Einführungen in die Wirtschafts- und Sozialgeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts
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Der Sozialstaat
3. Historische Paradigmen von Sozialstaatlichkeit
3.2. Würdigung der bismarckschen Sozialversicherungsgesetze, weitere Entwicklung


  Zeitgenössische Stimmen zur "Herrschaft der Sozialdemokratie" in den Ortskrankenkassen um 1900  
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Der Berliner Arzt Otto Mugdan (1862-1925) im Reichstag (1904): »Tatsache ist nun, daß die Sozialdemokratie durch die Krankenversicherung in die Lage gekommen ist, tausende recht gut bezahlter Stellen mit ihren Leuten zu besetzen. (Sehr richtig! rechts) Ich arbeit in der Materie seit 12 Jahren und kann erklären, daß es heute unmöglich ist, eine Stellung in einer von Sozialdemokraten geleiteten Kasse zu erhalten, wenn man nicht selbst Sozialdemokrat ist.«

Der bayrische Bahnarzt Wilhelm Möller in einer vom »Reichsbund gegen die Sozialdemokratie« geförderten Monographie zum Thema (1910): »Die Generalversammlungen der Krankenkassen wurden sehr bald ›Unteroffiziersschulen der Sozialdemokratie‹, in denen zahlreiche Parteihäuptlinge sich ihre ersten rednerischen Sporen verdient haben. Die Beamtenstellen dienten der Versorgung gesinnungstüchtiger Parteigenossen. Parasiten gleich, verstanden es die Umstürzler, sich in die Kassenverwaltungen einzunisten.«

Kommentar: In der Bestellung der Verwaltung der Ortskrankenkassen hatten die Versicherten einen Stimmenanteil von 60%. Dadurch konnte die Verwaltung vielerorts durch die Sozialdemokratie kontrolliert werden. Dadurch entstanden sichere Stellen für Aktivisten, Möglichkeiten der Kaderrekrutierung, Möglichkeiten der Mobilisierung. Ergebnis war eine Einbindung der Sozialdemokratie in Staat und in die Bemühungen um eine Sozialreform (Prävention, gesundes Wohnen, etc.).

Aus: Florian Tennstedt: Vom Proleten zum Industriearbeiter: Arbeiter und Sozialpolitik in Deutschland 1800 bis 1914 (Köln: Bund-Verlag, 1983), S. 436.

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