Januar bis März
Bereits im September letzten Jahres haben wir unseren Projektantrag beim Alfred Wegener Institut (AWI) eingereicht, der notwendig ist, um nach Ny Alesund reisen zu können und um die logistische Unterstützung des AWI zu bekommen. Dies umfasst sowohl die Einkleidung in Bremerhaven, die übrigens zusammen mit den Weserwerkstätten durchgeführt wird und immer hervorragend klappt, als auch die Hilfe vor Ort. Am 8.1.2020 erreicht uns die Nachricht, dass unser Projektantrag positiv bewertet wurde und wir somit unsere Mess- und Beobachtungskampagne auch dieses Jahr weiterführen können. Wir freuen uns riesig! Wir, das sind dieses Jahr Ernst Hauber vom DLR, Andreas Johnsson von der Universität in Göteborg, sowie Jan Raack und ich von der Westfälischen Wilhelms-Universität. Wir planen also mit dem vierköpfigen „Core Team“ und werden dieses Jahr keinen „Gastwissenschaftler“ mit uns nehmen. Dies ist vor allem der kurzen Vorbereitungszeit geschuldet.
Mit der guten Nachricht kommt auch die Arbeit! Als diesjähriger Expeditionsleiter ist es meine Aufgabe alle Buchungen über die RIS Webseite (RIS: Research in Svalbard) durchzuführen und alles zu organisieren bzw. zu koordinieren. So sind viele Formulare auszufüllen, ein ärztliches Gutachten zum allgemeinen Gesundheitszustand ist einzuholen, Flüge von Longyearbyen nach Ny Alesund zu buchen, Tagespläne zu übermitteln, usw. usw. Speziell die Tagespläne sind für die AWI Crew vor Ort wichtig, damit sie die Bedürfnisse der einzelnen Forschergruppen koordinieren kann, um z. B. Überschneidungen bei der Hüttenbelegung oder dem Motorboottransport bereits frühzeitig vermeiden zu können. Wir sind ja eine relativ „pflegeleichte“ Truppe, da wir wie üblich die meiste Zeit in der Geopol Hütte bzw. in der Corbel Hütte verbringen wollen und nur an einzelnen Tagen tatsächlich in Ny Alesund sein werden. Und die Kings Bay Company muss auch informiert werden, wie lange wir in Ny Alesund sein werden, weil sich danach die Berechnung der Übernachtungen bzw. der Mahlzeiten richtet. Je länger wir tatsächlich im Gelände sind, desto billiger wird es natürlich für uns! Apropos Essen. Wir gehen natürlich hier in den Supermarkt und kaufen mehr oder weniger unseren gesamten Bedarf an Lebensmitteln, die wir dann zusammen mit unserem wissenschaftlichen Gepäck und der AWI Kleidung bereits im Frühjahr nach Ny Alesund verschiffen lassen. Auch dazu sind wiederum viele Formulare notwendig, schließlich will der deutsche Zoll ja auch darüber informiert sein, welche teuren Instrumente wir ausführen und welche wir wieder einführen. Das ist für uns Laien jedes Jahr wieder spannend, weil die Vorschriften nicht ganz transparent sind. Die Kisten mit Lebensmitteln müssen z. B. nicht verzollt werden, während wir für alle anderen Kisten und Seesäcke genaue Inhaltsangaben mit Preisen abliefern müssen. So brauchen wir die Hilfe einer Spedition, um eine bestimmte Nummer zu bekommen. Jeder, der so etwas schon einmal gemacht hat, kann sich vorstellen, was der logistische Aufwand der großen internationalen MOSAIC Expedition für Kopfschmerzen verursacht haben muss. Aber beim AWI sitzen ja Profis, die natürlich viel mehr Erfahrung in diesen Dingen haben als wir Amateure! Wir überlegen ernsthaft, ob es wirklich Sinn macht, unsere Ausrüstung jedes Jahr hin und her verschiffen zu lassen. Denn letztlich haben wir unsere Kisten von der letzten Reise so spät bekommen, dass wir sie nie richtig ausgepackt haben. Ein kurzes Aus- und wieder Einpacken, verbunden mit einer Komplettierung von Verbrauchsmaterial wie z. B. Probencontainern, ist letztlich das Einzige was wir dieses Jahr machen können. Alles muss rechtzeitig fertig sein, damit wir unsere Kisten mit den entsprechenden Aufklebern versehen beim AWI Hafenlager am Tag der Einkleidung abgeben können. Das erspart uns eine zweite Anreise nach Bremerhaven.
Aber so weit sind wir ja noch lange nicht! Mitten in den Vorbereitungen entschließt sich Jan, dieses Jahr nicht mit nach Spitzbergen zu kommen. Sehr sehr schade, weil er letztes Jahr wirklich eine große Hilfe war und es auch menschlich gepasst hat. Aber guter Ersatz ist schnell gefunden: Nico Schmedemann. Die zwei arbeiten bei der Vorbereitung hervorragend zusammen und Nico kann von Jans Erfahrungen des letzten Jahres profitieren, speziell im Umgang mit den Zollformalitäten. Dies ist umso wichtiger, als wir zum ersten Mal ein Bodenradar mit nach Spitzbergen nehmen wollen. Nico und ich haben dazu mit dem Institut für Geophysik Kontakt aufgenommen, um uns das Gerät ausleihen zu können. Prof. Becken und sein Mitarbeiter Dr. Schmidt waren unserer Idee überaus offen aufgeschlossen, haben uns tatkräftig unterstützt, und so haben wir nun drei extra Kisten an Gepäck, die nach Ny Alesund geschafft werden müssen. Handlich ist das Gerät nicht gerade! Bevor wir allerdings alles verpacken, führen wir noch einen ausgiebigen Test auf dem Institutsparkplatz durch. Das Radar ist auf einem Schlitten montiert und es ist sicher ein etwas sonderlicher Anblick als Nico und ich abwechselnd den Schlitten über den Parkplatz ziehen während der jeweils andere mit der Steuereinheit des Geräts die aufgenommenen Daten überwacht. Das alles bei kaltem Januarwind, der uns schon jetzt eine Vorstellung davon vermittelt, wie es in Spitzbergen sein könnte.
Das Bodenradar wird mit Lithium-Zellen betrieben. Da wir ja zumindest bei der Geopol Hütte für mehrere Tage keinen Strom zum Aufladen der Batterien haben werden, brauchen wir eine relativ große Anzahl an Ersatzbatterien, um das Radar möglichst lange betreiben zu können. Nur so rentiert sich ja der Aufwand! Zwar sind diese Batterien nicht gerade leicht. Das eigentliche Problem ist allerdings der Transport. Wir brauchen dazu genaue Herstellerangaben, sog. Datenblätter, die wir nicht haben. Es bedarf einer längeren Suche im Internet bis wir die Datenblätter vergleichbarer Batterien gefunden haben. Ein sehr großes Problem dabei ist, dass sich die Typenbezeichnungen und die technischen Spezifikationen wohl im Laufe der Jahre geändert haben und es deshalb fast unmöglich ist, eine hundertprozentige Übereinstimmung zwischen Batterien und Datenblättern zu erreichen. Auch die zwei großen Lithium-Akkus, die ich letztes Jahr gekauft habe, stellen sich als zu leistungsstark heraus, so dass sie weder im Flugzeug noch mit dem Schiff transportiert werden dürfen. Ich frage mich, wie sie aus China auf meinen Schreibtisch gelandet sind? Offensichtlich hat es dabei jemand nicht so ganz genau mit den Transportbestimmungen genommen… Aber wir wollen natürlich kein Risiko eingehen und so kaufe ich kurzerhand einen neuen Akku, der gerade noch legal transportiert werden darf. Natürlich dürfen wir die Batterien nicht einfach in eine Kiste packen. Nein, die Kiste mit den Batterien muss einen extra Aufkleber erhalten, inklusive Notfallnummer des Herstellers. Die Batterien waren also eine große Quelle an Unsicherheit und erst buchstäblich in letzter Minute haben wir alles soweit erledigt, dass die Batterien verschifft werden können. Auch dabei war uns das AWI wieder eine große Hilfe. Vielen Dank! Am 12.3.2020 fahren wir schließlich nach Bremerhaven zur Einkleidung und zur Ablieferung unserer Kisten. Bevor es an die Einkleidung geht, machen wir noch im Café der Weserwerkstätten gegenüber dem Bekleidungslager unsere Frühstückspause. Im Bekleidungslager ist größtenteils schon alles vorbereitet, so dass wir nur noch alles anprobieren und ein paar Gegenstände austauschen müssen. Alles klappt prima: Einkleidung, Zoll, Hafenlager sind schnell erledigt und so sind wir schon bald wieder auf dem Weg nach Münster. Was jetzt noch fehlt, ist die Flüge von Münster nach Longyearbyen zu buchen. Aber das ist kein wirkliches Problem und schnell erledigt. Wir sind bereit!
Parallel zu all diesen Aktivitäten erhalten wir am 14.2.2020 die fantastische Nachricht, dass das DLR und das AWI eine Flugkampagne mit der MACS Kamera in Spitzbergen durchführen wird. Ähnlich wie im Jahr 2008 werden diese Bilder eine räumliche Auflösung von weniger als 20 cm liefern, so dass wir sehr gut die Veränderungen der Landschaft in den letzten 12 Jahren untersuchen können. Unsere bevorzugten Gebiete sind deshalb natürlich Kvadehuksletta und die Seitenmoräne des Kronebreen Gletschers aber auch Gebiete im Hanaskogdalen. Jörg Brauchle und Tilman Bucher, beide vom DLR in Berlin, betreuen die Befliegung und unterstützen uns nach Kräften. So eine Zusammenarbeit macht Spass! Aber die neue Befliegung ist auch aus einem anderen Grund sehr interessant. Die Kamera deckt nämlich auch den Infrarot-Bereich des elektromagnetischen Spektrums ab, so dass wir neben hochauflösenden Bildern auch Temperaturdaten erhalten werden. Falls das Wetter mitspielt…