Die Ehrenpromotion in der Geschichte der Katholisch-Theologischen Fakultät Münster

verfaßt von Marie-Theres Wacker auf der Grundlage von Eduard Hegel, Geschichte der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Münster 1773-1964, 2 Bde., Münster 1966 und 1971 sowie eigenen Archivrecherchen)

1773-1818

In der Zeit der „alten“, dh fürstbischöflichen Universität (1773-1818) wurden keine Promotionen durchgeführt, da man der Ansicht war, die Erteilung akademischer Grade habe einen feierlichen Universitäts-Gründungsakt (inauguratio solemnis) zur Voraussetzung, der aber nie erfolgt war (vgl. Hegel Bd. 1, 30.51.225).

1818-1902

Im Zuge der Gründung der Universität Bonn (1818) wurde die Universität Münster zur Königlichen Akademie (bzw. Akademischen Lehranstalt)  „degradiert“, der nur zwei Fakultäten verblieben, die philosophische und die theologische. 1832 treten an der Akademie Münster neue Statuen in Kraft (abgedruckt in Hegel Bd. 2, 249-268), die für die theologische Fakultät (nicht aber die philosophische) auch explizit das Recht zur Promotion enthalten – unter dem Begriff der „Promotion“ wird dabei im Übrigen sowohl das Verfahren zum Erwerb des Lizentiats als auch das zum Doktor der Theologie gefasst. Neben der Verleihung der Doktorwürde durch „förmliche, feierliche Promotion“ sehen die Statuten eine Doktor-Promotion „mittels bloßer Ausfertigung des Diploms“ vor (§ 49), und diese ist nach § 53 „eine von der Fakultät bezeigte, freiwillige Anerkennung   ausgezeichneter Verdienste um die Wissenschaft oder um die Kirche“. Allerdings wird diese Form der Promotion per Diplom nun nicht nur zur  Auszeichnung von Personen außerhalb der Fakultät genutzt, sondern gezielt auch dazu, Kollegen der eigenen Fakultät zu einem „Dr. theol.“ zu verhelfen. Der konkrete Hintergrund: nach den Statuten der Lehranstalt reichte formal der Grad des Lic. theol. aus, um in das Verfahren zum Privatdozenten einzutreten oder auch gleich einen Ruf als Professor zu erhalten. Da aber der jeweilige Dekan der theol. Fakultät nur dann berechtigt war, Doktor-Promotionen im Namen der Fakultät zu vollziehen, wenn er selbst den Titel eines Doktors der Theologie besaß, und da an der Fakultät das Dekanatsamt unter den damals nur 5-6 Kollegen jährlich im Turnus wechselte, wurden in der ersten Phase nach Inkrafttreten der Statuten alle Professoren der Fakultät, die keinen theologischen Doktor besaßen, mittels Diplom zum Doktor promoviert (vgl. Hegel Bd. 1, 229f). Man mag dies eine „Ehrenpromotion“ nennen, da sie sich ja auf offensichtliche „Verdienste um die Wissenschaft“ stützen konnte (und Ed. Hegel benutzt in seiner Fakultätsgeschichte diesen Begriff auch durchgehend); allerdings fällt in den Statuten die Spezifizierung „honoris causa“ nicht. Diese Praxis setzte man auch in der Folgezeit für die neuen Kollegen fort, die mit einem Lizentiatsabschluss ordentliche oder außerordentliche Professoren der Fakultät geworden waren bzw. die zwar einen Dr. phil., nicht aber den Dr. theol. besaßen. In den Jahren des Bestehens der „Akademischen Lehranstalt“ (bzw. nach Inkrafttreten der Statuten, 1832-1902) wurden insgesamt 95 Doktoren per Diplom kreiert, bei denen es sich ausschließlich um katholische Geistliche handelte. Neben einer Anzahl von Professoren der Theologie in Münster und andernorts sind darunter eine Reihe von Pfarrern des Bistums, die zum goldenen oder diamantenen Priesterjubiläum mit der Doktorwürde geehrt werden. Auch Persönlichkeiten in der Leitung derjenigen Bistümer, zu denen Münster engere Beziehungen unterhält, werden durch die Verleihung von  Doktoraten per Diplom bedacht: Bischöfe und Weihbischöfe aus Paderborn, Osnabrück, Mainz, Hildesheim, Ermsland, Kulm, Breslau, Posen und  auch Münster selbst. Daneben finden sich Regenten von Priesterseminaren, Ordensobere und in der jüngeren Zeit auch Leiter profilierter  Wissenschaftsinstitutionen wie der kritischen Bonaventuraausgabe in Florenz oder des Römischen Instituts der Görresgesellschaft mit ihrer  archäologischen Abteilung. Ein Vorstoß der Münsteraner Theologieprofessoren schon vom August 1835 an den Kurator der Akademie, auch Laien den Doktor per Diplom verleihen zu können, hatte offenbar keinen Erfolg. Nicht unerwähnt darf bleiben, dass am 1. 8. 1871 mit August Rohling (Lic. theol. und Dr. phil.) ein außerordentlicher Professor der Fakultät per Diplom zum Doktor der Theologie promoviert wurde, der wenige Monate zuvor mit seinem Buch „Der Talmudjude“ eine hasserfüllte Polemik gegen den jüdischen Glauben veröffentlicht und damit der religiös motivierten Judenfeindschaft im deutschsprachigen Katholizismus enormen Auftrieb gegeben hatte. Der umfangreichen Personalakte von August Rohling, wie sie im Universitätsarchiv Münster vorliegt, ist nirgendwo zu entnehmen, dass dieser Umstand für seine „Ehrenpromotion“ positiv oder negativ Berücksichtigung gefunden hätte. In seiner Promotionsurkunde wird lediglich festgehalten, dass sechs Jahre seit seinem Lizentiat verstrichen seien und er sich danach durch Schriften und Lehre qualifiziert habe. Auch als Rohling 1874 die Fakultät aus eigenem Antrieb verließ, hat sein dezidierter Antitalmudismus weder in seiner Argumentation noch in der der Fakultät, der Akademie oder des Ministeriums eine erkennbare Rolle gespielt. Aus heutiger Sicht erscheint dies kaum nachvollziehbar; im Kontext der Zeit belegt die „Ehrenpromotion“ Rohlings das Ausmaß der Desensibilisierung, Desinformation und Desinteressiertheit, von der beinahe der gesamte deutschsprachige Katholizismus im Blick auf das Judentum geprägt war. Dies gilt auch noch für die Darstellung Hegels zu Rohling (vgl. v.a. Bd. 1, 238f). Erst nach dem II. Vatikanischen Konzil wurden auch in Münster neue theologische Koordinaten in der Bestimmung des Verhältnisses zwischen Christentum und Judentum aufgenommen
und entwickelt.

1902-1936 und 1947-1957

Nach der (Wieder-)Gründung der Universität Münster 1902 wurde eine neue Satzung der theol. Fakultät erarbeitet, die 1906 in Kraft trat und in § 16 die Verleihung der Grade des Lic. theol. und des Dr. theol. regelt. Erstmals ist hier explizit von einer „Ehrenpromotion“ die Rede: „Den Doktorgrad kann sie auch honoris causa Männern von ausgezeichneten Verdiensten um die theologischen Wissenschaften und mit Genehmigung des Ministers auch wegen hervorragender Verdienste um die Kirche verleihen“. Zwischen 1902 und 1936 verleiht die Kath.-Theol. Fakultät insgesamt 34 Männern die Ehrendoktorwürde. Der Blick weitet sich nun über Deutschland und den Vatikan hinaus in andere Weltregionen bis hin in die USA und richtet sich auch auf Schriftsteller und Naturwissenschaftler. Ehrendoktor aber wird im Kriegsjahr 1916 etwa auch der katholische Feldoberpfarrer des Westheeres in Brüssel. Im Jahre 1936 treten Änderungen der Promotionsordnung in Kraft, die insbesondere die Entziehung der Doktorwürde bei solchen, die sich durch ihr Verhalten „des Tragens einer deutschen Doktorwürde unwürdig“ erweisen, vorsehen. Ab 1936 hat die Fakultät bis zum Ende des II. Weltkrieges keine Ehrendoktorate mehr verliehen. Erst ab 1947 sind wieder Ehrendoktoren der Fakultät verzeichnet, die vorerst weiterhin aus dem kirchlichen Umfeld stammen.

1957-2012

Im Jahr 1957 wird eine neue Promotionsordnung verabschiedet, die nun auch Nicht-Klerikern den Zugang zum Grad des Lic. und Dr. theol. ermöglicht und die Verleihung eines Doktorgrades honoris causa auf „Persönlichkeiten“ mit „hervorragenden Verdiensten um die theologische Wissenschaft oder die Kirche“ hin öffnet. Mit Sumaya Farhat Naser (1989) und Hanna Renate Laurien (1996) sind erstmals zwei Frauen mit dem Ehrendoktorat der Fakultät ausgezeichnet worden. Zwischen 1957 und 2012 haben insgesamt nur 32 Persönlichkeiten die Ehrendoktorwürde erhalten, Zeichen dafür, dass die Kath.-Theol. Fakultät große Sorgfalt auf die Auswahl derer legt, die sie mit dieser Ehrung an sich binden möchte.