beispiel der Heiligsprechung
Historikerin Birgit Emich über Modi des Entscheidens im frühneuzeitlichen Papsttum
Unter dem Titel „Bürokratie, Patronage und der Heilige Geist“ hat die Frankfurter Historikerin Prof. Dr. Birgit Emich über Modi des Entscheidens im frühneuzeitlichen Papsttum gesprochen. „Wenn es eine Institution gab und gibt, die endgültige, für alle verbindliche, ja sogar für unfehlbar gehaltene Entscheidungen trifft, dann ist es das Papsttum“, sagte die Wissenschaftlerin in der Ringvorlesung des Exzellenzclusters und des Sonderforschungsbereichs (SFB) 1150 „Kulturen des Entscheidens“ der WWU. Bei Augustinus heiße es „Roma locuta – causa finita, Rom hat gesprochen, der Fall ist beendet. „Damit drängen sich Rom und das Papsttum geradezu auf, wenn es darum geht, Praktiken und Modi des Entscheidens aufzuspüren.“
Wie das frühneuzeitliche Papsttum Entscheidungen traf, zeigte der Vortrag am Beispiel der Heiligsprechungen. „Es zeigt sich, dass im Kanonisationsverfahren zwei sehr unterschiedlich beschaffene Modi des Entscheidens kombiniert werden: der Modus der Bürokraten, der in einem hochformalisierten Verfahren mit den Entscheidungsressourcen der Information, Beratung und Expertise besteht, und der Modus des Spirituellen, der über das Gebet den Beistand des Heiligen Geistes und die göttliche Erleuchtung sucht“, sagte die Historikerin. Zur Bürokratie auf der einen Seite und dem Heiligen Geist auf der anderen Seite geselle sich ein drittes Element: die Patronage, die in den römischen Entscheidungsfindungen ebenfalls eine große Rolle spiele. In welchem Verhältnis diese drei Elemente auf dem Feld der Heiligsprechungen stehen, erläuterte die Wissenschaftlerin mit einem zeitlichen Schwerpunkt auf der Frühen Neuzeit und in Ausblicken auf die Gegenwart.
Religiöse Entscheidungen von der Antike bis heute
Der Vortrag trug den Untertitel „Modi des Entscheidens im frühneuzeitlichen Papsttum“. Die öffentliche Ringvorlesung „Religion und Entscheiden“ befasst sich im Wintersemester mit der Frage, wie von der Antike bis heute in Judentum, Christentum und Islam über Religiöses entschieden wird und wer dies in welcher Weise tun darf. Am Dienstag, 17. Januar, spricht die Literaturwissenschaftlerin Prof. Dr. Martina Wagner-Egelhaaf über das Thema „‚Du hast dich gegen Gott entschieden.‘ Literarische Figurationen religiösen Entscheidens“. Der Vortrag ist um 18.15 Uhr im Hörsaal F2 des Fürstenberghauses am Domplatz 20-22 zu hören.(maz/vvm)