Unter dem Titel "Bioethik in Deutschland aus ungarischer Perspektive" vermittelte die Fellow Lecture von Professor Dr. Erzsébet Rózsa (Universität Debrecen, Ungarn) eine interessante Außenperspektive auf Leitlinien der deutschen Forschung im bioethischen Bereich. Für die Mitglieder der Kolleg-Forschergruppe „Normenbegründung in Medizinethik und Biopolitik“ verdeutlichte sie die Bedeutung der Philosophie Hegels in der „deutschen Bioethik“ und charakterisierte die hiesige Ethikforschung zudem als stark von systematischen und Begründungsfragen geprägt.
Den Hintergrund des Vortrags bildet die bislang eher zögerliche Zuwendung weiter Teile der ungarischen Philosophie zu Problemen der angewandten Ethik. Im Zuge einer EU-Fördermaßnahme konnte 2010 in Ungarn erstmals ein größeres Forschungsprojekt mit Schwerpunkten im Bereich Bioethik etabliert werden. Die beteiligten Forscher sind nun dabei, die Ressourcen der bioethischen Forschung deutscher und angelsächsischer Traditionen zusammenzuführen und für ihre Fragen nutzbar zu machen.
Im von Professor Rózsa vertretenen Schwerpunkt „Die Person in bioethischen Kontexten“ wurden folglich auch die deutsche Philosophie und insbesondere deren Entwicklung von Personenkonzepten nachverfolgt. Die neueren deutschen Forschungen in diesem Bereich machte Rózsa an vier Beispielen fest: dem transatlantischen Subjektivitätsprojekt, der Heidelberger und der Münsteraner „Schule“ sowie dem Humanprojekt der BBAW. Bestimmend seien dabei vor allem das Spannungsfeld zwischen kantischer Subjektivität und Hegels intersubjektivistischer Perspektive sowie der Begriff der „Freiheit“. Als gemeinsame Merkmale nannte die Vortragende die stets systematische Herangehensweise und die Einbettung in Begründungskontexte, in Abgrenzung zur dominierenden Kasuistik in der angelsächsischen Ethikforschung. Zum Ziel ihrer eigenen Forschung erklärte Rózsa ein holistisches Personenkonzept, das kantische Selbstbestimmung und Hegels Intersubjektivität zusammenführt.
Rückfragen in der anschließenden Diskussion betrafen beispielsweise das Verhältnis dieses Personenkonzepts zum umstrittenen Ansatz von Peter Singer, den Status einer narrativen Identität im Spannungsfeld von Subjektivität und Intersubjektivität sowie die Vereinbarkeit von Begründungsmodellen auf systematischer und angewandter Ebene. Aufschlussreich waren darüber hinaus die näheren Erläuterungen zur jüngeren Entwicklung der ungarischen Forschungslandschaft, zu dem in Ungarn vergleichsweise schwach regulierten Bereich des Bio- und Medizinrechts sowie zum bislang mangelhaften Status von Patientenrechten im ungarischen Gesundheitssystem.
Wenn im geplanten Personenkonzept kein Antagonismus zwischen individueller Selbstverwirklichung und sozialer Gebundenheit vorkommen soll, sei Vertrauen in die staatlichen Institutionen eine notwendige Voraussetzung, so ein Fazit der Diskussion. Angesichts der realen Situation in Ungarn scheint der Begriff der „Entfremdung“ womöglich geeignet zur Analyse einer gegenwärtig offenbar misslingenden Versöhnung beider Aspekte menschlichen Personseins.
Den Hintergrund des Vortrags bildet die bislang eher zögerliche Zuwendung weiter Teile der ungarischen Philosophie zu Problemen der angewandten Ethik. Im Zuge einer EU-Fördermaßnahme konnte 2010 in Ungarn erstmals ein größeres Forschungsprojekt mit Schwerpunkten im Bereich Bioethik etabliert werden. Die beteiligten Forscher sind nun dabei, die Ressourcen der bioethischen Forschung deutscher und angelsächsischer Traditionen zusammenzuführen und für ihre Fragen nutzbar zu machen.
Im von Professor Rózsa vertretenen Schwerpunkt „Die Person in bioethischen Kontexten“ wurden folglich auch die deutsche Philosophie und insbesondere deren Entwicklung von Personenkonzepten nachverfolgt. Die neueren deutschen Forschungen in diesem Bereich machte Rózsa an vier Beispielen fest: dem transatlantischen Subjektivitätsprojekt, der Heidelberger und der Münsteraner „Schule“ sowie dem Humanprojekt der BBAW. Bestimmend seien dabei vor allem das Spannungsfeld zwischen kantischer Subjektivität und Hegels intersubjektivistischer Perspektive sowie der Begriff der „Freiheit“. Als gemeinsame Merkmale nannte die Vortragende die stets systematische Herangehensweise und die Einbettung in Begründungskontexte, in Abgrenzung zur dominierenden Kasuistik in der angelsächsischen Ethikforschung. Zum Ziel ihrer eigenen Forschung erklärte Rózsa ein holistisches Personenkonzept, das kantische Selbstbestimmung und Hegels Intersubjektivität zusammenführt.
Rückfragen in der anschließenden Diskussion betrafen beispielsweise das Verhältnis dieses Personenkonzepts zum umstrittenen Ansatz von Peter Singer, den Status einer narrativen Identität im Spannungsfeld von Subjektivität und Intersubjektivität sowie die Vereinbarkeit von Begründungsmodellen auf systematischer und angewandter Ebene. Aufschlussreich waren darüber hinaus die näheren Erläuterungen zur jüngeren Entwicklung der ungarischen Forschungslandschaft, zu dem in Ungarn vergleichsweise schwach regulierten Bereich des Bio- und Medizinrechts sowie zum bislang mangelhaften Status von Patientenrechten im ungarischen Gesundheitssystem.
Wenn im geplanten Personenkonzept kein Antagonismus zwischen individueller Selbstverwirklichung und sozialer Gebundenheit vorkommen soll, sei Vertrauen in die staatlichen Institutionen eine notwendige Voraussetzung, so ein Fazit der Diskussion. Angesichts der realen Situation in Ungarn scheint der Begriff der „Entfremdung“ womöglich geeignet zur Analyse einer gegenwärtig offenbar misslingenden Versöhnung beider Aspekte menschlichen Personseins.