Mons. Dell’Acqua Milano, den 25. Juli 39.
An Seine Heiligkeit Papst Pius XII.
Heiliger Vater!
Ich erlaube mir mich vertrauungsvoll in meiner schweren Bedrängnis an Euch zu wenden. Ich bin gezwungen worden mit meinem Mann im Jahre 37 Hamburg, unsere Heimat zu verlassen, da mein Mann seine Fabrik in arische Hände geben musste. Wir kamen hier nach Milano wo mir November 38 plötzlich mein guter Mann an einem Herzkrampf starb, ich bin nun ganz allein und verlassen hier in Milano. Doch habe ich meine Neffen, zwei Nichten, Kinder meiner verstorbenen Schwester, die auch gleichzeitig unsere Kinder waren, in Curitiba/Parana Brasilien.
Mein Neffe, Paul Silbergleit, bemüht sich seit dem Tode meines guten Mannes [49v] mich als Pflegemutter zu sich kommen zu lassen. Das Gesuch liegt seit Januar 39 bei dem Ministerium in Rio de Janeiro bei der letzten Instanz zur Unterschrift um die Genehmigung meines Visums, welches durch die jetzige Sperre leider noch nicht geschehen ist. Auch habe ich einen Sohn (einzigen), der in London war und seit zwei Monaten bei meinem Neffen in Curitiba ist.
Mein heiliger Vater, ich bin in diesem Winter mit aufrichtigem Herzen u. mit großer Liebe katholisch geworden. Ich bin 63 Jahre alt, Capuziner Padre Joh. Antonius hat mich im Dom getauft, ich habe dann alle heiligen Sakramente mit grosser, inniger Hingebung empfangen, jetzt bitte ich Euch heiliger Vater inbrünstig um Euren Segen.
[50r] Ich verspreche Euch heiliger Vater mit aufrichtigem Herzen, so lange es mir bestimmt ist zu leben, eine gute, wahre Katholikin zu sein. Meine Mittel sind gering, mein Neffe in Curitiba hat es übernommen ganz für mich zu sorgen, dieses habe ich hier schriftlich und notariell bestätigt, das Reisegeld für Brasilien bis Santos habe ich hier liegen, von dort werde ich abgeholt werden.
Hochwürden Padre Odo, Pfäffikon (Schiwiz) Schwiz, war so gütig u. hat sich für mich an das kath. Hilfswerk in Rio de Janeiro gewandt, konnte wohl auch wegen der Sperre für mich nichts günstiges erreichen, Padre Odo wäre gerne bereit Näheres über mich Euch heiliger Vater zu berichten.
Ich bitte innig u. aufrichtig Euch heiliger Vater um Hilfe zur Erlangung eines Visums nach Brasilien, damit ich zu meinen Kindern [50v] kann u. diese mir mit ihrer Liebe eine neue Heimat aufbauen können, wonach meine Kinder u. auch ich aufrichtig sehnen. Erlauben mir meine Personaldaten Euch heiliger Vater hiermit beizufügen.
Ich hoffe meine innige Bitte wird von Eurem Segen, heiliger, gütiger Vater begleitet sein. Danke ich im Voraus recht herzlich, bin ich
Eure ganz untergebene
Dorothea Fraenkel
in Pensione M. Oswald
Piazza del Duomo 17
Milano
Personaldaten:
Dorothea Fraenkel geb. Iglick gelebt in Hamburg
geboren: 21. März 1876 in Schrimm Regb. Posen
Mein Vater hieß Simon Iglick
Meine Mutter hieß Marianne geb. Schwarz.
Die Adresse meines Neffen lautet:
Paul Silbergleit: Avenida do Cruzeiro No. 582
Curitiba/Parana Brasilien
Mein Sohn heißt Bernhard Fraenkel
Mein Mann hieß Hermann.
Archivio Storico della Segreteria di Stato, Pio XII, Ia parte, Ebrei 42, fol. 49r-50v