Dr. Paul Schweizer
NICE A. M. France.
Hotel Marigny/Rue Raiberti
Sr. Heiligkeit
Papst Pius XII
C i t t à di V a t i c a n o
Heiliger Vater,
In den verzweifelten Schwierigkeiten, in welchen ich mich befinde, beschreite ich den einzigen Ausweg und wende mich an Ihr Wohlwollen und an Ihre Güte mit der ergebensten Bitte meinen Fall zu prüfen und mir nach Möglichkeit zu helfen.
Ich, Dr. Paul Schweizer, römisch katholisch, nach den Nürnberger Gesetzen Nichtarier, habe mein Heimatland Österreich, wo ich in Wien am 19.XII.1886 geboren wurde, am 30. Juni 1939 verlassen und mich nach mehrmonatlichem Aufenthalt in Italien nach Frankreich begeben, wo man mich mit verschiedenen Zwischenräumen über 5 Monate in Konzentrationslagern internierte. Da ich über Spezialkenntnisse in der Chemie verfüge hatte ich schon vor meiner Abreise aus Wien eine qualifizierte Stellung im Hause Matarazzo in Sao Paolo (Brasilien) angeboten bekommen, um meine Spezialkenntnisse auswerten und wirtschaftlich nutzbar machen zu können. Ich möchte bemerken, dass die Firma Metallurgica Matarazzo eine der größten Firmen in Brasilien ist. Der notariell beglaubigte Arbeitsvertrag ist in meinen Händen. So wäre also mein Leben und meine Existenz in Sao Paolo vollkommen gesichert, um so mehr als Matarazzo sich auch verpflichtet hat, die Kosten meiner Reise zu bezahlen.
Ich habe bei allen Stellen, die für Erteilung von Visas in Frage kommen, ungeheure Anstrengungen gemacht, doch ist es bis heute unmöglich gewesen ans Ziel zu gelangen.
Schon seit Wien bin ich in Verbindung mit dem „Katholischen Comité für Flüchtlinge“ in Utrecht-Holland. Dieses versprach mir im April a. c. eines der dem heiligen Stuhl von Brasilien zur Verfügung gestellten Visa. Unglücklicherweise wurde Holland einige Tage später, nach Erhalt dieses Hoffnung erweckenden Briefes von den Deutschen okkupiert und es ist mir bis heute trotz aller Bemühungen nicht gelungen mit dem Comité wieder in Verbindung zu kommen.
Ich habe keinerlei Möglichkeit in Frankreich zu bleiben und meinen bescheidenen Lebensunterhalt hier zu verdienen, da die Gesetzte uns jede Arbeit verweigern. Der Gedanke keinen Ausweg zu wissen und hier ein steriles Leben führen zu müssen, während in Brasilien Arbeit, Wirken und Erfolg gesichert sind, drückt mich zu Boden. [17v] Es wird mir infolge der mir vertraglich zugesicherten qualifizierten Stellung in diesem großen Hause möglich sein, auch anderen katholischen schwergeprüften Leidensgenossen zu Gründung einer neuen Existenz zu helfen. Es wird mir eine heilige Pflicht sein dieses Gebot der Nächstenhilfe in größtmöglicher Weise auszuüben. Meine eigene Leidenszeit, meine eigenen traurigen Erfahrungen seelischer und körperlicher Art, treiben mich aus meinem Innersten dazu, zu helfen und zu mildern, wo ich dies nur tun kann. Meine in Sao Paolo gesicherte Existenz, soll und wird mir die Möglichkeit dazu geben.
Ich wende mich an Eure Heiligkeit mit der Bitte mir zu helfen, dass ich die Einreise nach Brasilien bekomme und endlich wieder ein nutzbringen des Dasein führen kann, das mich auch mit meinem einzigen, in Sao Paolo lebenden Bruder, wieder zusammenführt.
Ich stehe Eurer Heiligkeit natürlich mit allen mich betreffenden Personaldaten zur Verfügung und erlaube mir in Abschrift einen Brief beizulegen, den mir mein Beichtvater, der hochwürdige Herr Georg Bichlmair aus Wien, S. J. ausgestellt hat.
Eurer Heiligkeit ganz ergebenster Diener
Dr. Paul Schweizer
Nice, 14.XII.4.
Beilage: eine Briefabschrift
Archivio Storico della Segreteria di Stato, Pio XII, Ia parte, Ebrei 134, fol. 17rv