Fast genau ein Jahr ist es her, dass Jürgen Werbick, langjähriger Professor für Fundamentaltheologie an unserer Fakultät, in den Ruhestand verabschiedet wurde. In diesen Tagen ist nun der Band "Unter Hochspannung. Die Theologie und ihre Kontexte" erschienen. In ihm findet sich nicht nur die gleichnamige Abschiedsvorlesung von Jürgen Werbick, sondern auch eine Reihe weiterer Beiträge zu der Frage, vor welchen aktuellen Herausforderungen die Theologie heute steht.

Wie kann die Theologie noch intensiver in den Dialog mit der Öffentlichkeit treten und welche Probleme – aber auch welche Chancen – ergeben sich dabei für sie? Wie positioniert sich die Theologie in der sich neu ordnenden Wissenschaftslandschaft, vor allem im Kontext der anderen „religionsbezogenen“ Disziplinen? Und welche Rolle übernimmt die Theologie bei der Verortung der Kirche in der modernen Gegenwartsgesellschaft, ebenso wie angesichts veränderter Bedürfnisse nach Spiritualität? – Diesen Fragen stellen sich unter anderem Mitglieder unserer Fakultät und unserer polnischen Partnerfakultät in Opole, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Exzellenzclusters „Religion und Politik“ der Universität Münster sowie Vertreter aus Politik und pastoraler Praxis.

Ingo Broer und Andrzej Anderwald beschreiben, wie der Anspruch der Theologie auf Wissenschaftlichkeit immer wieder neu diskursiv zu vertreten ist. Veronika Hoffmann plädiert dafür, mit der veränderten Situation, die sich durch die neue Rolle anderer religionsbezogener Wissenschaften ergibt, produktiv umzugehen und so der Theologie neues Gewicht im interdisziplinären Gespräch zu verschaffen.

Ebenso muss die Theologie verstärkt das Gespräch mit der Öffentlichkeit suchen. Die Spielräume hierfür beschreiben aus politischer Perspektive und aus der Sicht medialer Öffentlichkeitsarbeit Dagmar Mensink und Viola van Melis. Daniel Bogner macht umgekehrt auf die Schwierigkeiten aufmerksam, die sich ergeben, wenn Theologie und Kirche im öffentlichen Diskurs einen übergeordneten Standpunkt beanspruchen, während sie in einer ausdifferenzierten Gesellschaft vor allem als Vertreter von Partikularinteressen wahrgenommen werden. Wie sich dieses Problem etwa aus der Perspektive einer dezidiert „öffentlichen Theologie“ angehen lässt, skizziert Georg Kleemann.

Die Überlegungen von Reinhard Feiter und Paul Deselaers loten mögliche Beiträge der Theologie dazu aus, dass die Kirche in der gegenwärtigen Gesellschaft einen konkreten Ort behält, während Siegfried Kleymann die Herausforderungen beschreibt, die eine Biographie zwischen Wissenschaft, kirchlichem Amt und persönlichem Glauben prägen. Gerade im Kontext krisenhafter Spannungen zwischen Theologie und lehramtlicher Verkündigung beobachtet Stefan Orth ein Auseinanderdriften von Theologie und Spiritualität, auf das die Theologie reagieren muss. Im Anschluss an Charles Taylor schlägt Martin Rohner dafür ein differenziertes Verständnis von „katholischen Säkularität“ als einen vielversprechenden Horizont vor.

In seiner Abschiedsvorlesung schließlich erwägt Jürgen Werbick, was eine derart unter Hochspannung stehende Theologie noch „im Innersten zusammenhält“.

Veronika Hoffmann, Georg M. Kleemann und Stefan Orth (Hg.): Unter Hochspannung. Die Theologie und ihre Kontexte (Theologie im Dialog, Band 8), Verlag Herder, Freiburg 2012, 19,99 Euro.