Geschriebenes Niederdeutsch
Wenn man Niederdeutsch als Mundart bezeichnet, hat man gleich ein klares Bild: Sprache, die in einer bestimmten Art von Mund zu Mund weiter getragen wird. Der Dialekt zum snacken, prooten, klönen…
Aber das ist nicht alles, was das Plattdeutsche kann. Schon lange haben Autoren den Dialekt als literarische Sprache für sich entdeckt und schreiben Lyrik und Prosa in ihrer eigenen Mundart.
Wichtige Namen für den geschriebenen Dialekt sind Fritz Reuter und Klaus Groth, deren Werke ohne Zweifel als die Klassiker der nieder-deutschen Literatur bezeichnet werden können.
Fritz Reuter war ein 1810 geborener Bürgermeistersohn mit bewegtem Werdegang. Nachdem er in Rostock zum Jurastudium aufgenommen wurde, schloss sich der junge Reuter dem aktionistischen Germania-Flügel in Jena an. Aufgrund seiner dort aktiven Mitgliedschaft wurde Reuter in polizeiliche Untersuchungen miteinbezogen, die in seiner Verhaftung wegen Hochverrats endeten. Ganze sieben Jahre verbrachte er daraufhin im Gefängnis. Nach seiner Entlassung versuchte er sich ein weiteres Mal in einem Studium in Jena, das er aufgrund von „Trunksucht und Jähzorn“ (zitiert nach Projekt Gutenberg) abbrechen musste. Wieder in seiner Heimat Stavenhagen machte Reuter eine Lehre als Landwirtschaftsvolontär und entdeckte seine Liebe für die Literatur. Reuter versuchte sich an Gedichten auf Plattdeutsch und schaffte 1853 mit Läuschen un Rimels seinen ersten großen Erfolg. In dem Büchlein finden sich „Plattdeutsche Gedichte heiteren Inhalts in mecklenburgisch-vorpommerscher Mundart“, die bereits nach einigen Wochen ausverkauft waren. Nach dem Erfolg folgten zahlreiche Werke, in denen Reuter humorvoll und mit teilweise satirischen Anspielungen schreibt. Ein wichtiges Prosa-Werk Reuters ist das aus drei Teilen bestehende Ut mine Stromtid (1862-1864). 1863 erhielt der niederdeutsche Autor die Ehrendoktorwürde der Universität Rostock. Elf Jahre später stirbt Reuter in seiner neuen Heimat Eisenach. Seine Leser schätzen in Reuters Geschichten besonders seinen Humor. Dies führte aber auch zu einem Autorenstreit zwischen ihm und dem zweiten überregional bedeutsamen Vertreter niederdeutscher Literatur des 19. Jahrhunderts, Klaus Groth.
Klaus Johann Groth gilt als Begründer der neuniederdeutschen Literatur, dessen Anliegen besonders die Etablierung des Niederdeutschen als Sprache ernster Literatur war. 1819 als Sohn eines Müllers in Dithmarschen geboren, arbeitete Groth bis 1847 an einer Mädchenschule, die er aufgrund eines körperlich-seelischen Zusammenbruchs verlassen musste. Hilfe bei seiner Genesung brachte ihm das Schreiben niederdeutscher Texte auf Fehmarn. Zu dieser Zeit entstand die Gedichtsammlung Quickborn, die das Volksleben alphabetisch behandelt. Als er 1853 nach Kiel zieht, trifft Groth auf Karl Müllenhoff, mit dem er eine plattdeutsche Orthographie ausarbeitet. Unter anderem diese Leistung bringt ihm die Ehrendoktorwürde der Universität Bonn ein. 1899 stirbt Klaus Groth in Kiel. Dabei war ihm stets wichtig, die plattdeutsche Sprache zu allen Zwecken einzusetzen und sie auch als Sprache ernster Literatur zu etablieren. Sowohl er als auch Fritz Reuter sind über ihr eigenes Dialektgebiet bekannt und haben einen großen und wichtigen Einfluss auf das geschriebene Niederdeutsch.
Klaus Groth – Min Jehann
Ik wull, wi weern noch kleen, Jehann,
do weer de Welt so grot!
Wi seten op den Steen, Jehann,
weest noch? bi Nawers Sot.
An Heben seil de stille Maan,
wi segen, wa he leep,
un snacken, wa de Himmel hoch
un wa de Sot wil deep.
Weest noch, wa still dat weer, Jehann?
Dar röhr keen Blatt an Bom.
So is dat nu ni mehr, Jehann,
as höchstens noch in Drom.
Och ne, wenn do de Scheper sung
alleen int wide Feld:
Ni wahr, Jehann? dat weer en Ton!
De eenzige op de Welt.
Mitünner inne Schummertid
denn ward mi so to Moth.
Denn löppt mi't langs den Rügg so hitt,
as domals bi den Sot.
Denn dreih ik mi so hasti üm,
as weer ik nich alleen:
Doch allens, wat ik finn, Jehann,
dat is – ik sta un ween.
Augustin Wibbelt ist besonders im Münsterland für seine plattdeutschen Texte bekannt. Der Schüler Wibbelt absolvierte sein Abitur mit Auszeichnung, sodass er sogar die Abschlussrede seines Jahrgangs halten durfte. Zwar erhielt er von seinen Kameraden Applaus, wurde aber von der lokalen Zeitung abgemahnt: Man höre ihm zu sehr an, dass Wibbelt aus dem Münsterland komme. Er sollte doch in seinem späteren Werdegang seine Aussprache verbessern. Zum Glück brachte ihn dieser „Hinweis“ nicht von der Liebe zu seiner heimatlichen Mundart ab. Er begann, während seines Militärdienstes in Freiburg – zu dem ihn sein Vater drängte – plattdeutsche Gedichte zu schreiben. Nach dem Dienst beendete Wibbelt sein Theologiestudium an der Universität Münster, wo der junge Priester nach einer kurzen Zeit in Moers auch angestellt wurde. Hier war er Redakteur bei der katholischen Zeitschrift Ludgerus-Blatt, in der er anfing plattdeutsche Beiträge zu publizieren. Diese Arbeit gab Wibbelt auch in Oedt am Rhein und in Duisburg nicht auf. Auf eigenen Wunsch wird Wibbelt, der mittlerweile Doktor der Philosophie ist, 1906 Leiter der Kirchengemeinde in Mehr bei Kleve. Dort arbeitete er fast dreißig Jahre, bis er 1935 nach Vorhelm auf den elterlichen Hof zurückkehrte. Hier stirbt Augustin Wibbelt am 14. September 1947.
Eine ebenfalls regionale Geltung hat Maria Mönch-Tegeder. Die 1903 in Mehringen bei Emsbüren geborene Gewerbelehrerin für handwirt-schaftliche Fachschulen hat besonders in „ihrem“ Emsland bei der Erhaltung der plattdeutschen Sprache mitgewirkt. Bereits in ihrer Kindheit lernte sie Autoren wie Ernst Reuter und Augustin Wibbelt kennen, die sie in ihrer schriftstellerischen Tätigkeit prägten. Nach dem Zweiten Weltkrieg begann Maria Mönch-Tegeder hoch- und plattdeutsche Werke zu verfassen. So erschien 1950 ihr Roman Land unner Gottes Thron und 1952 die Plattdütske Romräse und das Erzähl-bändchen Däftige Kost. Besondere Beachtung fand unter anderem De Treckerkomödie, die zum Beispiel noch nach ihrem Tod 1980 in einer Freilichtaufführung des Emsbürener Heimathauses aufgenommen wurde.
Auch heute noch ist das Niederdeutsche in der geschriebenen Sprache vertreten. So schreibt Gerd Spiekermann Kurzgeschichten auf Plattdeutsch. Der 1952 in Ovelgönne geborene Radiosprecher kam 1981 zur Hamburger-Welle, die junge Plattsprecher für ihr Programm suchten. „Dat weer ja wat för mi!“, dachte sich Spiekermann und begann so seine plattdeutsche Radiokarriere. 1985 wechselte er zu NDR 90,3 und erzählt dort seine Geschichten auf und über Plattdeutsch. Auch schriftlich kann man diese zum Beispiel in den Werken Achter mien Döör und Du kannst mich mol! bewundern.
Die jüngste Autorin in den hier vorgestellten Literaturschaffenden ist Anja Meyfarth. Sie ist 1968 geboren und blieb dem Norddeutschen mit ihrem Umzug nach Kiel treu. 1995 erhielt sie für ihre Geschichte Dat Klötern den zweiten Preis beim NDR-Hörerwettbewerb. Anja Meyfarth schreibt besonders gerne plattdeutsche Gedichte und zeigt, dass auch junge Autoren keinesfalls nur dem Hochdeutschen verpflichtet sind.
Fotoquellen:
Fritz Reuter: http://www.fritz-reuter-literaturmuseum.de/reuter.html
Klaus Groth: http://www.groth-gesellschaft.de/
Augustin Wibbelt: http://www.muenster.org/wibbelt/
Maria Mönch-Tegeder: http://www.noz.de/lokales/meppen/artikel/456602/die-maria-monch-tegeder-strasse-in-meppen#gallery&0&1&456602
Gerd Spiekermann: http://www.ndr.de/903/wir_ueber_uns/Gerd-Spiekermann,gerdspiekermann105.html