Angelika Lohwasser

Wadi Abu Dom Itinerary

Das Wadi Abu Dom ist eines der längsten Täler in der Wüste Bayuda im Nordsudan. Da es etwa die Hälfte der Bayuda durchquert, wird es als günstige Ost-West Verbindung interpretiert, die den nicht schiffbaren Abschnitt des Nils zwischen dem 5. und 4. Nilkatarakt abkürzt (Abb. 1).
Seit 2009 wird das Wadi Abu Dom von einem Team der Universität Münster archäologisch erforscht. Dabei stand in den Kampagnen 2009-2016 ein intensiver Survey im Mittelpunkt, der die Ufer des Wadi über ca. 150 km mittels Fußbegehung und Fernerkundung untersuchte und insgesamt 8376 archäologische Plätze kartierte (Abb. 2). Dabei wurden spätpaläolithische Werkplätze ebenso aufgenommen wie Friedhöfe, Siedlungsplätze und größere Bauten. In zeitlicher Hinsicht bewegen sich die aufgenommenen Sites von der Vorgeschichte bis in die islamische Funj-Zeit, wobei die Epochen des Neolithikums, der lokalen Variante der Kerma-Zeit, die spät- und postmeroitische Periode und das christliche Mittelalter vorherrschend sind. Erstaunlich ist, dass trotz der Situation, dass das untere Wadi Abu Dom das direkte Hinterland des napatanisch-meroitischen Zentrums um den Jebel Barkal darstellt, die Oberflächenbefunde im Wadi Abu Dom kaum Spuren dieser Zeitstufen aufweisen. Diese Beobachtung führt zur Frage des Verhältnisses zwischen der Wüste und ihrer Bewohner einerseits, und den Niltalkulturen andererseits.
Während mit dem Kloster und der Kirche von Ghazali am westlichen Ende des Wadi Abu Dom ein eindrucksvolles Zeugnis des christlichen Mittelalters dominiert, sind im restlichen Verlauf zwar viele mittelalterliche box-grave-Friedhöfe, jedoch keine weiteren Kirchenbauten dokumentiert worden. Die einzigen größeren Baustrukturen sind hingegen in das frühe 1. Jt. n- Chr. zu setzen und befinden sich alle (bis auf eine) in der Oase el Rum. Das größte und komplexeste Gebäude wird als Umm Ruweim 1 bezeichnet (Abb. 3). Sie misst ca. 75 x 65 m und besteht aus zwei ineinander liegenden rechteckigen Raumkränzen und einem Zentralbau. Seine Funktion ist bis heute ungeklärt und soll in einem Nachfolgeprojekt erforscht werden, ebenso das zeitliche und funktionale Verhältnis zu den anderen Großbauten in der Umgebung, wie z.B. Quweib.
Neben diesen größeren und komplexen Gebäuden wurden 884 kleinere Siedlungsareale entdeckt, meist aus Ansammlungen von Rundhütten bestehend. Die größte Gruppe von archäologischen Sites sind allerdings Friedhöfe unterschiedlicher Größe und Zeitstellung: insgesamt wurden 2981 Friedhöfe dokumentiert (Abb. 4). Eine andere Kategorie archäologischer Hinterlassenschaften im Wadi Abu Dom sind temporäre Campsites, wahrscheinlich von mobilen Viehzüchtern genutzt. Einige bestehen aus einfachen Feuerstellen und Steinkonzentrationen, die Zelt- oder Mattenstellplätze anzeigen. Diese Campsites datieren aufgrund assoziierter Oberflächenfunde und C14-Daten von Feuerplätzen vom Mittelalter bis in die subrezente Zeit. Das Nebeneinander von (festen) Siedlungen und (ephemeren) Campsites deutet auf eine Landnutzung sowohl von sesshaften wie auch mobilen Bevölkerungsanteilen, wobei sich deutliche regionale Unterschiede zeigen: besonders im mittleren Wadi Abu Dom dominieren die Hinweise auf eine mobile Lebensweise. Wieweit diese unterschiedlichen Arten von Landnutzung zeitgleich praktiziert wurden, ob es sich um Bevölkerungsanteile einer einheitlichen oder zweier unterschiedlicher Gruppen handelte, können wir derzeit nicht sagen.
Mit den vorliegenden gesammelten Daten ist es nun möglich, unterschiedliche Fragestellungen zu formulieren und zu beantworten, sowie auf der Grundlage des geschaffenen topographischen Referenzrahmens im Rahmen von Nachfolgeprojekten flächige Ausgrabungen einzelner Sites durchzuführen. Ein großer Fragekomplex betrifft die Verbindung zwischen den Kulturen des Niltals und der Bayuda, sowohl hinsichtlich kultureller und ökonomischer Interaktionen, als auch der politisch-administrativen Durchdringung der peripheren Wüstenräume durch die jeweilige zentrale napatanische, meroitische und makurianische (mittelalterliche) Staatsgewalt. Dies betrifft auch die Frage nach der Homogenität der Bevölkerung in verschiedenen Perioden, die ökonomische Subsistenz und nicht zuletzt rituelle Praktiken wie Bestattung und Totenkult.

(Förderung: Kampagne 2009 (an der Freien Universität Berlin): Gerda-Henkel-Stiftung, Kampagne 2010 (an der WWU Münster): Gerda-Henkel-Stiftung und DFG, Kampagnen 2011-2016: DFG (2013-2016 Zufinanzierung durch die Qatar Museums Authority)

1 Die Wüste Bayuda mit dem Wadi Abu Dom (W.A.D.I.-Projekt; Quellen siehe Angabe im Bild)
2 Kartierung archäologischer Sites (W.A.D.I.-Projekt)
3 Der Bau Umm Ruweim 1 (Foto: H. Paner)
4 Ein Tumulusfriedhof im mittleren Wadi Abu Dom (W.A.D.I.-Projekt)

Fotos

© IÄK
  • © IÄK
  • © IÄK
  • © IÄK
  • © IÄK
Bayuda Studies. Proceedings of the First International Conference on the Archaeology of the Bayuda Desert in Sudan
Bayuda Studies. Proceedings of the First International Conference on the Archaeology of the Bayuda Desert in Sudan
© IÄK