Oswald Loretz (14. 1. 1928 – 12. 4. 2014)


Am 12. April starb nach einer längeren schweren Krankheit Prof. Dr. Oswald Loretz. Geboren in Hörbranz (Österreich) hat er 1948-1957 an der Päpstl. Universität Gregoriana in Rom Philosophie und Theologie studiert und 1957 mit einer Dissertation über das Reich Gottes im Jesajabuch promoviert. Seine parallel dazu geführten Studien am Päpstl. Bibelinstitut schloss er ebenfalls 1957 mit einem Lizentiat in Bibelwissenschaften ab. Die Jahre 1959-1961 verbrachte er zu weiterführenden v.a. akkadistischen Studien am Oriental Institute in Chicago. 1962 kam er als wiss. Assistent nach Münster, wo er sich Anfang 1964 an der Kath.-Theol. Fakultät im Fach Altes Testament mit einer Arbeit zum Koheletbuch habilitierte. Im November 1967 wurde Loretz außerplanmäßiger Professor der Fakultät, 1970 wiss. Rat und Professor. Im Frühjahr 1993 erfolgte seine Pensionierung.

Loretz, der 1954 in Rom zum Priester geweiht wurde, hatte sich bereits während des Zweiten Vatikanischen Konzils, mehr noch in den darauf folgenden Jahren, mit Veröffentlichungen zur Wahrheit der Bibel (1964), zum Fall Galilei (1966), zu Schöpfung und Mythos in den ersten Kapiteln der Genesis (1968), also zu Themen einer historisch-kritischen Bibelhermeneutik und ihren Folgen für die katholische Theologie einen Namen gemacht. 1969 begründete er zusammen mit Manfried Dietrich und Kurt Bergerhoff die Reihe „Alter Orient und Altes Testament“ (AOAT), die bis heute ein international renommiertes Publikationsorgan im Schnittfeld zwischen Altorientalistik und alttestamentlicher Wissenschaft darstellt. Seine Interessensschwerpunkte verlagerten sich immer stärker in den Alten Orient, namentlich auf die Erforschung der nordsyrischen Hafen- und Handelsstadt Ugarit, die ihre Blütezeit 1400-1200 v. Chr. hatte und insbesondere mit ihrer zufällig entdeckten großen Keilschrift-Bibliothek eine wertvolle Quelle für die Spätbronzezeit in der Levante darstellt. Oswald Loretz wurde zu einem weltweit bekannten und anerkannten Fachmann der Literatur Ugarits. Ebenfalls zusammen mit Manfried Dietrich begründete er die „Ugarit-Forschungen“ (UF), die ab 1969 als Jahrbuch erschienen, begann die Zusammenstellung einer Ugarit-Bibliographie und entwickelte ein neues Zitationssystem für die keilschriftlichen Texte aus Ugarit („KTU“). Ein besonderer thematischer Schwerpunkt seiner Forschungen und Publikationen war der Vergleich zwischen der Poesie Ugarits und den Psalmen der hebräischen Bibel.

Auch nach seiner Laisierung 1975 war Loretz bis zu seiner Pensionierung Mitglied der Kath.-Theol. Fakultät, aber ohne die Möglichkeit, dort wiss. Nachwuchs heranzubilden. Mit Dietrich stieß er im Rahmen der Altorientalistik eine „Forschungsstelle Ugarit“ an, die zahlreiche Stipendiaten und fellows aus der ganzen Welt anzog. Loretz blieb jedoch weiterhin auch seinen theologischen Interessen treu: er verfasste ein Standardwerk zum Vergleich zwischen Ugarit und der Bibel (1990), mischte sich in die Debatte um den biblischen Monotheismus und die weiblichen Gottheiten in Israel ein (1992) und reflektierte über „Des Gottes Einzigkeit“ (1997).

Die Fakultät trauert um Oswald Loretz, einen großen Wissenschaftler mit Mut zum Querdenken.