Wie ein wirtschaftsethisches Denkmodell fruchtbar werden kann für ethische Entscheidungen - dazu sprach Axel Heinrich in seiner Antrittsvorlesung als Privatdozent im Fach Philosophie. Obwohl dieses Denkmodell, wie er abschließend resümierte, bislang eher "ein Stück Verlierergeschichte" geschrieben hat. Das ber muss nicht so bleiben.
In seiner Antrittsvorlesung stellte Axel Heinrich das "Modell der Grenzmoral" des Ökonomen Goetz Briefs vor, der in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts den Liberalismus analysiert hat. Dabei stellte Briefs eine "Grenzmoral" fest, die die bislang gültigen ethischen Standards, die "Verkehrsmoral" des wirtschaftlichen Handelns, auf die tiefst mögliche Ebene verschöbe. Um wirtschaftlich konkurrieren zu können, würden andere Anbieter gezwungen, nachzuziehen - wodurch die niederige moralische Ebene zur anerkannten Ebene würde und die Grenzmoral noch weiter absacke. Die Folgen dieses moralischen Abbaus sah Goetz Briefs in mehreren Phasen, wobei die letzte die Abkehr vom Liberalismus und Hinwendung zum Totalitarismus sei. Diese Folge sei nicht notwendig, "aber die Versuchung ist groß".
Axel Heinrich übertrug das Modell der "Grenzmoral" auf die ethische Argumentationslehre und betonte ihren warnenden Charakter. Dieser sei aber keine "Fundamentalopposition" und "kein Label für eine allgemeine Kulturkritik", sondern müsse durch empirische Beobachtungen gestützt werden. Das Modell der Grenzmoral gewinnt nach Axel Heinrich Bedeutung in Situationen, in der politisch um ethische Entscheidungen gerungen wird, vor allem für die "Argumentation der schiefen Ebene". Danach werden einer eigentlich unbedenklichen Handlung so schlimme Folgen unterstellt, dass die gute Sache gänzlich verloren ginge. Doch so wie bei Briefs die Folgen der Grenzmoral empirisch belegt werden müssen, so sollte auch im politischen Diskurs "ein Raum des vernünftigerweise Erwartbaren abgesteckt werden".