„Die Herausforderung liegt in der Qualifizierungsphase“
In der Wissenschaft sind Frauen weltweit unterrepräsentiert. Dies gilt insbesondere für die zukunftweisenden MINT-Fächer – Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik. Hierauf weist der „Internationale Tag der Frauen und Mädchen in der Wissenschaft“ am 11. Februar hin, der 2015 von der UNESCO initiiert wurde. Dr. Adrienne Hammerschmidt, Chemikerin und Mitglied des Direktoriums am MEET Batterieforschungszentrum der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster (WWU), berichtet über Chancen und Herausforderungen für Wissenschaftlerinnen und beantwortet die Frage, was bei der wissenschaftlichen Karriereplanung hilfreich sein kann.
Warum haben Sie sich für eine wissenschaftliche Karriere in der Chemie entschieden?
Hammerschmidt: „Chemie war schon in der Schule mein Lieblingsfach und auch ein Studium in dieser Fachrichtung war für mich früh klar. Der Gedanke, in der Wissenschaft zu bleiben, reifte erst während meiner Promotion in der Anorganischen Festkörperchemie. Nach einer Familienpause hatte ich die Chance, an die Universität zurückzukehren, in den WWU-Sonderforschungsbereich „Ionenbewegung in Materialien mit ungeordneten Strukturen – vom Elementarschritt zum makroskopischen Transport“. Damit konnte ich thematisch an meine Promotion in einem zukunftsorientierten Themenfeld anknüpfen bei gleichzeitig guter Vereinbarkeit von Beruf und Familie.“
Welche Ratschläge geben Sie jungen Wissenschaftlerinnen, die sich für eine Karriere in der Chemie entscheiden?
Hammerschmidt: „Netzwerken ist extrem wichtig. Dabei meine ich sowohl klassisch Kontakte auf Kongressen oder Messen zu knüpfen, als auch dort eigene Forschungsergebnisse zu präsentieren. Seid selbstbewusst und zeigt, was ihr könnt. Ein Auslandsaufenthalt ist ebenfalls empfehlenswert, um Erfahrungen zu sammeln und das eigene Netzwerk auszuweiten. Dies kann bereits während der Promotion angestrebt werden oder in einem Post Doc Programm im Ausland umgesetzt werden. Gewinnbringend sind in jedem Fall auch Fortbildungen, wie in meinem Fall das WWU-Programm „Frauen managen Hochschule“. Generell ist es wichtig, sich die Vielzahl der Karrieremöglichkeiten vor Augen zu führen, denn neben der klassischen wissenschaftlichen Arbeit gewinnt das Forschungsmanagement immer mehr an Bedeutung. Ein extrem spannendes Betätigungsfeld, natürlich nicht nur, aber eben auch für Frauen.“
Weltweit wird Forschungspotenzial noch nicht vollständig ausgeschöpft, da noch zu wenige hoch qualifizierte Frauen in der Forschung arbeiten. Was sind Möglichkeiten, um dies zu ändern?
Hammerschmidt: „Es beginnt damit, Mädchen und Frauen schon frühzeitig für die Forschung zu begeistern. Dafür haben wir am MEET Angebote wie den Maus Türöffnertag oder den Girls‘ Day, dies setzt sich fort in diversen Kooperationsprojekten mit Schulen, bis hin zu „Jugend forscht“. Chemie-Studentinnen möchten wir durch unsere Angebote im Mastermodul für eine Masterarbeit oder später eine Promotion in der Batterieforschung begeistern. Die größte Herausforderung liegt jedoch in der Qualifizierungsphase: Die Zeit während und nach der Promotion fällt oft mit der Familienplanung zusammen. Für werdende und junge Mütter, die in dieser Phase ihre Karriere vorantreiben wollen, braucht es gutes Coaching und entsprechende Strukturen. Konkret in der Chemie zum Beispiel der Gedanke, dass Schwangere, die nicht mehr selbst im Labor arbeiten dürfen, bei Laborarbeiten gezielt unterstützt werden. Und natürlich flexible Betreuungsangebote für Kinder. Genau wie der Gedanke, dass sich beide Elternteile gleichmäßig in die Kinderbetreuung einbringen, sei es durch geteilte Elternzeiten oder Teilzeittätigkeiten auf beiden Seiten.“
Was wünschen Sie sich für die Zukunft mit Blick auf Frauen und Mädchen in der Wissenschaft?
Hammerschmidt: „Ich wünsche mir, dass Frauen genauso selbstverständlich wie Männer ihre Karriereziele verfolgen können. Das MEET ist hier auf einem guten Weg und bietet viele Optionen. Besonders erfreulich ist, dass unsere aktuelle Nachwuchsforschungsgruppe von einer Frau, Dr. Karin Kleiner, geleitet wird, die sich in einem hochkompetitiven Auswahlverfahren durchgesetzt hat. Ich hoffe, auch dieses Beispiel ermutigt junge Mädchen und Frauen, sich für die Wissenschaft zu entscheiden.“