Forschungsperspektive

Das Denken der Moderne ist maßgeblich durch den Gedanken der Freiheit bestimmt. Dieser Gedanke formiert das Selbstverständnis und Handeln der Menschen und ist an der Leitidee von Humanität orientiert. Aus der Idee der Freiheit resultiert die innere Würde des Menschen als einzigartiger Person und zur Humanität gehört die Sorge um ein gutes und gelingendes Leben möglichst aller Menschen.

Dabei zeigt die Moderne auch eine Dialektik, die in Paradoxien führt. So kann die Freiheit Mehr

Forschungsprojekte

  • Christlicher Glaube in der anthropologischen Denkform der Freiheit (2000 ff.)

    Prof. Dr. Dr. Bernhard Nitsche:

    Freiheit ist der Leitbegriff der Moderne und Geschichte die konkrete Bestimmung der Denkform. Der christliche Glaube und seine zentralen Inhalte werden freiheitstheoretisch und in einer transzendental-geschichtlichen Denkform erkundet und begründet.

    Teilprojekt: Geschichtssensible Transformation des Transzendentalen:
    Ausarbeitung einer transzendental-geschichtlichen Methode der Theologie (1999,2015, 2026)

    Teilprojekt: Transzendentalphilosophie, Phänomenologie und Theologie
    Kooperation mit Prof. Dr. Alexander Schnell (Wuppertal)
    Projektmitarbeiter: Dr. phil. Dominic N. Ekweariri: 2023 Tagung; 2025 Tagungsband: Phänomenologie und Theologie.

    Teilprojekt: Der göttliche Freiheits-Grund von Dasein und Bewusstsein (2006-2026)

    Teilprojekt: Offenbarung, Christologie, Pneumatologie, Gottes- und Trinitätslehre in freiheitstheoretischer und transzendental-geschichtlicher Rekonstruktion (2000-2027)

  • Gott oder Göttliches (2015-2025: abgeschlossen)

    Prof. Dr. Dr. Bernhard Nitsche:

    Angesichts der Krise des personalen Gottesbildes und einer Pluralisierung, Individualisierung sowie patchworkartigen Nivellierung von traditionellen Transzendenzvorstellungen wird die anthropologische Basis des Transzendenzbezuges noomorph (Selbstbezug), soziomorph (Sozialbezug) und kosmomorph (Weltbezug) grundgelegt und entlang der grammatischen Unterscheidung von Semantik (Bedeutungsgebung), Syntax (Beziehungsform) und Pragmatik (Umgangsweise) intertheologisch und komparativ untersucht.

    Teilprojekt: Modelle von posttraditionalen Glaubensformen und Patch-Work-Spiritualitäten (2012-2016)

    Teilprojekt: Soziografie von Transzendenzvorstellungen und Transzendenzbeziehungen (2016-2018)
    Kooperation mit Prof. Dr. Dr. Klaus Kießling, Dr. Dr. Hermann-Josef Wagener und Dr. Jakob Mertens (Frankfurt St. Georgen); Projekt Mitarbeiter Dr. Dennis Stammer (München)

    Teilprojekt: Gott oder Göttliches? Religiöse Transzendenz jenseits von Monismus und Theismus, zwischen Personalität und Impersonalität (Budhhismus – Christentum – Hinduismus: 2016-2023)
    Kooperation mit Dr. Marcus Schmücker (ÖAW); Projektmitarbeiter Daniel Rumel

    Teilprojekt: Theismus – Pan-en-theismus – Pantheismus: historisch-systematische Untersuchungen (2016-2023)
    Projektmitarbeiter: Dr. Dr. Florian Baab; Dr. Dennis Stammer (München)

    Teilprojekt: Dimensionen des Menschseins – Wege der Transzendenz. Religionsphilosophische Zugänge zu einer dialogisch-komparativen Inter-Theologie (2016-25)

  • Resonanz von Gottesbild und Lebensform

    Prof. Dr. Dr. Bernhard Nitsche:

    Die menschliche Lebensform, ihr Selbstverständnis und ihre Werthaltung stehen in Resonanz zum vorausgesetzten Ganzen der Wirklichkeit und bringen dieses vorausliegende und umfangende Ganze in korrelierender Existenzstellungnahme bewusst oder unbewusst zur Auslegung.

    Teilprojekt: Zur Möglichkeit unverfügbarer Transzendenzerfahrung (2023-2026)

    Teilprojekt: Inspirationen christlicher Theologie für ein gelingendes Leben und eine demokratische Lebensform

    Teilprojekt: Zur Resonanz von Gottesbild und Lebensform: Christliche und islamische Perspektiven in Auseinandersetzung mit Hartmut Rosa (2023-2027)
    Kooperation mit Ufuk Topkara (HU Berlin); Projektmitarbeiter: Robin Flack (Frankfurt)

  • Ekklesiologie

    Ekklesiologie
    © fredrik-posse (unsplash)

     Dr. Rainer Gottschalg:

    In meinen ekklesiologischen Arbeiten geht es um eine systematisch fundierte und diskurssensible Relecture der Kirche. Sie wird nicht primär als Struktur oder Institution verstanden, sondern als symbolisch verfasste, relationale Wirklichkeit, die sich wesentlich im Modus von Geschichte, Partizipation und Kommunikation konstituiert.

    Ausgangspunkt dafür ist eine kategoriale Aufwertung der Geschichtlichkeit: Ekklesiologie muss Kirche in ihrer gelebten Zeitlichkeit, ihren Brüchen und ihren narrativen Selbstdeutungen ernst nehmen – und zwar als Ort theologischer Erkenntnis. Dabei spielt die theologische Anthropologie eine zentrale Rolle: Kirche wird durch Subjekte getragen, deren Freiheitsvollzüge, Erfahrungshorizonte und Anerkennungsbeziehungen sie erst ermöglichen.

    Methodisch ist meine ekklesiologisches Arbeiten interdisziplinär verschränkt: Diskurstheorie, symbolische Kulturanalyse, Differenztheorie und Erkenntnisreflexion verbinden sich zu einer Ekklesiologie, die pluralitätsfähig ist und sich den Spannungen zwischen Tradition, Wandel und Wahrheit offen stellt. So wird das Themenfeld nicht bloß als Teilbereich der Dogmatik, sondern als grundlagenreflexive Theologie entwickelt, mit dem Ziel, Kirche als theologische Praxis inmitten gesellschaftlicher Wirklichkeit neu denkbar und sagbar zu machen.

    So werden zwei Bezugsverhältnisse dynamisch interpretiert: das zur Welt und das zur eigenen Tradition. Dazu wird explizit an den programmatischen Wendepunkten des Vaticanums II. angesetzt, um diese weiter zu entwickeln – nicht als bloße Fortschreibung, sondern als strukturtheoretische Relecture im Licht gegenwärtiger Herausforderungen

    Diskursformatierung statt bloßer Systematik: Ich argumentiere für eine ekklesiologische Reflexion, die nicht exklusiv dogmatisch oder pastoral, sondern in einer Verzahnung auch mit der Fundamentaltheologie operiert. Das erlaubt mir, die Identität der Kirche nicht nur aus ihren Lehrsätzen, sondern aus ihrer geschichtlichen Performanz und Beziehungsstruktur heraus zu denken.

    Geschichte als kategoriale Größe: Ich behandle Geschichte nicht allein als Kontext, sondern konstitutives Moment kirchlicher Selbstvergewisserung. Die Kirche ist nicht trotz, sondern durch ihre Geschichtlichkeit hindurch erfahrbar und erkenntnisfähig.

    Theologische Anthropologie als Folie: Meine ekklesiologischen Erwägungen sind grundlegend anthropologisch informiert. Der Mensch ist nicht nur Adressat, sondern epistemisch konstitutiv für die kirchliche Selbstbeschreibung, gerade in ihren Freiheitsvollzügen, Differenzwarhnehmungen und Narrationen.

    Synodalität, Ausdruck von (christlicher) Freiheit: Ich rekonstruiere Synodalität nicht allein strukturell, sondern im Horizont einer fundierten Freiheitshermeneutik. Dabei wird Freiheit zum performativen Ort von Ekklesiogenese: Kirche ereignet sich im diskursiven Vollzug der Anerkennung, Partizipation und pluralitätsfähigen Wahrheitssuche.

    Differenztheorie: Meine ekklesiologischen Erwägungen sind inkarnatorisch und kenotisch gedacht. Kirche ist in meiner Konzeption kein monolithischer Apparat, sondern ein Ereignis in Differenz – ein Ort der Übersetzung, des Erzählens, des Ringens um gemeinsames Verstehen im Modus von Nähe, Relationalität und Anerkennung.  

    So entwerfe ich eine post-dogmatische, fundamentaltheologisch fundierte Ekklesiologie, die sich aus den Bedingungen der Gegenwart erschließt, ohne ihre Herkunft zu verleugnen – dialogisch, geschichtlich sensibel, pluralitätsfähig und verantwortungsethisch.

  • Digitale Transformation / digital theologies

    Digitale Transformation
    © beatriz-braga (unsplash)

    Dr. Rainer Gottschalg:

    Ausgehend von der Frage, wie sich der Mensch im Horizont digitaler Transformation neu begreifen und verantworten lässt, entwickle ich eine symboltheoretisch fundierte, theologisch reflektierte Kulturkritik, die Phänomene wie algorithmische Entscheidungsarchi-tekturen, datengetriebene Wissensordnungen und mediale Präsenzsysteme nicht nur technisch oder ethisch, sondern strukturelle-symbolisch analysiert. Im Zentrum steht ein erweiterter Begriff von Transzendenz, der nicht nur im theologischen Sinne verstanden wird, sondern als Denkfigur für Differenzerfahrung, symbolische Fremdheit und epistemische Offenheit.

    Gerade in einer Zeit, in der digitale Systeme oft auf Reduktion von Ambiguität, Steuerbarkeit und operative Verfügbarkeit ausgerichtet sind, wir die Fähigkeit, Differenz auszuhalten und zu deuten, zur kulturellen Überlebenskompetenz.

    Meine Forschung setzt daher bei der anthropologischen Frage im Zeichen digitaler Kultur an und entwickelt daraus systematisch-theologische Perspektiven, die nicht apologetisch oder additiv arbeiten, sondern Theologie als eine eigenständige Form kultureller Selbstaufklärung sichtbar machen.

    Meine Forschung ist getragen von der Überzeugung, dass geisteswissenschaftliche Reflexionen im digitalen Zeitalter nicht nur legitim, sondern unverzichtbar ist. Sie bietet Perspektiven auf das Menschsein, auf Verantwortung und auf die Gestaltung von Welt, die in rein funktional-technischen Narrativen keine Rolle spielen – und gerade deshalb umso notwendiger sind.

    In öffentlichen Diskussionen – etwa um das Metaverse, KI oder digitale Bildungsräume – zeigt sich immer wieder, wie sehr ein epistemisch und ethisch fundiertes Nachdenken über Technik fehlt. Mein Forschungsansatz schließt hier eine Lücke: Er führt technische Entwicklungen zurück auf ihre symbolischen Voraussetzungen und macht die Widerständigkeit theologischer, anthropologischer und philosophischer Perspektiven sichtbar – nicht um zu moralisieren, sondern um Reflexionsräume zu eröffnen.

    Darüber hinaus leistet meine Forschung einen Beitrag zur symbolischen Resilienz akademischer Bildung: Indem sie zeigt, das Konzepte von Transzendenz nicht antiquiert, sondern aus anthropologischer Sicht notwendig sind, dass Freiheit nicht beliebig, sondern begründet ist, und dass Differenz nicht bedrohlich, sondern produktiv ist, macht sie ein Angebot, das über den theologischen Raum hinaus Wirkung entfalten kann – in Bildungsprozessen, in öffentlichen Debatten, in interdisziplinären Diskursfeldern zwischen Kultur, Technik und Ethik.

  • Erkenntnisfragen

    Erkenntnisfragen
    © the-new-york-public-library (unsplash)

    Dr. Rainer Gottschalg:

    Mein Zugriff überschreitet die klassische theologische Erkenntnislehre und entwickelt sich zu einer epistemischen Kulturtheorie. Dabei verschränken sich zwei Felder:

    Digitale Topologien als epistemische Strukturen: Digitale Räume sind keine neutralen Container, sondern symbolisch strukturierte Erkenntnismilieus. Sie präfigurieren, was als Wissen zählt, wie Erkennen organisiert wird und auf welchen sprachlich-rationalen Mustern Bedeutung entsteht. Darum spreche ich von Topo-Logiken, die selbst Erkenntnisräume bilden, was zu einer medientanthropologischen Epistemologie tendiert: Räume bestimmen mit, wie Welt erkennbar ist.

    Freiheit und Differenz als epistemische Prinzipien: Aus meiner theologischen Fundierung bringe ich einen anthropologischen Freiheitsbegriff ein, der epistemologische Konsequenzen fordert. Erkenntnis ist demnach auch immer Selbstvergewisserung des Subjekts in pluralen Zusammenhängen. Die digitale Transformation bedroht solche Differenzmuster, etwa durch algorithmische Homogenisierung. Dagegen votiere ich für ein Verständnis von Erkennen, das Wahrheit nicht als Output definiert, sondern als prozesshafte, relationale, freiheits-kompatible Bewegung begreift.

    Dieser Ansatz will kritisch-kompatibel sein, nämlich unter welchen Bedingungen Erkenntnis im Horizont der digitalen Transformation leisten muss, um human zu bleiben.

    In meinem Forschungsansatz entwickele ich also eine kulturhermeneutisch und anthropologisch fundierte Epistemologie, die Erkenntnis nicht als abstrakten Akt, sondern als situiertes, relationales Geschehen versteht. Im Zentrum steht ein freiheitstheoretisch motivierter Wahrheitsbegriff, der Erkenntnis als dialogische Bewegung in Kontexten von Differenz, Geschichte und symbolischer Ordnung begreift.

    Unter den Bedingungen der digitalen Transformation richte ich mein Augenmerk besonders auf die epistemischen Strukturen digitaler Räume: Ich verstehe sie als Topologien mit eigener Logik – als symbolisch und technisch codierte Erkenntnismilieus, die Wahrnehmung, Artikulation und Verstehen vorstrukturieren.

    Die Frage nach der Technizität des Technischen und der Topo-Logik digitaler Umgebungen ist dabei grundlegend: Mensch-sein und ihre Erkenntnis steht nicht jenseits dieser Räume, sondern wird durch sie mitkonstituiert. Meine Forschung zielt daher auf eine interdisziplinär anschlussfähige Anthropologie mit einer kongruierenden Epistemologie, die digitale Rationalitäten kritisch durchdringt und die Bedingungen freiheitsfähiger Erkenntnis im Zeitalter algorithmischer Ordnungsmuster neu konturiert. 

Wissenschaftliche Qualifikationsarbeiten

  • Habilitationsprojekte

    Jonas Erulo

    Rainer Gottschalg

  • Promotionsprojekte vereinbart

    Jomat Mathew Kollappallil

    Raphael Maercker

    Ajesh Devasia

    Robin Flack

    Stefan Gaßmann

  • Promotionen abgeschlossen

    Dennis Bouillon, Unter dem Blickwinkel der Zeit. Phänomenologie und Metaphysik bei Samuel Alexander. Münster 2024 (Nitsche: Zweitbetreuung)

    André Hille, Nachdenken über Freiheit – das Ureigene der Theologie. Der Open Theism im Gespräch mit dem Denken von Thomas Pröpper. Münster 2023 (Nitsche: Zweitbetreuung)

    Jonas Erulo, „…von der Wahrheit eines ganz anderen Ganzen her. Untersuchungen im Anschluss an Theodor W. Adorno zur Möglichkeit einer nicht-sakrifikalen Vermittlung der Wirklichkeit und deren Subjekt in fundamentaltheologischer Absicht.“ Münster 2022.

    Polycarb Okafor, Solidarity in Ubuntu Philosophy and in Honneth’s Struggle for Recognition: A Contribution to the Resolution of Ethnic and Religious Conflicts in Nigeria. Münster 2022 (Nitsche: Drittgutachten)

    Hanna Braun, Der vulnerable Mensch als Ebenbild Gottes. Eine Grundlegung für inklusive Sprechweisen in der theologischen Anthropologie. Münster 2021.

  • Magister und Bachelorarbeiten abgeschlossen (Erstbetreuung)

    Frieda Kries, Mut zum Sein in der ökologischen Krise. Eine fundamentaltheologische Analyse von Klimaangst mit Paul Tillich. Münster 2024. (Nitsche)

    Lara Marie Sindermann, Antisemitismus als Ausdruck narzisstischer Kränkung? Antisemitismus und christlicher Antijudaismus aus psychoanalytischer Perspektive in kritischer Auseinandersetzung mit Béla Grunberger. Münster 2024 (Erulo)

    Lukas Schibowski, „Für den Leib Christi, die Kirche, ergänze ich in meinem irdischen Leben das, was an den Leiden Christi noch fehlt.“ (Kol 1,24). Das Evangelium des Leidens im Leben und in der Lehre des hl. Johannes Paul II. (1920-2005). Münster 2022. (Nitsche)

    Lisa Rüschenschmidt, Das Rettende bei Walter Benjamin. Ein Beitrag zur Klärung seines Rettungskonzeptes. Münster 2021 (Nitsche)

    Robin Flack, Ibn al-ʿArabī: Eine mögliche islamische Perspektive für die Panentheismusdebatte. Münster 2020 (Nitsche)

    Stefan Gaßmann, Selbststand und Unvertretbarkeit. Untersuchung zum Subjektbegriff Emmanuel Lévinas’ in der Verschränkung transzendentalphilosophischen und phänomenologischen Fragens. Münster 2019 (Nitsche)

    Jakob Ohm, Ethos der Liebe. Orientierungshilfes des Christlichen im Zeitalter des Individualismus. Münster 2018 (Nitsche)