(B2-8) Moses und David: Ambige Typologien für Patriarchen und Kaiser in Byzanz
Patriarch und Kaiser wirkten nicht nur in der Öffentlichkeit mit- und gegeneinander, das Verhältnis drückte sich auch auf anderen Ebenen aus. Das Bild des idealen Kaisers bzw. die Kaiserpropaganda sind sowohl durch piktorale als auch durch schriftliche Zeugnisse zu fassen und auch teilweise erforscht. Das „Image“ und die mediale Figuration des Patriarchen hingegen sind stiefmütterlich behandelt worden, da es so gut wie keine bildlichen Darstellungen gibt und man überwiegend auf schriftliche Zeugnisse angewiesen ist. Anders als beim Kaiser ist auch das öffentliche Auftreten des kirchlichen Oberhauptes nicht eigenständig behandelt worden.
Im Lauf der Jahrhunderte hat sich aber auch ein patriarchales Idealbild herausgebildet, das im zwölften Jahrhundert in einer reichen Patriarchenpanegyrik kulminiert und deutlich fassbar wird; dabei ist eine Konkurrenz zur kaiserlichen Eulogie festzustellen, was wiederum die Positionen der beiden Mächte im Staatswesen erkennen lässt. Beide Institutionen wirken etwa philanthropisch, wobei sich dieses Ideal unterschiedlich äußert: Der Kaiser stiftet Materielles, während sich der Patriarch um das spirituelle Heil kümmert.
Bei der Typologisierung greift man sowohl im weltlichen als auch im geistlichen Milieu auf Figuren des Alten und Neuen Testaments zurück. Die Ambiguität der biblischen Protagonisten, insbesondere David und Moses, erlaubt die Verwendung in beiden Bereichen – dieser Prozess lässt sich schon in der Spätantike feststellen, ist aber für die mittelbyzantinische Zeit noch nicht systematisch erforscht. Seit der Zeit der Kirchenväter wird auch Johannes Prodromos als das Modell eines idealen Bischofs angesehen. Doppeldeutigkeit (amphoteroglossia) ist ein Kennzeichen byzantinischer rhetorischer Literatur und lässt sich auch hier fassen.
Projektschritte:
- Da nur auf Basis der schriftlichen Überlieferung ein ausgewogener Vergleich möglich ist, werden historiographische, hagiographische und sonstige rhetorische Werke ausgewertet sowie nicht veröffentlichte Quellen erschlossen.
- Untersuchung der Veränderung bzw. Dehnbarkeit von Motiven und Typologien alttestamentlicher Gestalten in der Panegyrik und Eulogie sowie Prüfung von kaiserlichen und patriarchalen Reservaten.
- Vorstellungen des idealen Patriarchen als Gegenpart zum Kaiser – was ist die Qualität eines kirchlichen Oberhauptes im Gegensatz zu einem Kaiser?
- Die Mehrdeutigkeit der Leitgestalten des Alten Testaments eröffnet zwar Spielräume in der rhetorischen Gestaltung, das byzantinische politische/ideologische System wird aber als eine Einheit verstanden.
Das Projekt ist Teil der Koordinierten Projektgruppe Mediale Figurationen des Politischen und des Religiösen.