Geschlecht als Identitätsfaktor in ausgewählten deutschen postapokalyptischen Romanen
Die spekulative Fiktion des 21. Jahrhunderts beschäftigt sich häufig mit dem Thema des Klimawandels und die damit verbundene Gefahr einer Apokalypse. Sie steht auf diese Weise in Verbindung mit dem Genre der dystopischen Sci-fi des 20. Jahrhunderts, das hauptsächlich eine Nachkriegswelt dargestellt hat. In seiner Anderswelt Trilogie (Thetis.Anderswelt, Buenos Aires.Anderswelt und Argo.Anderswelt) stellt Alban Nikolai Herbst sowohl eine Nachkriegs- als auch eine postapokalyptische Welt dar und beschäftigt sich dabei mit dem Thema der Gewalt gegen Menschen vor allem Frauen und Kinder. Die zentrale Forschungsfrage, der meine Arbeit anhand Herbsts Anderswelt Trilogie nachgehen wird, ist daher: In welchem Verhältnis stehen die Themen Gewalt, Geschlecht und Reproduktion in Herbsts Poetologie? Einerseits tragen die Figuren, die Herbsts fiktionalen Welt bewohnen, mythologische Namen wie Thetis, Achilles, Devadasi, Yellama und Meroe, andererseits kommen quasi-Menschen wie Holomorphe und Infonauten vor, die auf eine posthumane Welt hindeuten.
Des Weiteren legt Herbst seine nach-postmoderne Literaturkritik vor, die er Kybernetischen Realismus nennt und in der es sich um eine Poetologie der Spiegelungen und Wechselwirkung in einer ökologischen Erzählweise handelt. (Herbst, 2007) Demzufolge wird zunächst die Trilogie anhand des Kybernetischen Realismus thematisch analysiert und in der nachpostmodernen Ästhetik verortet. Da kontrollierte Reproduktion schon ein wichtiges Thema in der dystopischen Sci-fi gewesen ist, richtet die Arbeit den Blick speziell auf den Reproduktionsprozess der Lebensformen und die damit verbundene auf Geschlechtbasierte Gewalt in der erzählten Welt.
Dementsprechend werden in der Arbeit die folgenden Forschungsfragen gestellt: 1) Inwieweit widerspiegeln sich die uralten Stereotypen über Frauen noch in den neuen? 2) Was für eine Beziehung entfaltet sich zwischen Reproduktion, Geschlecht und Gewalt in den ausgewählten Werken? 3) Wie lässt sich posthumane Körperlosigkeit mit der Darstellung von Geschlecht als Identitätsfaktor in der erzählten postapokalyptischen Welt versöhnen? Für diesen Teil der Untersuchung wird eine Vorgehensweise gewählt, die sich einerseits an Slavoj Žižeks Typologie der Gewalt (2008) und andererseits an die posthumanistische Theorie des Xenofeminismus (Hester, 2018) anlehnt, die sowohl soziale als auch biologische Reproduktion als einen zentralen Gegenstand ihres Diskurses behandelt.
Bisher sind Herbsts Werke vornehmlich mit Fokus auf die Mischung von Realität und Virtualität untersucht worden. Das Verhältnis allerdings, in welchem Geschlecht, Reproduktion und Gewalt in diesen Werken vorkommen, ist noch nicht behandelt worden. Mit meiner Forschung hoffe ich diese Lücke schließen zu können.