Gesprächsabend zu "Missbrauch und Prävention"
Am Mittwoch, dem 5.6.2019 fand im Auditorium maximum der WWU ein Gesprächsabend zum Thema „Missbrauch und Prävention – Impulse für eine Theologie, die nicht ausweicht“ statt.
Es diskutierten die Religionspädagogin Sr. Dr. Karolin Kuhn vom Centre for Child Protection an der Universität Gregoriana (Rom) sowie der Pastoraltheologe Prof. Dr. Reinhard Feiter, die Sozialethikerin Prof.‘in Dr. Marianne Heimbach-Steins und der Kirchenrechtler Prof. Dr. Thomas Schüller von der Münsteraner Katholisch-Theologischen Fakultät. Moderiert wurde die Kooperationsveranstaltung zwischen der Fakultät und der Pfarrei Sankt Lamberti durch die Journalistin Viola van Melis, Leiterin der Wissenschaftskommunikation des Exzellenzclusters Religion und Politik. Den roten Faden der Diskussion bildete die Fragen nach einer Mitverantwortung der Theologie und nach ihren Potentialen, um die Krise aufzuarbeiten und Reformen zu fördern, mit denen Glaubwürdigkeit und Vertrauen wiedergewonnen werden können. Die Diskutanten stellten sich unbequemen Fragen, z.B.: Hat die Theologie dazu beigetragen, Missbrauch zu ermöglichen, zu begünstigen und zu vertuschen? Muss sie sich die wissenschaftliche Theologie aufgrund der Aufdeckung des Missbrauchs von Kindern und Jugendlichen durch Priester und Ordensleute verändern – und hat sie sich bereits verändert? Was kann die Theologie zu einer Entwicklung beitragen, die intransparente Strukturen überwindet und wirksam vor Missbrauch schützt?
Sr. Karolin Kuhn etwa wies auf die Notwendigkeit hin, Kinder und Jugendliche nicht mehr nur als Adressaten oder „Objekte“ kirchlichen Handelns und theologischer Überlegungen zu behandeln, sondern als Subjekte in Theologie und Pastoral ernst zu nehmen und zu beteiligen. Reinhard Feiter erläuterte, die Aufdeckung der Missbrauchsproblematik habe ihn dazu geführt, anders über Pastoral und die Rolle der „Pastores“, der Hirten, zu reflektieren – und vor allem die kritische Seite ihrer machtvollen Rolle in den Blick zu nehmen. Darin traf er sich mit dem Ansatz von Marianne Heimbach-Steins, die monierte, in der Kirche sei eine nüchterne Auseinandersetzung mit der institutionellen Macht und der Art ihrer Ausübung allzu lange tabuisiert worden – unter dem Vorzeichen, dass diejenigen, die tatsächlich Macht haben, sich selbst als „Diener“ verstehen. Nicht die Tatsache, dass Macht ausgeübt werde, sondern deren Verschleierung sei gefährlich. Thomas Schüller verwies zum einen auf die schmerzliche Erfahrung, dass in der rückblickenden Auseinandersetzung mit den verschleiernden Praktiken auch sehr verdiente Kirchenobere in die Kritik geraten, zum anderen auf jüngste Entwicklungen im kirchlichen Recht, die zu mehr Transparenz in der Zuschreibung von Verantwortung und der Bestimmung von Rechenschaftspflichten der Bischöfe führen. Der Abend, der in eine lebhafte Diskussion mit dem Publikum mündete, machte deutlich, dass die wissenschaftliche Theologie sich ihrer Verantwortung als kritische Begleiterin kirchlicher Praxis bewusst ist und schwierigen Fragen nicht ausweicht. Es kam aber auch zur Sprache, dass der Beitrag der Theologie zu einer Erneuerung der Kirche auch davon abhängt, ob die kirchlichen Verantwortungsträger bereit sind, Impulse der Theologie wahrzunehmen und aufzugreifen.