Die Funkenkammer
Die Kamiokanne
Das Neutrinopendel
Neutrinooszillation - Ein Analogon in der Optik
Die Funkenkammer
Eine Funkenkammer ist ein optischer Detektor für ionisierende Strahlung. Mit einer auf dem Erdboden aufgestellten Funkenkammer werden auch Spuren kosmischer Teilchen (z.B. Myonen) sichtbar. Durchquert ein geladenes Teilchen die mit Edelgas gefüllte Kammer, so werden die Gasatome entlang der Teilchenspur ionisiert. Über eine Zündvorrichtung wird sehr schnell eine Hochspannung an die mit Kupfer beschichteten Platten gelegt und die entstandenen Ladungsträger werden durch das elektrische Feld räumlich getrennt. Die Energie der Elektronen reicht aus, um weitere Gasatome zu ionisieren. So kommt es am Ort der Primärionisation zu einer lawinenartigen Vermehrung von Ladungsträgern und es bildet sich eine Entladung aus. Ein Funke entsteht zwischen den Platten und die Spannung bricht zusammen. Verwendet man viele Kupferplatten parallel, lässt sich anhand der Funken die gesamte Spur des Teilchens durch die Kammer nachvollziehen.
Kosmische Strahlung ist hochenergetische Strahlung aus dem Weltraum. Man geht davon aus, dass ein Großteil der kosmischen Strahlung aus der Sonne und von Supernova-Explosionen stammt sowie aus Pulsaren und Doppelsternsystemen. Beim Eindringen hochenergetischer kosmischer Strahlung in die Erdatmosphäre entstehen durch verschiedene Wechselwirkungen Myonen, Neutrinos und weitere Teilchen. Die so entstandenen Myonen haben eine mittlere Lebensdauer von 2,2 Mikrosekunden. Unter der Berücksichtigung der klassischen Mechanik legen sie in dieser Zeit nur einen Weg von ca 660 m zurück - warum kann man sie trotzdem nach einer mittleren Strecke von 30 km auf der Erde nachweisen? Bei der Erklärung hilft uns die Relativitätstheorie: sie besagt, dass aufgrund der endlichen Lichtgeschwindigkeit die Zeit mit zunehmender Geschwindigkeit für einen Beobachter langsamer verläuft. Die hier betrachteten Myonen bewegen sich mit nahezu Lichtgeschwindigkeit. Sie erfahren also diese Zeitdilatation, die ihre Lebensdauer für einen Beobachter wie uns um das 50-fache verlängert.
Die Kamiokanne
Aus dem Weltraum wird die Erde permanent von Teilchen bombardiert. Hierbei spricht man von der kosmischen Höhenstrahlung, welche 1912 Victor Hess mit Hilfe von Ballonflügen entdeckt hat (Nobelpreis 1936). Bei den Teilchen handelt es sich hauptsächlich um Atomkerne (87% Protonen, 12% Heliumkerne und 1% schwere Atomkerne). In einer Höhe von 10 - 20 km reagieren diese mit der Atmosphäre. Bei diesen Reaktionen entstehen die sogenannten Myonen. Myonen sind Elementarteilchen, ähnlich wie die Elektronen. Sie sind allerdings mehr als 200 mal schwerer, als die Elektronen.
Pro Sekunde treffen auf jedem Quadratmeter in Meereshöhe etwa 200 Myonen auf. Jede einzelne der vier schwarzen Kaffeekannen wird pro Sekunde also von etwa 2 Myonen getroffen. Diese Myonen können mit unserer Kamiokanne nachgewiesen werden. Der Name dieses Demonstrationsversuchs spielt auf das japanische KamiokaNDE-Experiment an. Mit diesem wurde ebenfalls die kosmische Höhenstrahlung untersucht. (Nobelpreis 2002, M. Koshiba) In unserem Experiment passiert nun folgendes: Wenn ein Myon eine der mit Wasser gefüllten Kaffeekannen durchquert, und das Myon ist schneller, als die Lichtgeschwindigkeit im Wasser, so entsteht ein Lichtblitz, der detektiert wird. In der Regel erfüllen die Myonen aus der kosmischen Höhenstrahlung diese Bedingung.
Die Kamiokanne in der Ausstellung
Für die Lichtgeschwindigkeit in Wasser gilt: cWasser= cVakuum/nWasser = 3/4.299792458 m/s. Der Lichtblitz entspricht der kegelförmigen Druckwelle, welche bei einem Überschallflugzeug entsteht, und als Knall zu hören ist. Dieser Lichtblitz wird nun von einem sogenannten Photomultiplier in ein elektrisches Signal umgewandelt.
Der Photomultiplier befindet sich in dem Plastikrohr, welches aus den Kannen herausragt. Die elektrischen Signale der vier Photomultiplier werden nun in eine Elektronik geleitet. Da auch andere Prozesse, z.B. Rauschen der Elektronik, Signale in den einzelnen Kannen erzeugen, lässt unsere Elektronik immer dann zwei der Dioden zusammen aufleuchten, wenn sie von zwei der Kannen gleichzeitig ein Myonensignal erhalten hat. Dieses stammt von Myonen, welche durch die Kannen hindurchfliegen. Weil die Myonen fast Lichtgeschwindigkeit (299792458 m/s) besitzen, entstehen die Signale in den zwei Kannen, durch welche das Myon hindurchgeflogen war, nahezu gleichzeitig. Wenn man sich nun das kleine Pult mit den vier Leuchtdioden eine Weile anschaut, so wird man hin und wieder beobachten, dass zwei Dioden gleichzeitig aufleuchten. Dies geschieht viel seltener, als mit der Einzelrate der Kannen von 2 pro Sekunde, weil nur Myonen, welche aus einer ganz bestimmten Richtung kommen, es schaffen, durch beide Kannen hindurchzufliegen. Die meisten Myonen treffen nur eine einzelne Kanne.
Das Neutrinopendel
Neutrinos gehören zu den Grundbausteinen unseres Universums, den Elementarteilchen. Sie treten in drei verschiedenen Sorten auf, den Elektron-, Myon- und Tauneutrinos und kommen in ungeheuren Mengen vor. Auch der Mensch ist aufgrund der natürlichen Radioaktivität beim Betazerfall eine natürliche Neutrinoquelle.
Neutrinos, deren Existenz erst 1930 von Enrico Fermi vorausgesagt wurde, sind elektrisch neutrale Elementarteilchen, die nach heutiger Auffassung in drei Zuständen vorliegen und sehr kleine Massen besitzen. Sie werden unter anderem in großer Zahl bei den natürlichen Kernfusionsprozessen in der Sonne erzeugt, und können auf der Erde mit verschiedenen kernphysikalischen Methoden nachgewiesen werden. Die dabei gemessene Anzahl einer bestimmen Art von Neutrinos unterschritt die nach den Standard-Sonnenmodellen der Kernphysik erwartete Anzahl um mehr als die Hälfte, so dass angenommen werden kann, dass die Neutrinos aufgrund von quantenmechanischen Prozessen ihren Zustand ändern. Da die Wahrscheinlichkeit einen bestimmten Zustand von Neutrino zu messen sich periodisch mit der Ausbreitungsstrecke der Teilchen ändert, wird dieses Phänomen Neutrino-Oszillation genannt.
Neutrinos, die man in einem Experiment beobachtet, sind tatsächlich eine Überlagerung von drei sogenannten Neutrino-Massezuständen. Die Mischung dieser Massezustände entscheidet, welche Neutrinosorte vorliegt. Bewegt sich ein Neutrino, so ändert sich aufgrund von Laufzeitunterschieden der Betrag der einzelnen Massezustände und damit die Neutrinosorte. Zum Beispiel wandelt sich nach einer gewissen Flugstrecke ein Elektron- in ein Tauneutrino um.
Obwohl es so viele Neutrinos gibt, bemerken wir nichts von ihnen, da sie äußerst selten mit Materie reagieren. Dieses macht es auch für Forscher so schwer, sie nachzuweisen und sehr große Detektoren sind notwendig, um weitere Informationen über sie zu erhalten. Aufgrund ihrer großen Anzahl können die Neutrinos abhängig von ihrer Masse einen vergleichbar großen Anteil zur Gesamtenergie des Universums beitragen, wie die sichtbare Materie, z.B. Sterne und Staubwolken.
Das Neutrinopendel in der Ausstellung
Zur Veranschaulichung der Neutrinooszillation gibt es das Neutrinopendel: die gekoppelten Pendel stellen die Zustände der schwachen Wechselwirkung dar, die Kopplungsfedern werden als Analogon zu den Neutrinomischungen und den Massendifferenzen, die die Oszillation hervorrufen, gesehen. Wird nun eines der Pendel angestoßen, so wird die Schwingung auch auf die anderen übertragen und man erhält unterschiedliche Schwingungszustände, z.B. das Schwingen einzelner Pendel wie auch aller drei Pendel gleichzeitig.
Neutrinooszillation - ein Analogon in der Optik
Dieses Exponat, das sich besonders an Schüler und Schülerinnen von Physik-Leistungskursen und ältere Physik-Interessierte richtet, nutzt geschickt die mathematische Analogie um über die Änderung der Eigenschaften von Licht die Zustandsänderung der Neutrinos zu verdeutlichen:
Mathematisch analog verhält sich die Schwingungsrichtung von Lichtwellen – Polarisation genannt –, wenn diese sich durch doppelbrechende Kristalle ausbreiten. Die optischen Materialien verändern die Polarisationsrichtung der Lichtwellen aufgrund unterschiedlicher Ausbreitungsgeschwindigkeiten für unterschiedliche Schwingungsrichtungen, die parallel oder senkrecht zu einer ausgezeichneten strukturbedingten Symmetrieachse des Kristalls liegen. Dreht man die Kristalle und damit die Symmetrieachse, so ändern sich bei gleicher Ausgangssituation die Lichtanteile entlang der unterschied-lichen ausgezeichneten Schwingungsrichtungen, sodass sich die Ausgangs-Schwingungsrichtung des Lichtes nach Durchgang durch den Kristall ändert.
Betrachtet man nun die Analogie zwischen Ausgangs-Schwingungsrichtung und gemessener Neutrino-Art einerseits und deren Abhängigkeit von der Kristalldrehung und der Ausbreitungsstrecke der Neutrinos andererseits, so ergibt sich die physikalische und mathematische Ähnlichkeit der beiden Phänomene.