Das Immaterielle ausstellen.
Das Immaterielle ausstellen.

Interdisziplinäre Tagung zur Musealisierung von Literatur und performativer Kunst. 15.-16. April 2016

Zentrum für Kulturwissenschaftliche Forschung Lübeck und Buddenbrookhaus, Heinrich-und-Thomas-Mann-Zentrum in Lübeck
Ppl Immaterielles Web
Eine Kooperation der Graduate School Practices of Literature der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster, des Buddenbrookhauses und des Zentrums für Kulturwissenschaftliche Forschung Lübeck

Infos zum Ablauf und Programm der Tagung


Call for Papers (Frist: 15.01.2016)

Programm

Plakat

Tagungsbericht

Impressionen


Was kann von Literatur als individuellem Lektüreerlebnis oder einer für den Moment konzipierten Performance bewahrt und gezeigt werden?
In kommunikativen Prozessen – insbesondere im Museum – kommt den ‚Dingen‘ eine entscheidende Wirkung zu. Das erweist sich besonders dann als Herausforderung, wenn wie im Falle der Literatur und der Performancekunst das vermeintlich ‚Eigentliche‘ immateriell ist.

Die Tagung Das Immaterielle ausstellen widmet sich der Frage, inwiefern materielle Dinge als Überbleibsel, Reste oder Relikte Erinnerungsstücke und Zeugen für eine kulturhistorische Entwicklung sind oder vielmehr ein ästhetisches Erlebnis ermöglichen. Diskutiert werden Differenzen zwischen kulturtheoretischen Ansätzen, wissenschaftlichen Ansprüchen und praktizierter Kulturvermittlung, die sich etwa im Umgang mit Konzepten wie der Aura, der Authentizität und der Originalität herauskristallisieren.

Für den Keynotevortrag konnten Prof. Dr. Heike Gfrereis (Museen des Deutschen Literaturarchivs Marbach, Literaturmuseum der Moderne/ Schiller Nationalmuseum) gewonnen werden.
Außerdem gibt es eine öffentliche Podiumsdiskussion zum spannungsvollen Verhältnis zwischen Theorie und Praxis im Buddenbrookhaus, um kuratorische und museumspolitische Erfahrungen zu diskutieren. TeilnehmerInnen sind u.a. Anna Bandholz (Raumstrategin), Prof. Dr. Heike Gfrereis, Dr. Birte Lipinski, Dr. Folker Metzger und Prof. Dr. Hans Wißkirchen.


Organisatorinnen:

Lis Hansen

Janneke Schoene

Levke Teßmann


Kontakt

oder unter Immaterielles@uni-muenster.de

Konzept

Das Museum erscheint als eine zentrale Institution in der gegenwärtigen Kultur. Immer größere und spektakuläre Ausstellungen, regelrechte „Blockbuster“ (Te Heesen 2012), werden konzipiert und neue Zielgruppen fokussiert. Dabei ist es für Museen seit Jahren problematisch, neben zahlreichen anderen multimedialen Angeboten als attraktives Ziel für BesucherInnen zu bestehen. Permanent müssen sie ihre Funktion und Existenz begründen, gleichzeitig einem Vermittlungsauftrag nachkommen und wissenschaftliche Standards bedienen. Die Erwartungen an das Museum sind also äußerst vielfältig. Zwischen Erlebniskultur und kognitiver Erschließung haben AusstellungsmacherInnen die institutionellen Erwartungen und die des Publikums auszubalancieren. Gerade an Literaturausstellungen zeigt sich dabei das Spannungsfeld zwischen „theoretischer Skepsis“ und „boomender Praxis“ (Bohnenkamp/ Vandenrath 2011). Dies scheint auch auf die Ausstellung performativer und/oder konzeptueller Kunst übertragbar. In diesem Spannungsfeld zwischen kulturvermittelnder Praxis und wissenschaftlich-theoretischen Ansprüchen wird sich die Tagung verorten.

Das ‚Wesen‘ der Literatur und von ephemeren Kunstformen wie der Performancekunst gilt als immateriell. Im Zentrum der Tagung wird daher das Immaterielle stehen und als zentrale Frage diskutiert werden, wie dieses überhaupt musealisiert werden kann. Dabei hat sich seit dem material turn die Erkenntnis durchgesetzt, dass Wissen wie auch ästhetische Produktion an Materialität gebunden sind. In kommunikativen Prozessen – insbesondere im Museum – kommt den ‚Dingen‘ eine entscheidende Wirkung zu. Das erweist sich besonders dann als Problem, wenn wie im Falle der Literatur und der Performancekunst das vermeintlich Eigentliche immateriell ist, sodass in jedem Fall eine Medialisierung stattfindet und der Fokus mitunter auf das Materielle verschoben wird.

Die Differenzen zwischen kulturtheoretischen Ansätzen, wissenschaftlichen Ansprüchen und praktizierter Kulturvermittlung kristallisieren sich etwa an der Wirkmacht der ‚Aura‘ heraus. Diese konstituiert einen zentralen „Wert des Originals“ (so der Titel einer Ausstellung im Literaturmuseum Marbach (2014/2015), dem sich in Hinsicht auf die technische Reproduzierbarkeit von Kunstwerken schon Walter Benjamin widmete. Seine Ausführungen könnten um die Perspektive der Digitalisierung erweitert werden. Die Auratisierung eines Objekts wird zudem meist mit einem Authentizitätspostulat und einem traditionellen Werkbegriff verbunden und übt auf BesucherInnen eine große Anziehungskraft aus (wie etwa Goethes Schreibwerkzeuge oder die ‚pseudo-sakralen‘ Überbleibsel von Performances). Andererseits stehen viele Museen einer Auratisierung ihrer Ausstellungsobjekte kritisch gegenüber.

Von diesem Themenkomplex ausgehend wird sich die Tagung der Frage widmen, inwiefern diese materiellen Dinge Zeugen für eine kulturhistorische Entwicklung und Erinnerungsstücke sind oder vielmehr ein ästhetisches Erlebnis ermöglichen. Geht es bei der Ausstellung von Literatur, aber auch performativer Kunst um ein deiktisches Zeigen, ein Begreifen oder ein Erfahren und Erleben? Mit Hilfe welcher theoretischer und analytischer Prämissen können diese Ausstellungen überhaupt sinnvoll analysiert, rezipiert und ‚gelesen‘ werden? Gibt es eine Narratologie der Ausstellung oder sind doch eher theatrale/dramatische Modi (wie etwa auch Präsenz- und Performancetheorien) als Zugang zur Analyse von Ausstellungen sinnvoll?

Die Tagung wird diese Fragen in einem interdisziplinären Dialog zwischen Literatur- und Kunstwissenschaft forcieren und so unterschiedliche theoretische Analyse- und Beschreibungsmodi von Ausstellungen des Immateriellen zusammenbringen.

Neben der Freilegung von Gemeinsamkeiten und Unterschieden im wissenschaftlichen und praktischen Umgang mit den immateriellen Aspekten beim Ausstellen von Literatur und performativer Kunst soll nicht zuletzt perspektiviert werden, wie das Immaterielle im Zeitalter digitaler Medien ausgestellt werden kann, denn begleitenden Medien sind maßgeblicher Gegenstand der Rezeption und des Erlebens in Ausstellungen. Das digitale Zeitalter birgt mit seinen technischen Möglichkeiten neue Chancen für das Ausstellen eines Immateriellen, aber es ergeben sich auch Hürden, die eine eingehende Untersuchung erfordern.

In Lübeck haben diese Fragen angesichts des Um- und Neubaus des Buddenbrookhauses sowie der Neukonzeption der Dauerausstellung eine unmittelbare Relevanz. So können direkt vor Ort an aktuelle Ausstellungen und konkrete Phänomene angeknüpft und verschiedene Konzeptionsmöglichkeiten sowie zukünftige Entwicklungen unmittelbar diskutiert werden.