Jozef Zelinka
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Forschungsproblem und Fragestellung
Die psychischen Störungen, und mit ihnen der Diskurs um psychische Gesundheit, sind auf dem Vormarsch. Einen handfesten Beweis dafür liefert die wachsende Anzahl der vollstationär behandelten Patient*innen in Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtungen, bei denen nach der ICD-10 als Hauptdiagnose psychische oder Verhaltensstörungen festgestellt wurden. In der Dekade von 2005 bis 2015 stieg in Deutschland diese Zahl um mehr als 53%, so das Statistische Bundesamt. Unter den zahlreichen Störungen figuriert vor allem das Burnout-Syndrom als eine neue Volkskrankheit (vgl. Scharnhorst 2012b). Mittlerweile liegen zahlreiche Untersuchungen zu seinen Ursachen, Auswirkungen und Beseitigungsstrategien vor (siehe bspw.: Ratheiser et al. 2011, Bährer-Kohler 2013, Burisch 2014, Buchenau/Nelting 2015, Pirker-Binder 2016), sowie die ersten kritischen Studien, die die gesellschaftliche Problematisierung psychischer Gesundheit reflektieren (vgl. hierzu: Rau 2010, Lengwiler/Madarász 2010, Kury 2012, Hildebrand 2013, Abels 2015, Poczka 2017). Eine dezidiert kritische politikwissenschaftliche Analyse fehlt jedoch bisher, was ich mithilfe des Foucault'schen Instrumentariums schließen möchte. Mein Forschungsproblem ergibt sich aus der Tatsache, dass der Zuwachs psychischer Störungen - und das Burnout-Syndrom sei dafür beispielhaft - die Entwicklung einer ganzen Reihe präventiver Maßnahmen stimuliert, welche sich in konkreten Machtmechanismen auf die gesellschaftlichen Verhältnisse und auf das individuelle Verhalten auswirken. Die durch die Prävention operierende Rationalität entschlüsseln die Forscher*innen in Anlehnung an Foucault als das sog. Präventionsdispositiv (Bröckling 2012: 99; Rauer/Junk/Daase 2014: 33). Und gerade seine gouvernmentale Wirkung, das heißt, die Art und Weise wie durch ihn die Möglichkeiten der Selbstführung von Subjekten dargestellt und festgelegt werden, bilden den Fokus meiner Fragestellung. Um diese komplexe Regierungsweise untersuchen zu können, habe ich mich der methodologischen Vorgehensweise der Dispositivanalyse zugewandt.
Wissenschaftliche Tradition
Mein Forschungsprojekt ist innerhalb der Politischen Theorie situiert - einer Teildisziplin der Politikwissenschaft - und liefert Erkenntnisse zur theoretischen Auslegung gegenwärtiger politischer Prozesse. Ausgehend von der kritischen Tradition, bediene ich mich poststrukturalistischer Ansätze, darunter vor allem der Ausarbeitungen Michel Foucaults, um diejenigen Macht- und Regierungsmechanismen sichtbar zu machen, die andere politikwissenschaftliche Ansätze nicht abdecken. Aus Michel Foucaults Philosophie und "Denkkiste" hat sich das Konzept der Gouvernementalität als besonders fruchtbar für mein Forschungsvorhaben erwiesen (vgl. Foucault 1978). Mit ihm versuchte Foucault, eine Regierungsweise zu beschreiben, die auf der doppelten Praxis der Fremd- und Selbstführung beruhte. Das Spannen des Bogens zwischen der gesellschaftlichen und der individuellen Führung, gleichwie sein weiter Begriff des Regierens, haben mir ermöglicht, die Regierungsprozesse auch dort zu erschließen, wo sie konventionelle Theorien nicht finden würden. Als einen solchen Ort habe ich den Diskurs um psychische Störungen identifiziert.
Methodologische Umsetzung
Inspiriert von Foucaults Darlegungen zum Sexualitätsdispositiv (vgl. Foucault 1976), haben zahlreiche weitere Forscher*innen die Analyse dispositiver Ordnungen vorangetrieben (für die deutschsprachige Forschung siehe: Link 2007; Bührmann/Schneider 2008; Jäger 2011, 2015; Caborn-Wengler et al. 2013; Wagner 2013; Diaz-Bone/Hartz 2017). Mit dem Begriff des Dispositivs soll eine Regierungsordnung bezeichnet werden, die aus drei zusammenhängenden Elementen besteht: den Diskursen, den nicht-diskursiven Praktiken und den Vergegenständlichungen bzw. Objekten (vgl. Jäger 2015: 113). Erweitert um weitere Analyseebenen ergibt sich aus dem Dispositiv ein Regierungsensemble, "deren Hauptfunktion zu einem gegebenen historischen Zeitpunkt darin bestanden hat, auf einen Notstand (urgence) zu antworten" (Foucault [1977] 1978: 120). Gerade der enorme Zuwachs psychischer Störungen ließe sich als ein solcher Notstand begreifen, worauf das Dispositiv der Prävention antworten soll. Um seine Analyse handhabbar zu machen, habe ich mich im Weiteren auf die Problematisierung psychischer Gesundheit in den Arbeitsbeziehungen konzentriert und die dort stattgefundene Entwicklung einer Präventionsrationalität untersucht.
Literaturauswahl
Das Dissertationsprojekt wird von Frau Prof´in Dr. Gabriele Wilde (Institut für Politikwissenschaft, Universität Münster) als Erstgutachterin und Prof. Dr. Matthias Bohlender (Zentrum für Demokratie- und Friedensforschung, Universität Osnabrück) als Zweitgutachter betreut.
Jozef Zelinka ist ein Mitglied der Forschungsgruppe Gouvernementalität.
2013 | Aufnahme in die Graduate School of Politics (GraSP) des Instituts für Politikwissenschaft der Westfälischen Wilhelms-Universität in Münster. Forschungsgruppe: Gouvernementalität. |
2010-2012 | Master-Studium an der Fakultät für Internationale Beziehungen der Sankt-Petersburger Staatlichen Universität. Hauptfach: Weltpolitik |
2007 - 2010 | Bachelor-Studium an der Fakultät für Internationale Beziehungen der Wirtschaftsuniversität in Bratislava. Hauptfach: Internationale Ökonomische Beziehungen |
2007 | Abitur am Gymnasium in Giraltovce |
Veröffentlichungen und Konferenzbeiträge
Zelinka, J. (2016): Gouvernementalität der Diktatur. Beitrag zu dem Workshop Heil der Diktatur. Über die Attraktivität illiberaler, antidemokratischer Herrschaftsvorstellungen des Graduiertenkollegs „Diktaturen als alternative Ordnungen“. Humboldt Graduate School. Humboldt-Universität zu Berlin. 10/11 November 2016. Berlin.
Forschungsinteresse:
Lehrtätigkeit:
Devise:
“Ardua sunt tentanda” - I must assay the heights.