Manuel Ghilarducci
Manuel Ghilarducci

Die unwiderstehliche Gewalt der Sprache. Metasprachliche Reflexion in der deutschen und russischen Gegenwartsprosa (1989-2013) zwischen Politik und Sprachphilosophie

Foto Manuel Ghilarducci

Die Sprachreflexion in der deutschen und russischen Gegenwartsprosa wurde bisher als eine hauptsächlich biografisch motivierte Reaktion auf politische Unterdrückung interpretiert. Aber handelt es sich um ein politisches Anliegen, wenn die Literatur ihr eigenes Medium reflektiert? Und was bedeutet „politisch“ in diesem Zusammenhang?
Auf der Grundlage einer poststrukturalistischen Begrifflichkeit und hegemonietheoretischer Ansätze untersucht die Arbeit die Komplexität und Transversalität der Sprachreflexion in exemplarischen Texten der deutschen und russischen Gegenwartsliteratur. Die Prosa von Gert Neumann, Kurt Drawert, Vladimir Sorokin und Valerij Votrin stellt Sprachgewalt als ultimatives Fundament jeder soziopolitischen Ordnung dar – ob der DDR, der Sowjetunion oder des heutigen Deutschlands und Russlands. Aber auch die Literatur besteht aus Sprache. Über die politische Ebene der Sprache hinausgehend werfen alle Texte sprachphilosophische Fragen auf: Was ist Sprache überhaupt? Ist Literatur ohne Sprachgewalt überhaupt möglich? In welchem Zusammenhang stehen politische Systeme, Sprachnormen und Subjekte? Auf diese Weise sind politisch diskursive Gewalt und der Sprache immanente Gewalt stets miteinander verflochten. Die Versuche der Subjekte, sich als stabile Instanzen zu präsentieren, die die Sprache unter Kontrolle halten können, münden immer in einer Figur des Scheiterns, die nicht als Resultat politischer Herrschaft und Unterdrückung zu betrachten ist, sondern sich als eine konstitutive Eigenschaft des Subjekts in seinem ontologischen Verhältnis zur Sprache zeigt.

Fach: Neuere deutsche Literatur, neuere russische Literatur
Betreuer/innen: Prof. Dr. Martina Wagner-Egelhaaf; Prof. Dr. Alfred Sproede; Prof. Dr. Vladimir Novikov (MGU, Staatliche Universität Moskau)

Kontakt

  • Akademischer Lebenslauf

    April 2021 / März 2023 Gastprofessur am Institut für Slawistik und Hungarologie der Humboldt-Universität zu Berlin. Vertretung der Juniorprofessur Westslawische Literaturen und Kulturen
    Oktober 2016 / Februar 2020 Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Slawistik und Hungarologie der Humboldt-Universität zu Berlin, Fachgebiet Westslawische Literaturen und Kulturen (Polonistik)

    2017

    Verteidigung der Dissertation: Die unwiderstehliche Gewalt der Sprache. Metasprachliche Reflexion in der deutschen und russischen Gegenwartsprosa (1989-2013) zwischen Politik und Sprachphilosophie
    07/2016

    Forschungsaufenthalt an der Universität Warschau

    2013 - 2016 Lehrbeauftragter an der WWU Münster, Germanistisches Institut
    2011 - 2017 Promotion an der Graduate School Practices of Literature der WWU Münster
    08/2011 - 09/2011 Stipendiat an der FU Berlin: Abschlussredaktion der Magisterarbeit „Gegen die Wirklichkeit. Denken und Schreiben Thomas Bernhards“ unter der Betreuung von Dr. Bernd Blaschke (Peter Szondi Institut)
    2005 Erasmus-Stipendiat an der Freie Universität Berlin
    2002 - 2009

    Studium der Germanistik und Slawistik an der Universität Pisa (Italien)

    Publikationen

     
    2017 „Aleksandr Prochanovs Publizistik. Eine dekonstruktivistische Annäherung”. In: Zeitschrift für Slawistik 62/1 (2017). S. 178-190.
    2017 „Verbale Aggression im Realsozialismus und ihre Literarisierung“. In: Bonacchi, Silvia/Meibauer, Jörg (Hgg.): Sprachliche Aggression. Grammatik, Pragmatik, Kultur. Berlin: de Gruyter 2017.
    2016 „«W bajce o życiu», oder: Wie man Geschichte, Sprache und Raum erzählen kann. Sońka von Ignacy Karpowicz“. In: Lecke, Mirja/Zabirko, Oleksandr (Hgg.): Verflechtungsgeschichten. Konflikt und Kontakt in osteuropäischen Kulturen. Münster: LIT 2016, S. 239-255.
    2016 Rezension: Jürgen Heyde/Karsten Holste/Dietlind Hüchtker (Hgg.): "Dekonstruieren und doch erzählen. Polnische und andere Geschichten." In: Kritikon Litterarum, Band 43, Heft 3/4 (2016), S.289-293.
    2014 „Gert Neumanns Etablierung eines ‚sprachlichen Widerstandes‛ in der DDR“. In: Revista de filologia alemana 22/2014, S. 107-126.
    2014 Übersetzung: M. Lipoveckij, Paralogie, Roma: Aracne 2014 [Übersetzung aus dem Russischen ins Italienische von M. Lipoveckij, Paralogii, Moskva: NLO 2008]
    2013 „Symbolische Gewalt in der deutschen und russischen Literatur nach dem Zusammenbruch der DDR und der UdSSR am Beispiel von Kurt Drawert, Gert Neumann und Vladimir Sorokin“. In: T. Erthel/C. Färber/N. Freund (Hgg.), Spannungsfelder: Literatur und Gewalt. Tagungsband des 3. Studierendenkongresses der Komparatistik, Frankfurt am Main: Lang 2013, S. 171-185.

    Vorträge

     
    01/2018 „Hady ljatuc', naradžaemsja tut i pamiraem tut. Die Performativität der belarussischen Selbstverortung im Hip-Hop-Projekt Belaroots". Heu auf dem Asphalt. Topoi belarussischer Selbstverortung. Universität Potsdam, 18-20 Januar 2018.
    10/2017 „Artikulationen des Anderen und des Selbst. Andrzej Stasiuks Dojczland als postkolonialer und psychoanalytischer Text". Slawisch-deutsche Begegnungen. Universität Osijek, 26-28 Oktober 2017.
    07/2017 „Artur Klinaǔ’s Topographical Remembering of the Past". Konferenz der American Comparative Literature Association. Seminar „Remembering Transitions: Local Revisions, Global Crossings", organisiert v. Manuel Ghilarducci and Dr. Ksenija Robbe. Universiteit Utrecht, 6-9 Juli 2017.
    10/2016 „(Trans-)Nationalism and Intermediality in Belarusian Alternative Rock Music“. In media res. Intermediality and the Borders of 20th Century Culture. Princeton University, 20-22 Oktober 2016.
    04/2016 „Glossolalie in Vladimir Sorokins Zasedanie zavkoma. Eine Analyse aus stimmentheoretischer Perspektive“. JFSL, Humboldt-Universität Berlin, 1-3 April 2016.
    06/2014 „Sexualität, Macht, und Realsozialismus am Beispiel von Thomas Brussig und Vladimir Sorokin“. Vierter Studierendenkongress für Komparatistik (SKK) – Thema: Literatur und Sexualität, Ruhr-Universität Bochum, 27-29 Juni 2014.
    06/2014 „Welche Sprache, welche Macht? Deutsche und russische Literatur in und nach dem Realsozialismus“. Graduiertenkonferenz Nach der Theorie?, Universität Wien, 13-14 Juni 2014
    09/2013 „Eine ‚poetische Konspiration des Denkens‛: Gert Neumanns ‚klandestines Schweigen‛“. Konferenz Über das Schweigen/O milczeniu, Uniwersytet pedagogiczny w Krakowie, 8-10 September 2013.
    12/2012 „Literature and politics: Zahar Prilepin“. Konferenz National and local identities in media and music: Evidence from Europe and Russia, Universität Bielefeld, 7-8 Dezember 2012.
    04/2012 „Symbolische Gewalt in der deutschen und russischen Literatur nach dem Zusammenbruch der DDR und der UdSSR am Beispiel von Kurt Drawert, Gert Neumann und Vladimir Sorokin“. Dritter SKK – Thema: Spannungsfelder: Literatur und Gewalt, Ludwig-Maximilians-Universität München, 27-29 April 2012.
    03/2012 „Sprache und Macht in der russischen und deutschen postsozialistischen Literatur“. Prager Germanistische Studententagung, Univerzita Karlova v Praze, 16-17 März 2012.