Teilprojekt: „Getaufte Juden in Rumänien“
Die Bittschreiben, die Forschende im Projekt „Asking the Pope for Help“ an der Universität Münster aufarbeiten, stammen sowohl von getauften als auch nichtgetauften Menschen jüdischer Herkunft aus zahlreichen Ländern Europas. Einen Schutz vor Verfolgung bot das Sakrament der Taufe während der Shoah jedoch nicht – außer in Rumänien. Mithilfe bislang unbekannter vatikanischer Quellen wird die Theologin Lorena König in ihrer Dissertation die Sonderstellung Rumäniens untersuchen und analysieren, welche Vorgänge zahlreiche zum katholischen Glauben konvertierte Jüdinnen und Juden vor der Deportation in ein Vernichtungslager schützte. Finanziert wird die zunächst auf drei Jahre angelegte Stelle vom Exzellenzcluster Religion und Politik der Universität Münster.
Lorena König beschäftigte sich bereits in ihrer Magisterarbeit mit der Taufe rumänischer Jüdinnen und Juden während der Shoah. Sie zeigt auf, dass es in Rumänien zur Zeit der Shoah die gleichen Rassegesetze wie in vielen anderen, von den Nationalsozialisten okkupierten Ländern galten, es aber Andrea Cassulo, dem apostolischen Nuntius vor Ort gelang, durch geschickte Argumentation getaufte Juden in den Schutz der katholischen Kirche zu stellen. In den neu zugänglichen Akten des Apostolischen Vatikanischen Archives befinden sich neben den Akten zu dieser Thematik auch zahlreiche Bittschreiben von Jüdinnen und Juden an den Nuntius, Korrespondenzen mit staatlichen und kirchlichen Autoritäten und einige Nuntiaturberichte an den Vatikan.
In dem aktuellen Forschungsvorhaben wird sie zunächst die einschlägigen Bittschreiben verzeichnen und das weitere Schicksal der Verfasserinnen und Verfasser recherchieren, um die Handlungsspielräume, Netzwerke und Möglichkeiten des Nuntius zu erforschen. Diese Bittschreiben werden ebenfalls in der Online-Edition des Projekts „Asking the Pope for Help“ veröffentlicht. Auch mögliche Unterschiede, die in Rumänien oder im Vatikan selbst zwischen getauften und nichtgetauften Menschen jüdischer Herkunft gemacht wurden, werden so erkennbar. Darüber hinaus wird sie bisher unbekanntes Material zur lehramtlichen Grundsatzdebatte über die Vorschrift einer einjährigen Vorbereitungszeit auf die Taufe aufarbeiten, die angesichts der Umstände im Heiligen Offizium – der obersten römischen Glaubensbehörde – entbrannte.