Geschichte des IJD
Die Anfänge des IJD liegen in dem 1886 in Leipzig durch den Alttestamentler Franz Delitzsch (1813–1890) gegründeten Institutum Judaicum. Delitzsch war ein berühmter Alttestamentler und einer der besten nichtjüdischen Kenner des Judentums seiner Zeit. Er stand in regelmäßigem Kontakt mit jüdischen Gelehrten in der ganzen Welt und trat nachdrücklich für eine profunde Kenntnis des Judentums und gegen den zeitgenössischen Antisemitismus ein. Allerdings war er zugleich im Geist der Zeit an der Judenmission interessiert.
Nach Delitzschs Tod (1890) ging die Leitung des nun als „Institutum Judaicum Delitzschianum“ bezeichneten Instituts 1893–1902 an Gustaf Dalman über, der in seinen Leipziger Jahren vor allem zum Jüdisch-Aramäischen arbeitete. Ihm folgte als Direktor 1903–35 Otto von Harling, ab 1930 unterstützt von Hans Kosmala, der 1935 an seine Stelle trat. Um dem Druck des NS-Regimes zu entgehen, verlegte Kosmala den Sitz des Instituts noch im selben Jahr von Leipzig nach Wien und versuchte nach der faktischen Annexion Österreichs 1939 eine Weiterarbeit in London, was aber schon wegen des Kriegsausbruchs nicht gelang. Die in Leipzig verbliebene Bibliothek war da bereits von der Gestapo beschlagnahmt worden (großteils verschwunden; ein kleiner Teil wurde später in der Universitätsbibliothek Leipzig entdeckt).
1948 begründete Karl Heinrich Rengstorf, der 1926 als Vikar Mitarbeiter von Harlings gewesen war, das IJD wieder als freies Institut an der Universität Münster; da Rengstorf zugleich eine Professur für Neues Testament bekleidete, bestand über seine Person eine Verbindung mit der Evangelisch-Theologischen Fakultät. Schwerpunkte in Forschung und Lehre, in die auch jüdische Gelehrte einbezogen waren, lagen bei der rabbinischen Literatur (v.a. der Tosefta) und den Schriften des Josephus, daneben auch der jüdischen Regional-Geschichte, hier v.a. durch Bernhard Brilling. Als Rengstorf die Leitung des Instituts über seine Emeritierung hinaus beanspruchte, wurde das IJD in den 1980er Jahren vollständig in die Evangelisch-Theologische Fakultät eingegliedert und die Direktorenstelle neu besetzt (1984/85 mit Ernst Bammel, 1988–94 mit Hermann Lichtenberger, 1996–2012 mit Folker Siegert).
Auch wenn das IJD den Namen Delitzschs aus historischen Gründen und mit Rücksicht auf sein wissenschaftliches Interesse am Judentum sowie an der hebräischen Sprache im Institutsnamen weiterführt, grenzt es sich jedoch zugleich heute entschieden von der Judenmission ab. Nachdem diese bereits in der Institutsarbeit der letzten Jahrzehnte in praktischer Hinsicht keine Rolle mehr gespielt hatte, wurde der Abschied von der Judenmission in grundsätzlich-theologischer Weise unter dem Direktor der Jahre 1996–2012, Folker Siegert, öffentlich vollzogen (eine Kurzfassung findet sich hier).
Seit dem Dienstantritt des gegenwärtigen Direktors Lutz Doering im Jahr 2014 steht die Arbeit des IJD unter dem Motto „Antikes Judentum und christlich-jüdische Beziehungen“. In internationaler Ausrichtung und mit der Methodik judaistischer und historischer Forschung widmet sich das IJD dem antiken Judentum in seiner ganzen Breite – von der jüdischen Apokalyptik über die Texte vom Toten Meer und das hellenistische Judentum bis zum rabbinischen Judentum, von literarischen Texten über Inschriften und Papyri zu archäologischen Zeugnissen – sowie dem Neuen Testament in seinem jüdischen Kontext und der wechselvollen Geschichte der christlich-jüdischen Beziehungen bis in die Gegenwart.