Integrabilität in Quantenfeldtheorien auf nichtkommutativen Geometrien
Quantenfeldtheorie ist die mathematische Grundlage zur Beschreibung der Physik der Elementarteilchen und der kondensierten Materie. Quantenfelder werden entweder als Operatoren auf Hilbert-Räumen aufgefaßt oder als Zufallsvariablen. Letztere müssen nicht unbedingt auf Wahrscheinlichkeitsräumen leben, welche Riemannsche Geometrien beschreiben, sondern sie können auch auf nichtkommutativen Geometrien definiert werden. Neben physikalischen Gründen besteht der große Vorzug von Quantenfeldern auf nichtkommutativen Geometrien darin, daß sie relativ einfache endlich-dimensionale Approximationen zulassen, nämlich Matrizen. Endlich-dimensionale Approximationen sind unverzichtbar bei der Renormierung von Singularitäten in wechselwirkenden Quantenfeldtheorien.
Eine nichtkommutative Geometrie ist für uns ein Limes von Matrixalgebren. Ein Skalarprodukt < , >E auf dem (reellen, nuklearen) Vektorraum X der selbstadjungierten Matrizen, parametrisiert durch Spektralwerte eines Laplace-Operators E, definiert eine Familie Gaußscher Zufallsvariablen und ein zugehöriges Wahrscheinlichkeitsmaß dμ0(Φ) auf dem Dualraum X'. Man würde gerne wechselwirkende Quantenfelder definieren als Zufallsvariablen zu einer Deformation dμλ(Φ)=(1/Z) exp(-Sλ(Φ)) dμ0(Φ) des Maßes durch ein Funktional Sλ(Φ) auf X' mit nichtlinearer Ableitung. Wegen Singularitäten ist das aber äußerst schwierig bis (zumeist) unmöglich.
Wir arbeiten an zwei Beispielen, in denen diese Deformation aufgrund einer einzigartigen algebraischen Struktur gelingt, die man Integrabilität nennt. In beiden Beispielen geht man vom Gaußschen Maß dμ0(Φ) zum Skalarprodukt <A,B>E= (1/N) Σk,l=1N (akl blk)/(Ek+El) zwischen selbstadjungierten N×N-Matrizen A=(akl), B=(bkl) aus, wobei (E1,...,EN) das (abgeschnittene) Spektrum eines Laplace-Operators ist.
Umfassend verstanden ist die Deformation von dμ0(Φ) durch Sλ(Φ)= (λN/3) Σk,l,m=1N ΦklΦlmΦmk , deren Integrabilität in einer bahnbrechenden Arbeit (hier) von Kontsevich bewiesen wurde. Es hängt in tiefer Weise mit zweidimensionaler Quantengravitation und mit algebraischer Geometrie von komplexen Kurven zusammen. Die Momente des Maßes dμλ(Φ) haben eine entsprechende topologische Zerlegung nach dem Geschlecht g der Kurve und der Zahl b der markierten Punkte. Zwischen (g,b)-homogenen Anteilen der Momente bestehen algebraische Gleichungen, die eine universelle Struktur zeigen, die als topologische Rekursion bezeichnet wird. Dabei ist die Gleichung für den (0,1)-Anteil nichtlinear; ihre Lösung kennt man. Alle anderen sind lineare inhomogene Gleichungen, die mit Techniken der topologische Rekursion gelöst werden können, oder mit Methoden aus der Quantenfeldtheorie (hier und hier)
Unser eigentliches Interesse gilt der Deformation durch ein quartisches Potential Sλ(Φ)= (λN/4) Σj,k,l,m=1N ΦjkΦklΦlmΦmj . Zwischen (g,b)-homogenen Bestandteilen der Momente gibt es auch hier ein System von algebraischen Gleichungen (hier), das mit einer nichtlinearen Gleichung für die Zweipunktfunktion zu (g=0,b=1) beginnt. Diese ist wesentlich komplizierter als für das kubische Potential und konnte erst vor kurzem gelöst werden (hier und hier). Die Lösung ist Komposition einer rationalen Funktion mit der Umkehrfunktion einer anderen rationalen Funktion. Diese Rationalität ist außergewöhnlich für eine Quantenfeldtheorie, und sie ist ein starker Hinweis auf eine integrable Struktur in diesem Modell. Die Lösung ist auch im Grenzfall N gegen unendlich für jene Spektralwerte Ek verstanden (hier und hier), die in wichtigen Beispielen nichtkommutativer Geometrien auftreten. Dafür mußten quantenfeldtheoretische Singularitäten renormiert werden.
Im weiteren geht es um die Lösung der nächsten Gleichungen der Hierarchie und die Klärung ihrer Struktur. Anschließend sollen strukturelle Aussagen zur Lösung aller Gleichungen gewonnen und ihre Beziehung zur topologischen Rekursion geklärt werden. Die Lösungen sollten sich als Laurent-Reihen verstehen lassen, wodurch gewisse Familien von Parametern {tj} identifiziert werden. Wir möchten verstehen, wie sich die Erhöhung von b in der (g,b)-Parametrisierung durch diese {tj} ausdrückt und so auf die Zustandssumme schließen, die b=0 entspricht. Die Zustandssumme sollte eine formale Potenzreihe in den {tj} mit rationalen Koeffizienten sein. Einerseits möchten wir diese Koeffizienten als topologische Invarianten identifizieren, z.B. als Schnittzahlen charakteristischer Klassen auf einem Modulraum. Andererseits sollte die Zustandssumme eine bilineare Evolutionsgleichung in den {tj} erfüllen, wodurch ihre Integrabilität präzise formuliert wäre.