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Auf Basis der Ergebnisse des Forschungsprojekts "Asking the Pope for Help" können Schülerinnen und Schüler nun selbstständig die Lebensgeschichten jüdischer Verfolgter rekonstruieren.
© Adobe Stock - Seventyfour | SMNKG - Jana Haack

Unterrichtsmaterial zum Projekt "Asking the Pope for Help"

Rund 10.000 Hilferufe jüdischer Menschen an Pius XII. und die dazugehörige vatikanische Korrespondenz arbeitet das Projektteam in einer digitalen Edition für die Öffentlichkeit auf. Das einmalige Quellenkorpus bietet auch eine neue und in dieser Anlage einzigartige didaktische Perspektive:

Bereits während des wissenschaftlichen Forschungsprozesses können Schülerinnen und Schüler mit dem Unterrichtsmaterial anhand der Bittschreiben verschiedenste Biografien verfolgter Menschen in den Zeiten von Totalitarismus, Weltkrieg und Shoah entdecken, erarbeiten und vergleichen. Durch die aus dem Material erschließbaren biografischen Vignetten entstehen plastisch und greifbar Lebenswege und -schicksale von Jüdinnen und Juden, die ein breites Spektrum des Judentums im Europa der damaligen Zeit widerspiegeln. In den Unterrichtssequenzen wird die methodische Großform des Erinnerungslernens so mit neuen Elementen des biografischen Lernens verbunden. Damit werden Anliegen der Holocaust-Pädagogik ergänzt und weiterentwickelt.

Das Material ist konzipiert für den Einsatz in den Jahrgangsstufen 9/10 sowie in der gymnasialen Oberstufe. Es wurde gemeinsam mit der Professur für Religionspädagogik und Didaktik des Religionsunterrichts am Institut für Religionspädagogik und Pastoraltheologie der Katholisch-Theologischen Fakultät erarbeitet und durch Lehrkräfte an Gymnasien und Realschulen bereits erprobt und evaluiert. Die Unterrichtssequenzen sind modular aufgebaut und jeweils mit Verlaufsplänen versehen. Obligatorische Module, welche die Erarbeitung des jeweiligen Bittschreibens in den Fokus stellen, werden durch flexibel einsetzbare Module unterschiedlichster Schwerpunkte ergänzt. Diese beziehen u.a. weitere Korrespondenz in Bezug auf die Bittschreiben ein und regen zur Auseinandersetzung mit historischen Hintergründen sowie zur kritischen Reflexion des Umgangs mit Erinnerung an. Die modulare Konzeption ermöglicht es, Umfang und Ausrichtung der Sequenz im Hinblick auf die Lerngruppe und den Zeitplan zu variieren.

Der Großteil des Materials ist als Kopiervorlage nutzbar. Eine Sequenz ist als digitaler Zeitstrahl angelegt; Teile des Materials können aber auch heruntergeladen und analog eingesetzt werden.

Die Materialien sind konzipiert für die Nutzung durch Lehrkräfte im Unterricht. Den Nutzern steht es frei, die Materialien ganz oder teilweise für diesen Zweck zu vervielfältigen, zu verteilen und Schülerinnen und Schülern zur Verfügung zu stellen. Bei der Nutzung von Ausschnitten aus den Materialien muss sichergestellt sein, dass die Auswahl nicht zur inhaltlichen Verfremdung führt. Etwaige Veränderungen sind als solche zu kennzeichnen und dürfen den Bedeutungsgehalt nicht verändern.

Für die stetige Weiterentwicklung des Materials bitten wir um Ihre Rückmeldung: Wir wären Ihnen sehr dankbar für die Zusendung des ausgefüllten Fragebogens an alissa.geisler@uni-muenster.de.

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Siegbert Steinfeld

Siegbert Steinfeld schreibt am 17. Januar 1944 an Papst Pius XII. Der jüdischstämmige Sänger wird von den Nationalsozialisten gesucht und muss sich wochenlang unter härtesten Bedingungen in einer Grotte in Italien verstecken. In seinem fünfseitigen Schreiben bittet er um Schutz vor seinen Verfolgern.

Der Unterrichtsentwurf rückt das Bittschreiben Siegbert Steinfelds sowie die damit verbundenen Briefe als Lerngegenstand in den Fokus. Anhand dieser Dokumente rekonstruieren die Schülerinnen und Schüler die verzweifelte Lage Steinfelds sowie die Bedingungen und Umstände seiner Flucht und Unterstützung. Sie erarbeiten wesentliche historische Zusammenhänge und bearbeiten Fragen zum Stellenwert des Projekts Asking the Pope for Help im Kontext heutiger Erinnerungskultur. Ein Transfer der gewonnenen Erkenntnisse geschieht über die Erstellung eines Radiofeatures zu einem weiteren Bittschreiben.

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Hildegard Jacobi

Hildegard Jacobi ist schwanger und schreibt am 9. April 1940 an Papst Pius XII. Von ihrem Verlobten verlassen und um ihre Wertsachen gebracht, harrt die jüdischstämmige Katholikin in Rom aus. Sie bittet zunächst um Unterstützung bei der Verlängerung ihrer Aufenthaltserlaubnis in Italien für sich und ihre Eltern. In einem zweiten Brief erhofft sie sich vom Papst finanzielle Unterstützung.

Ausgehend vom Bittschreiben Jacobis arbeiten die Schülerinnen und Schüler ihre Fluchtroute, den komplexen Kommunikationsprozess und die erfahrene Unterstützung heraus. Sie setzen sich mit Klöstern als Orten der Zuflucht in Zeiten der Verfolgung durch die Nationalsozialisten auseinander und erläutern Fragen nach Identität und Zugehörigkeit im Kontext von Flucht und Verfolgung. Dabei beziehen sie auch die Autobiographie von Hildegard Jacobis Sohn ein. Die Schülerinnen und Schüler diskutieren zudem verschiedene Ausprägungen von Erinnerungskultur kritisch und erläutern deren Relevanz und Potenzial im Hinblick auf Antisemitismusprävention. Abschließend entwickeln sie ein eigenes Konzept zur Erinnerung an Hildegard Jacobi unter Berücksichtigung ihrer Erkenntnisse über zeitgemäße Erinnerungskultur.

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Meta Sommerfeld

Die Witwe und getaufte Jüdin Meta Sommerfeld wendet sich Anfang April 1941 über das Hilfswerk beim Bischöflichen Ordinariat Berlin an den Raphaelsverein in Hamburg. Sie möchte fliehen – zu ihrem Sohn, der bereits in Buenos Aires lebt. Es folgt ein komplexer und von Missverständnissen geprägter Kommunikationsprozess, an dem ab Oktober 1940 auch der Berliner Bischof Konrad von Preysing intensiv beteiligt ist. Am 7. November 1941 setzt dieser sich sogar beim Reichssicherheitshauptamt – Adolf Eichmann persönlich – für Meta Sommerfeld ein.

Anhand eines digitalen Zeitstrahls, der mit dem Bittschreiben Meta Sommerfelds an den Papst beginnt, lernen die Schülerinnen und Schüler Teile ihrer Biographie kennen und erarbeiten den komplexen Prozess des Unterstützungsversuchs. Dabei setzen sie sich mit den Briefen der Beteiligten sowie mit zusätzlichem Material zu diesen und dem historischen Hintergrund auseinander. Grundanliegen dieser Lernsequenz ist es, die Komplexität des Fluchtversuchs wie auch des Unterstützungsprozesses von Meta Sommerfeld zu beleuchten und Gründe für das Scheitern herauszuarbeiten. Die Schülerinnen und Schüler reflektieren abschließend Möglichkeiten und Relevanz gemeinsamen Erinnerns, indem sie einen Stolperstein-Antrag für Meta Sommerfeld entwickeln.

Die Elemente des Zeitstrahls sind digital abruf- und bearbeitbar, können aber zu großen Teilen auch ausgedruckt und analog bearbeitet werden.