Trauer um Papst Franziskus
Die Katholisch-Theologische Fakultät hat mit Bestürzung und Trauer den Tod von Papst Franziskus am Ostermontag, 21. April 2025, zur Kenntnis genommen. Sein letzter öffentlicher Auftritt war die Spendung des österlichen Segens urbi et orbi. Am frühen Ostermontag ist er in der Hoffnung auf die Auferstehung verstorben. Sein Eintreten für die Schwächsten der Gesellschaft, für die Schöpfung sowie eine synodal geprägte Kirche werden in Erinnerung bleiben. Möge er in Frieden ruhen und möge Gott ihm seine Hoffnung erfüllen.
Mitglieder der Fakultät würdigen das Pontifikat von Papst Franziskus:
Prof. Dr. Michael Seewald:
Franziskus war ein Reformpapst, aber er war es auf seine eigene Weise. Er hat sich den Erwartungen kirchlicher Reformkräfte oft entzogen. Es ist ihm jedoch gelungen, Verkrustungen aufzubrechen. Wie Franziskus zum Beispiel mit wiederverheiratet Geschiedenen oder gleichgeschlechtlichen Paaren umging, hat die Kultur des kirchlichen Miteinanders tiefgreifend verändert. Eine ‚verbeulte‘ Kirche, die nahe bei den Nöten der Menschen ist, war Franziskus lieber als eine sterile Kirche, die um sich selbst kreist. Das Erbe von Franziskus besteht weniger in der machtvollen Durchsetzung eines stringenten Reformplans, sondern vielmehr in den Möglichkeiten, die der Papst eröffnet hat. Seelsorgliches Handeln, das den Einzelnen jenseits dogmatischer Scheuklappen in den Blick nimmt, war ihm unglaublich wichtig. Der Synodale Prozess, den er angestoßen hat, ist der größte Beratungsprozess in der Geschichte der katholischen Kirche. In diesem Prozess wurden kirchliche Idealvorstellungen mit der Realität in einer Weise konfrontiert, die der Kirche den Weg in die Zukunft weisen kann. Franziskus hinterlässt tiefe Spuren.
Zeit: War der Papst ein Modernisierer?, 21.04.2025
Universität Münster: „Papst Franziskus hatte keine theologischen Starallüren“, 22.04.2025
Prof. Dr. Dr. h.c. Hubert Wolf:
Schon die Namenswahl von Papst Franziskus erschien revolutionär, geradezu subversiv: Bis zum Tag der Wahl von Jorge Mario Bergoglio hatte sich noch nie ein Oberhaupt nach Franz von Assisi benannt. Dieser galt als Exponent der radikalen mittelalterlichen Armutsbewegung, die sich maßgeblich gegen die reiche Papstkirche mit ihren Herrschafts- und Machtansprüchen wandte. Die dadurch erweckten Hoffnungen konnte Papst Franziskus nur zum Teil erfüllen – es bleibt ein zwiespältiger Eindruck seines Pontifikats: Den Konservativen war er zu liberal und den Liberalen zu konservativ. Trotz seiner Umweltenzyklika „Laudato Si“, in der sich der Papst in nie dagewesener Weise in einer ethischen Frage auf die modernen (Natur-)Wissenschaften bezog und seiner Symbolpolitik der Einfachheit blieben die großen Reformen aus. Weder in Bezug auf die Sexualmoral noch mit Blick auf die Missbrauchsthematik waren entscheidende Schritte zu verzeichnen, was der Glaubwürdigkeit von Papst und Kirche nachdrücklich schadet. Selbst der Öffnung der Archive zu Pius’ XII. stand er im Gegensatz zu seinen beiden Vorgängern eher abwartend gegenüber. Dabei bräuchte man in der jetzigen Weltlage die moralische Stimme des Papstes mehr denn je. Insgesamt blieb sein Wirken vielfach ein ‚Ankündigungspontifikat‘.
Spiegel: »Trump dürfte froh sein, dass Franziskus weg ist«, 21.04.2025
Deutschlandfunk: Kirchenhistoriker Wolf: Ein Pontifikat der Ankündigungen, 22.04.2025
NDR: Kirchenhistoriker Wolf: "Franziskus stand für arme, andere Kirche", 22.04.2025
Prof. Dr. Christian Bauer:
Franziskus war ein jesusbewegter Reformpapst, der die Kirche synodal geöffnet hat. Kaum wurden deren systemischen Probleme jedoch in relativer Freiheit besprechbar, lähmten ihre Kontraste schon jeden weiteren Fortschritt. Es ist die Tragik seines Pontifikats, dass all das für die einen zuviel und für die anderen zuwenig war. Es bleiben zwiespältige Gefühle: Ich persönlich habe Franziskus als eine Befreiung erlebt. Und zugleich habe ich mit ihm auch gehadert. Er war ein großer Papst, auch in seinen Grenzen.
Prof. Dr. Thomas Schüller:
Papst Franziskus war ein aktiver und produktiver Gesetzgeber. Er hat beim Thema Vertuschung sexualisierter Gewalt die Bischöfe sanktioniert und hierfür die entsprechenden Normen erlassen. Er hat die Römische Kurie auch zu einem Dienstleister an den Teilkirchen rechtlich verpflichtet und Ehenichtigkeitsprozesse vereinfacht. Bedeutsam ist seine Entscheidung, dass auch nichtgeweihte Frauen und Männer umfassende Leitungsgewalt in der Kirche in hohen Ämtern ausüben können. Und sein kirchenrechtlichen Lebenstraum konnte er nur noch initiieren: eine synodale Kirche mit einem syndalen Kirchenrecht, das ermöglicht, dass bei allen wichtigen Entscheidungen der Rat aller Gläubigen verpflichtend eingeholt wird. Daran werden zukünfigte Päpste gemessen werden.
FAZ: Kirchenrechtler Schüller erwartet schwieriges Konklave, 21.04.2025
t-online: Kirchenrechtler: Papst-Nachfolge könnte länger dauern, 21.04.2025
Stern: Kirchenrechtler Schüller erwartet schwieriges Konklave, 21.04.2025
SWR: Der Papst ist tot – welche Botschaft hinterlässt Franziskus?, 22.04.2025
Prof. Dr. Dr. h.c. Dorothea Sattler:
[…] Nicht vergessen werden viele evangelische Geschwister, dass Papst Franziskus 2015 bei seinem Besuch der deutschsprachigen Lutherischen Gemeinde von Rom den Verantwortlichen einen Abendmahlskelch als Gastgeschenk überreichte. Auf die Frage einer evangelischen Frau, ob er es erlaube, dass sie mit ihrem Mann an der Eucharistie teilnehme, sagte er: „Sprecht mit dem Herrn und geht weiter!“ 2016 hat Papst Franziskus in Lund an den Feierlichkeiten zum Reformationsjubiläum teilgenommen und mit einer schwedischen Bischöfin den Friedensgruß geteilt. [… ] Mit den ökumenischen Dialogen auf theologischer Ebene war Papst Franziskus wenig vertraut. Er mochte jedoch die liturgischen Feiern insbesondere in der ihm aus Argentinien vertrauten freikirchlich-evangelischen Tradition. Bis zuletzt hoffte er darauf, dass die Orthodoxe Kirche in Russland sich für den Frieden einsetzt. […]
zum vollständigen Text --> Ökumenisches Institut: Trauer um Papst Franziskus, 23.04.2025
Prof. Dr. Marianne Heimbach-Steins:
Papst Franziskus wird Vielen zuerst mit seinen einfachen und bewegenden Gesten, mit seiner Nähe zu den Menschen, vor allem zu den Notleidenden, in Erinnerung bleiben. Bereits mit seinem ersten Auftritt als Papst hatte er den für sein Pontifikat charakteristischen neuen Ton gesetzt, als er sich ohne Prunkgewand als „Bischof von Rom“ den Gläubigen zeigte, schlicht „Guten Abend“ sagte und die Gläubigen bat, für ihn den Segen Gottes zu erbitten, ehe er sie selbst segnete. Bereits in diesem Moment kündigte er an, mit den Gläubigen auf einen „Weg der Geschwisterlichkeit“ gehen zu wollen. Die Symbolik des Anfangs weckte Erwartungen an eine Erneuerung der Kirche „von oben“ und „von innen“ – und an eine andere Theologie als jene, für die sein Vorgänger Joseph Ratzinger / Papst Benedikt XVI. gestanden hatte. Papst Franziskus hat in den zwölf Jahren seines Pontifikats die Aufmerksamkeiten in der Weltkirche verschoben und beachtliche Schritte hin zu einer synodalen Kirche eingeleitet. Kaum erstaunlich, sind Ungleichzeitigkeiten und Kontroversen in der Weltkirche – und auch die Grenzen, an die das Papstamt selbst darin stößt – im Moment von Franziskus‘ Tod sichtbarer und spürbarer als zu Beginn seines Pontifikats: Solange der kirchliche „Apparat“ Einheit als Uniformität einfordert und die weltkirchliche Vielfalt inkulturierter Katholizität dem Erwartungsrahmen römischer Ordnungen unterordnet, droht das „Amt der Einheit“ überfordert zu werden. Papst Franziskus hat der Kirche mit dem anspruchsvollen Programm der Synodalität eine Therapie verordnet, die gerade erst anfängt zu wirken – und es wird vom nächsten Pontifikat abhängen, ob die Kur nachhaltige Wirkung entfalten kann. So kann es nicht erstaunen, dass das Franziskus-Pontifikat gerade im Blick auf den Zustand der Kirche ein ambivalentes Bild hinterlässt: Auch wenn pastorale Handlungsräume gegenüber vermeintlich unveränderlichen Lehrpositionen ansatzhaft geöffnet wurden, sind schmerzhafte Konflikte nicht gelöst. Menschen, denen ihre Zugehörigkeit zur Kirche wichtig ist, werden weiterhin marginalisiert und mit kruden Auffassungen eines ideologischen Anti-Genderismus disqualifiziert, weil sie nicht in das heteronormative Gefüge lehramtlicher Beziehungsmoral passen. Zeichen pastoraler Öffnung, die Franziskus immer wieder gegeben hat, konnten angesichts des Zustands der Institution, für die er verantwortlich war, vielfach nur als schwache Gesten, als paternalistische Herablassung wahrgenommen werden. Seine Kritik des Klerikalismus schien im Dickicht des ungebrochenen monarchischen Habitus stecken zu bleiben, den auch er als Papst nicht konsequent abgelegt hat. In die Weltöffentlichkeit hinein hat Franziskus vor allem mit seinen sozialethischen Interventionen gewirkt. Ein Höhepunkt war ohne Zweifel die Enzyklika Laudato si‘ im Jahr 2015, mit der er gezielt in die klimapolitischen Prozesse der Internationalen Gemeinschaft hineingesprochen hat, den unlösbaren Zusammenhang zwischen der globalen ökologischen und der ebenso globalen sozialen Frage unterstrichen und die unterschiedlichsten Akteure zu koordinierter Verantwortungswahrnehmung ermutigt hat. Der Versuch und die Bereitschaft, möglichst breite Allianzen zu schmieden, um Veränderung möglich zu machen, prägte auch die nachfolgende Sozialenzyklika Fratelli tutti, die vor allem auf einen verantwortlichen Umgang mit den Gütern der Erde im Sinne des globalen Gemeinwohls zielte. Der Name Franziskus wird sich auf Dauer mit einer entschiedenen Option für die Armen und für den Schutz der geschundenen Erde, mit dem Plädoyer für aktive Gewaltfreiheit und für die Rechte der Menschen auf der Flucht und in der Migration verbinden. Damit hat Franziskus politische, religiöse und mentalitätsbasierte Grenzen überschritten, an deren Befestigung andere Akteure – innerhalb wie außerhalb der Kirche – nach Kräften arbeiten, und gesellschaftsverändernde religiöse Potentiale weltweit gestärkt.
Prof. Dr. Wolfgang Grünstäudl:
Zu den vielen Kontrasten der letzten beiden Päpste zählt auch ihr Umgang mit der Bibel. Für Benedikt XVI. war das Streben nach der korrekten Auslegung der Heiligen Schrift ein Lebensthema, das sich in vielen Varianten von den Qualifikationsschriften über die Arbeit als Konzilsberater bis hin zur bekannten New Yorker Erasmus-Lecture entfaltete. Nicht zufällig beschloss er sein Lebenswerk mit einer Jesus-Trilogie, in der der Theologenpapst versuchte, bessere Exegese zu treiben als seine exegetischen Kolleginnen und Kollegen. Von Franziskus sind solche Ambitionen nicht bekannt. In dem von ihm entfachten Feuerwerk der Ambiguitäten strahlten zwar biblisch grundierte Begriffe wie „Barmherzigkeit“, „Hoffnung“ und insbesondere „Evangelium“ durchaus hell. Ihre Kraft und Faszination bezogen sie für Franziskus aber nicht aus analytischer Klärung, sondern aus ihrer Verwendung als pointierte Chiffren für den von ihm propagierten Stil des Katholischen. Der Güte Gottes musste dann auch einmal der Wortlaut des Vaterunser weichen. Die Grenzen dieser spontanen, dynamischen und unkonventionellen Art des Schriftgebrauchs traten nirgends so klar hervor wie in den heftigen Debatten um Fiducia supplicans: Das Anliegen des Dokuments wurde zunächst mittels allzu kreativer Vieldeutigkeit biblisch begründet, um dann an ebenso biblisch begründeter eklektischer Eindeutigkeit zu zerschellen. Die entscheidende – und nicht erst seit Benedikt und Franziskus virulente – Frage nach einer zukunftsfähigen katholischen Schrifthermeneutik konnte dabei jeweils nicht in den Blick kommen. Man mag in dieser Leerstelle eine ideengeschichtliche Quisquilie sehen. In Zeiten, in denen zwei reaktionäre Regime ihren globalen Machthunger nicht zuletzt biblisch begründen, könnte sie jedoch noch über den römischen Kosmos hinaus gefährlich werden.
Weitere Beiträge aus der Fakultät:
Seminar für Liturgiewissenschaft (Marco Xu): Papstbegräbnis, 21.04.2025
