Prokrastination
Viele Menschen kennen es von sich selbst, dass sie unangenehme Tätigkeiten - wie das Lernen für Prüfungen, das Schreiben wissenschaftlicher Arbeiten, das Erledigen der Steuererklärung oder Referatsvorbereitungen - lieber aufschieben als sie sofort zu erledigen. Bei manchen Personen nimmt das Aufschieben jedoch ein solches Ausmaß an, dass die Betroffenen erheblich darunter leiden und dass schwerwiegende negative Folgen drohen, z. B. der Abbruch einer Ausbildung oder berufliches Scheitern. Ständiges Aufschieben wird von den Betroffenen und ihrer Umgebung oft für persönliche Willensschwäche gehalten oder als Faulheit angesehen. Prokrastination hat jedoch nichts mit Faulheit zu tun und mit solchen Konzepten lässt es sich auch nicht verändern. Vielmehr handelt es sich dabei um ein ernsthaftes Problem der Selbststeuerung, für das es professionelle psychologische Hilfe gibt.
Störungsbild
Prokrastination ist die wissenschaftliche Bezeichnung für pathologisches Aufschiebeverhalten. Prokrastination ist eine ernstzunehmende Arbeitsstörung und kann sowohl private Alltagsaktivitäten als auch schulische, akademische und berufliche Tätigkeiten betreffen.
7% der Studierenden, die an einer unserer großen Querschnittsstudien an der Universität Münster teilgenommen haben, erreichen Prokrastinationswerte über dem Durchschnitt der Personen, die bei uns aufgrund dieses Problems um Behandlung nachsuchen. Es gibt also viele Studierende, die dieses Problem so stark haben, dass es sich für sie lohnen würde, eine Behandlung in Anspruch zu nehmen.
Die Folgen der Prokrastination sind zwar in vielen Fällen ähnlich, aber es gibt verschiedene prokrastinationsfördernde Faktoren: Probleme in der Prioritätensetzung, mangelnde oder unrealistische Planung, Schwierigkeiten in der Abgrenzung gegen alternative Handlungstendenzen, Defizite im Zeitmanagement oder in der Konzentrationsfähigkeit, Abneigung gegen die Aufgabe, Angst vor Versagen oder Kritik, Fehleinschätzungen der Aufgabe oder der eigenen Anstrengungsbereitschaft und Leistungsfähigkeit.
Prokrastination kann als Teil einer diagnostizierbaren psychischen Störung, wie einer Depression, einer Angststörung oder der Aufmerksamkeitdefizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS; siehe Links), auftreten. In solchen Fällen ist die Behandlung der primären psychischen Störung die Voraussetzung für die Behebung der Arbeitsstörung. Chronisches Aufschieben beeinträchtigt allerdings auch das psychische Wohlbefinden und kann so selbst zur Ursache für andere psychische Belastungen und Symptome werden.