(B2-12) Semantik der Veränderung. Vergewisserung, Inszenierung und Magie in der Bildsprache Ägyptens im frühen 1. Jahrtausend v. Chr.

Die Verflechtung von Religion und Politik manifestiert sich in den Bild- und Textmedien des alten Ägypten besonders vielschichtig. Einerseits werden alle Arten von Handlung, auch die politischen Aktionen, mythologisch ausgedeutet und als Ereignisse der Götterwelt dargestellt, andererseits werden religiöse Konzeptmuster für die Durchsetzung von politischen Entscheidungen und  administrativen Veränderungen genutzt. Besonders anschaulich ist das Ineinanderfließen von religiöser Praxis und politischem Handeln an Erstellung und Manipulation von Tempeldekorationen im Theben der 21.-26. Dynastie (ca. 1070-525 v. Chr.) erkennbar.

Am Ende des Neuen Reiches, in der Regierungszeit von Ramses XI., ruft sich der Hohepriester des Amun in Karnak, Herihor, zum König aus und manifestiert diesen Schritt in einer neuartigen Präsentation in Bild und Text. Zwar wiederholt sich dieses Ereignis in dieser Form nicht noch einmal, doch die Einsetzung von Mitgliedern der (unterägyptischen) Königsfamilie in das höchste Priesteramt Oberägyptens belegt, dass der politische Herrschaftsbereich durch das religiöse Amt gesichert werden soll. Diese Praxis wird auch in den nachfolgenden Dynastien weiterbetrieben, bis die Könige der 25. Dynastie, die Fremdherrschern, die aus Nubien stammen, neben dem schon erwähnten Priesteramt noch weitere religiöse Ämter in der Thebais so aufwerten, dass diese – durch Familienmitglieder besetzt – dann als Sicherung der Machtbasis dienen. Genau diese Fremdherrscher sind es auch, die den Kult am alten Reichsgott Amun intensiv aufleben lassen.

In der Thebais werden in großem Maße Restaurierungen an Tempeln durchgeführt und spezielle Anbauten ausgeführt, die auf eine Hochblüte von besonderen Kultpraktiken zu Ehren dieses Gottes schließen lassen und zugleich die neuen politischen Akteure in kultischen Zusammenhängen präsentieren. Nach der Vertreibung dieser Fremdherrscher lassen die Könige der 26. Dynastie die Namen der vorhergehenden Könige aushacken, um das Gedenken an sie zu unterbinden – damit beschädigen sie aber zugleich religiöse Bauwerke. Interessant ist, dass nur die Namen der Könige, nicht aber der Familienmitglieder, die religiöse Ämter ausgefüllt haben, zerstört werden, eine Trennung von Politik und Religion hier also durchaus greifbar ist. Nicht nur als Ausblick, sondern als besonderer Bestandteil der Aushandlung der Grenze zwischen Religion und Politik ist die Reaktion der Könige der 26. Dynastie ebenso in das Projekt einzubeziehen. Ein Bestandteil soll auch sein, die Kommunikation des politischen wie religiösen Einsatzes der Nubier gegenüber ihrem Heimatland darzustellen, die wiederum über die Medien Architektur, Bild und Text erfolgen.


Das Projekt ist Teil der Arbeitsplattformen F Transkulturelle Verflechtungen und G Religion, Politik und Geschlechterordnung sowie der Koordinierten Projektgruppe Mediale Figurationen des Politischen und des Religiösen.