Philon: Fragen und Auflösungen zur Genesis

Die unten stehende Übersetzung aus dem Armenischen und – soweit vorhanden – dem Griechischen ist noch vorläufig und erscheint hier ohne Fußnoten und kritischen Apparat. Schriftzitate sind direkt aus der Septuaginta übersetzt (kursiv markiert).


(c) Institutum Judaicum Delitzschianum Münster

Philon: Fragen und Auflösungen zur Genesis

2. Buch

1. Welches ist der Bau (des Kastens) Noes? (Vgl. Gen 6,14)

Falls jemand den Kasten naturkundlich ergründen möchte, wird er den Bau des menschlichen Körpers entdecken, wie wir aus den Detailangaben erfahren werden.

2. Warum verfertigt er aus vierkantigen Hölzern den Kasten? (Gen 6,14)

Erstens, weil eine viereckige Form stets stehen bleibt; sie hat ja rechtwinklige Ecken. Auch die Natur des menschlichen Körpers ist auf das Sicherste gegründet.

Zweitens, wenn auch der Körper organisch ist und jeder seiner Teile abgerundet, nähern sich doch die kompakteren Körperteile einer an der Oberfläche viereckigen Form, wie im Fall der Brust, denn der Brustkorb ist eher viereckig als rund; ebenso auch der Bauch, solange er nicht von Nahrung geschwollen ist oder von Maßlosigkeit – es gibt ja bestimmte Dickbäuchige Leute, die man aus dem Argument herauslassen muss. So auch Unterarme und Hände, wenn jemand sie im Hängen prüfen möchte, und Oberschenkel und Füße, wird er finden, dass ihrer aller viereckige Form verwoben ist mit der kugeligen.

Drittens, das vierkantige Holz hat nach jeder Seite unterschiedliche Ausmaße, die Länge ist größer als die Breite, die Breite größer als die Tiefe; so ist auch der Bau unserer Körper bestehend, [...]bestehend aus dem größten, dem mittleren und kleinsten Ausmaß, aus der größten gemäß der Länge, der mittleren gemäß der Breite und der kleinsten gemäß der Tiefe.

3. Warum sagt sie: Nester sollst du anlegen in dem Kasten? (Gen 6,14)

Höchst naturgemäß: Denn der menschliche Körper ist im Ganzen perforiert wie zu Nestbauten, in deren jedem eine Pneuma-Spannung nistet, die vom Führungsorgan herkommt. So sind die Augen gewissermaßen Nestbauten, in sie hat sich das Seevermögen eingeschmiegt; andere Nestbauten sind die Ohren, in sie hat sich das Gehör eingeschmiegt; ein dritter Nestbau ist die Nase, in ihr nistet der Geruch; ein vierter und vergleichsweise größerer Nestbau ist der Mund, in welchem wiederum der Geschmack nistet; doch ist er größer geworden, weil auch ein anderes Organ, das des artikulierten Sprechens, sich hineingeschmiegt hat, die Zunge, welche, wie Sokrates sagte, zu verschiedenen Zeiten an verschiedenen Stellen anschlagend, die Stimme artikuliert und formt, ja überhaupt erst zur Mitteilung macht. Ja sogar der Schädel und die sogenannte Hirnhaut wurden ein Nistplatz des Gehirns und die Brust einer der Lunge und des Herzens, und jedes der beiden ist Nistplatz weiterer Eingeweide: für das Pneuma die Lunge und für Blut und Pneuma das Herz; dieses hat nämlich zwei Höhlungen, sprich Nistplätze, in deren einem Blut nistet – aus ihr ergießt es sich in die „Venen“ genannten Adern –, in der anderen jedoch <auch> Pneuma – aus ihr jedoch verzweigt es sich in die Arterien. Sowohl die festeren wie die weicheren Teile sind auf eine Weise Nistplätze geworden und nähren Junge: die Knochen, das Festeste, sind Nistplätze des Marks, das Fleisch aber, das Weichste, ist (Nistplatz von) Lust und Schmerz. Und sobald jemand das andere prüft, wird er finden, dass es die gleiche Baubeschaffenheit hat.

4. Warum befiehlt er, den Kasten von Innen und von Außen zu asphaltieren? (Gen 6,14)

„Asphalt“ (asphaltos) heißt so wegen der Sicherheit (asphaleia) und klebt sehr stark, womit es auch immer zusammenkommt; es ist eine unauflösliche und unverbrüchliche Verbindung des vorher Abgetrennten. Alles, was von Leim zusammengehalten wird, wird gezwungen zur physischen Einheit. Aber unser Körper, der aus vielen Teilen besteht, ist sowohl von Außen als auch von Innen vereint und wird von seinem eigenen Zustand zusammengehalten. Der energiereichste Zustand ist angespanntes Pneuma, das sich von der Mitte überall hinbewegt zur gesamten Oberfläche und von der Oberfläche zur Mitte zurückkehrt. Denn eine pneumatische Natur wird von doppelten Banden eingehüllt, angefügt an eine beständigere Festigkeit und Einigung.

Dieser Kasten nun wird aus dem besagten Grund von Innen und von Außen asphaltiert. Aber derjenige Kasten, der im Heiligtum ist, wird vergoldet als Nachahmung der intelligiblen Welt, so wie in den sie betreffenden Texten angezeigt wird. Denn als Verkörperung unkörperlicher Ideen ist die intelligible Welt wesentlich an einem Ort, aus allen Ideen zusammengefügt; denn soviel das Gold wertvoller ist als der Asphalt, um soviel ist der Kasten im Heiligtum jenem überlegen. Um dessentwillen (um der Bundeslade willen) bezeichnet er die Hölzer als vierkantig, auf den praktischen Zweck sehend, die jenes (im Tempel aufgestellten) Kastens jedoch als „nicht faulend“ (Ex 25,10), weil die Beschaffenheit der Unkörperlichen und Intelligiblen frei von Fäulnis und Verderbnis und beständig ist. Dieser Kasten (Noes) wird getragen von hier nach dort, der aber im Heiligtum ruht und sitzt fest. Jedoch ist das Ruhende verwandt mit der göttlichen Natur, wie (andererseits) das, was sich hier so, dort anders, verändert und verwandelt, der geschöpflichen (Natur) verwandt ist. Und jener Kasten der Sintflut als Symbol des Vergehens wird emporgetragen, jener aber im Heiligtum erhält die Unvergänglichkeit zugeteilt.

5. Warum bezeichnete (Gott) die Maße des Kastens folgendermaßen:Von dreihundert Ellen die Länge, von fünfzig die Breite, die Höhe aber von dreißig (Gen 6,15); und auf (die Strecke) einer Elle geht oben der Kasten allmählich zu (Gen 6,16), so dass die Form einer Pyramide zustande kommt?

Was Wortsinn betrifft, so war es notwendig, ein großes Werk zu vollbringen zum Empfang so vieler Tiere, in das jede einzelne Art hineingebracht werden konnte zusammen mit ihrer Nahrung.

Der symbolische (Sinn) jedoch, richtig berechnet und bedacht, (geht) auf die Erkenntnis des Aufbaus unseres Körpers; und zwar ist hier nicht die genaue Zahl der Ellen in Betracht zu ziehen, sondern das Verhältnis, das ihnen zugrunde liegt. Die inhärenten Verhältnissen aber sind sechs zu eins und zehn zu eins und fünf zu drei. Denn dreihundert ist zu fünfzig wie sechs zu eins, zu dreißig wie zehn zu eins und fünfzig zu dreißig, wie fünf zu drei: Solche sind jedoch die Proportionen des Körpers. Denn, wenn es jemand bedenken möchte, wird er beobachten, dass der Mensch Maßverhältnisse hat, nichts zu groß, nicht zu klein; und wer eine Schnur nimmt und sie vom Kopf bis zu den Füßen aufspannt, wird finden, dass diese Schnur sechsmal länger ist als die Breite der Brust, jedoch zehnmal (länger) als die Tiefe an der Flanke und dass die Breite zur Tiefe wie fünf zu drei ist. So ist das eigentliche Verhältnis (des Kastens), (welches er) erhielt nach der Natur des menschlichen Körpers, der in Proportionen geschaffen ist – in wahrhaft ausgezeichneten, die nichts zuviel haben und nichts zu wenig. Dass sie auf (die Strecke) einer Elle oben zugeht, hat (Gott) in ausgezeichneter Anordnung verdeutlicht, denn der obere Teil des Körpers stellt die Einheit dar, weil im Kopf wie in einer Akropolis der König, der Verstand, als Bewohner residiert. Aber die (Körperteile) unterhalb des Halses lassen sich einteilen nach ihren Geschiedenheit – die Hände und mehr noch die unteren Glieder; denn die Oberschenkel, Unterschenkel sind paarig angelegt. Wer nun die besagte Maßangabe der ins Verhältnis gesetzten Ellen lernen möchte, wie ich angegeben habe, wird sie leicht verstehen.

Es gebührt sich aber nicht zu ignorieren, dass (die) Anzahl der Ellen, und zwar jede für sich, ihren gehörigen Sinn hat. Hierbei ist zu beginnen mit der ersten, der der Länge. Und zwar ergibt sich dreihundert aus der Addition aufeinanderfolgender Einheiten, durch Aufsteigen von eins bis vierundzwanzig, also: 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, 8, 9, 10, 11, 12, 13, 14, 15, 16, 17, 18, 19, 20, 21, 22, 23, 24. Aber vierundzwanzig, eine naturgegebene Zahl, verteilt sich auf die Stunden des Tages und der Nacht und (auch) auf die Buchstaben der geschriebenen Sprache. Addiert aus drei Kubikzahlen ist sie ganz, massiv und voll, ist sie randvoll an Gleichheit, denn die erste Dreiheit zeigt stets die Gerechtigkeit an, indem sie Anfang, Mitte und Ende umfasst; (sie) alle sind gleich. Und die Zahl acht ist die erste Kubikzahl, weil sie aus den anderen wiederum zuerst Gleichheit kenntlich macht. Noch zahlreiche andere Vorzüge hat die Vierundzwanzig, welche das innere Wesen der Dreihundert ist, wie gezeigt wurde; diese aber ist der erste.

Noch ein Punkt (zur dreihundert): Sie addiert sich aus <der> zwölf<ten> Quadratzahl, von der eins an gezählt, eine nach der anderen, und <einer> anderen Rechteckszahl[en] aus Zweiern (sukzessive summiert). Sie (die Rechteckszahl) addiert sich wiederum aus zwölf, die aus Zweiern bestehen, zu denen jeweils zwei hinzugefügt werden. Nun sind die ungeraden Zahlen, die sich zu zwölf Quadratzahlen addieren, diese: 1, 3, 5, 7, 9, 11, 13, 15, 17, 19, 21, 23. Deren Addition ergibt folgende Quadratzahlen: eins, vier, 9, 16, 25, 36, 49, 64, 81, 100, 121, 144. Und die geraden Zahlen, die die anderen Rechteckszahlen ergeben, sind diese: 2, 4, 6, 8, 10, 12, 14, 16, 18, 20, 22, 24; das sind 12. Aus diesen aber lassen sich (sukzessive) addieren: 2, 6, 12, 20, 30, 42, 56, 72, 90, 110, 132, 156, und diese sind wiederum zwölf. Sobald du nun die zwölf<te> Quadratzahl, die einhundertvierundvierzig, hinzufügst und die zwölf<te Rechteckszahl> aus den anderen Zweiern, die einhundertsechsundfünfzig, wirst du finden, dass dreihundert entstehen und eine Übereinstimmung der Ungeradheit, der Vollkommenen, hin zur Geradheit und zum Unendlichen. Denn das Ungerade und Vollendete ist Schöpfer von Gerechtigkeit, wie die Beschaffenheit der Quadratzahl (erwiesen hat), dass das Gerade und Unendliche jedoch (Schöpfer von) Ungerechtigkeit gemäß einer anderen Summe aus Summen. Aber das All ist zusammengesetzt aus Gleichheit und Ungleichheit. Daher hat der Weltschöpfer auch in der Vernichtung von Irdischem Gerechtigkeit walten lassen, wie er anhand des Kastens erwies.

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Das ist nun über die Dreihundert genug gesagt. Doch ist auch über die fünfzig zu sprechen, wie folgt:

Erstens nämlich ergibt sie sich aus einem rechtwinkligen (Dreieck), aus quadrierten (Seitenlängen), denn ein rechtwinkliges (Dreieck) ergibt sich aus (den Seitenlängen): drei, vier, fünf; aus diesen (ergeben sich) jedoch die Quadratzahlen: neun, sechzehn, fünfundzwanzig, deren Summe fünfzig ist.

Und zweitens werden fünfzig voll aus Einheiten von Dreieckszahlen, aus folgenden vier: 1, 3, 6, 10, und wiederum aus der Einheit von Gleichen, folgenden vier: 1, 4, 9, 16. Nun ergeben die Dreieckszahlen addiert die Zwanzig, jedoch die Viereckszahlen die dreißig, woraus fünfzig kommt. Und sobald Dreiecks- und Viereckszahl addiert werden, wird es das Siebeneck erzeugen, bis potentiell in der Fünfzig umfasst ist die herrscherliche und heilige Dreiheit, bei deren Anblick der Prophet (Mose) das Fest des Fünfzigsten (Tages) offenbarte. Das fünfzigste Jahr jedoch ist ganz frei und Freiheit gebend.

Drittes Theorem: Die drei aufeinanderfolgenden Quadratzahlen von der eins an und die drei aufeinanderfolgenden Kubikzahlen von der eins an ergeben fünfzig; und zwar sind die drei aufeinanderfolgenden Quadrate von der eins an folgende: 1, 4, 9, ergibt 14, und die Kubikzahlen folgenden: 1, 8, 27, ergibt 36; die Summe daraus ist fünfzig.

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Die Dreißig aber ist gleichfalls naturgegeben. Denn was unter den Einern die Drei ist, das ist unter den Zehnern die Dreißig. Auch der Umlauf des Mondes von Vollmond zu Vollmond ist der Monatsrhythmus.

Zweiten setzt sie sich zusammen aus den folgenden vier von der eins an aufeinanderfolgenden Quadratzahlen 1, 4, 9, 16 – ergibt dreißig.

Daher bezeichnet sie Heraklit nicht unpassend als „Generation“, indem er sagt, in dreißig Jahren könne in Mensch Großvater werden, denn er gelange um das vierzehnte Jahr zu Geschlechtsreife, in welcher es möglich sei zu zeugen; das Gezeugte aber, innerhalb eines Jahres entstehend, könne wiederum nach fünfzehn Jahren Seinesgleichen hervorbringen. Und von diesen Benennungen: Großväter, Väter, Enkel und: Mütter, Töchter und Enkelinnen vollenden sich Generationen.

6. Was heißt: Seitentür? Denn sie sagt: Die Tür sollst du seitwärts machen. (Gen 6,16)

Nicht weniger stellt diese „Tür“ den menschlichen Körperbau von der Seite her dar; (Mose) deutet sie höchst passend an, indem er diejenige Tür „seitlich“ nennt, durch welche der Abfall des Überflüssigen hinausgeworfen wird. Sehr gut hat es nämlich auch Sokrates gesagt – ob er es nun von Mose gelernt hat oder selbst darauf kam –, dass im Hinblick auf den Anstand unseres Körpers der Schöpfer von den Sinnesorganen weg auf die Rückseite die Ausgänge der Ausscheidungen weggelegt hat, damit wir nicht bei den Reinigungen die eigene Unreinheit zu Augen bekommen und Ekel haben müssen vor einem höchst hässlichen Anblick. Aus diesem Grund umgab er jenen Ort durch die ausgebuchtete Hüften, die er auch zu anderem Gebrauch als weichem Sitz verfertigte.

7. Warum sagt sie, es sollen Erdgeschossräume und solche im ersten und zweiten Obergeschoss entstehen? (Gen 6,16)

Ganz ausgezeichnet hat (die Schrift) auf die Gefäße des Essens angespielt, indem sie sie Erdgeschossräume nannte, da Essen verderblich ist und die Verderblichkeit ist die des unteren Teils, weil es (das Essen) nach unten sinkt. Denn nur wenig von den Speisen und Getränken wird abgegeben, dass wir uns davon ernähren; der größte Teil aber wird ausgeschieden und zu Kot kanalisiert. Eingeweide des dritten und zweiten Geschosses entstanden durch die Vorsehung des Schöpfers des Lebens zum (Zweck des) Bestehens des Entstandenen. Wenn er nämlich die Gefäße des Essens geradewegs vom Magen bis zum Gesäß gemacht hätte, wäre [...]das Schrecklichstes geschehen

Erstens beständiger Mangel und Hunger durch das Strömen des Aufgenommne und die sofortige Entleerung.

Zweitens eine schreckliche Unersättlichkeit. Sobald nämlich die Gefäße entleert werden, ist unvermeidlich, dass sich sofort Hunger und Durst einstellen, die unerbittlichsten Herren, und der Appetit sich steigert zum Unersättlichen und Unphilosophischen; denn nichts ist unmusischer als dem Bauch seine Zeit zu gönnen.

Drittens lauert hier auch der Tod auf, denn kurzlebig müssen diejenigen sein, die Essen und <zugleich> Hunger leiden, Trinken und zugleich Durst leiden, und die vor dem Sattwerden leer werden und hungern. Aber durch die Biegungen und Windungen der Eingeweide entgehen wir dem – Hunger, Unersättlichkeit, Kurzlebigkeit -, da eine gewisse Zeit die aufgenommene Nahrung innen bleibt, nicht so wie sie durchging sondern so wie sie durch Verwandlung werden musste. Denn sie wird im Bauch zunächst verflüssigt, dann in der Gegend der Leber als Flüssigkeit verdaut; so dann wird das, was das Nahrhafteste ist, an jeden der (Körper)Teile weitergegeben, neu(gebildeten) zum Wachstum, ausgebildeten jedoch zum Bestehen; das Übrige aber wird als Kot ausgeschieden und wandert als Überflüssiges hinaus. Für die Verteilung von alledem vergeht eine längere Zeit; mit Geschick bewirkt dies die Natur zum Bestehen (des Organismus).

Doch scheint mir der Kasten (als Analogie) zum menschlichen Körper genommen zu sein. Die Natur ist überaus lebensfreundlich, deswegen stellte er, als die Lebewesen vernichtet waren von der Sintflut, das Gegenstück der (verwüsteten) Erde her. Daher trug, was auch immer auf der Erde belebt gewesen war, der Kasten im allgemeinsten Sinne. Er (Gott) wollte, dass dasjenige, was auf den Wellen entstehen sollte, wie die Erde werden sollte, Mutter und Amme. Und dass sie nach der Art von Ernährern, sozusagen schwanger mit dem Entstehenden, im Inneren erwiesen wurde, durch die Sonne und den Mond und die Vielzahl der anderen Gestirne – und zugleich am ganzen Himmel, damit sie anhand dessen, was mit kunstvoll verfertigt worden war, (ihn) sehend, sie auch die Proportionen und die Harmonie des menschlichen Körpers deutlicher lernten. Denn dies wurde Anlass verschiedener Misshelligkeiten der Menschheit.

Denn nichts hat den Menschen so sehr versklavt wie die Säfte des menschlichen Naturells und die Leidenschaften, die durch sie entstehen, und mehr noch die bösen, süßen Lüste und Begierden.

8. Warum sagt sie: Die Flut werde kommen, alles Fleisch zu vernichten, worin Atem des Lebens ist unter dem Himmel? (Gen 6,17)

Fast hat sie das, was sie vorher andeutete, jetzt bloßgelegt. Denn für eine Vernichtung der Menschheit gab es keinen anderen Grund, als dass sie, Sklaven süßer Lüste und Begierden geworden, (daraus) alles taten und erlitten; weswegen sie in ein ganz und gar unglückliches Leben geraten waren. Doch fügt (die Schrift) ganz naturgemäß hinzu, indem sie sagt, der Ort des Lebenshauchs sei unter dem Himmel, demgemäss dass auch im Himmel Lebewesen sind. Denn glücklich ist nicht ein Leib, der aus himmlischer Substanz geworden ist, als ob nur er einen besonderen, wunderbaren Teil erhalten hätte, das Gute in den Lebewesen. Sondern es schien der Himmel um seinetwillen allererst würdig zu sein zu bewundernswerten göttlichen Bildern der Lebewesen, die insgesamt intelligible Geister sind, um einen Anteil an Lebendigkeit auch denen zu geben, die auf der Erde sind, aus Leben schaffender Kraft, und (Leben) einzuhauchen, denen (es) eingehaucht werden kann.

9. Warum sagt sie: Was auch immer auf Erden ist, wird sterben, denn was haben die Wildtiere gesündigt? (Gen 6,17)

Erstens, so wie wenn ein König im Kampf getötet wird, werden mit ihm auch die Streitkräfte geschlagen. So übte er auch jetzt Gerechtigkeit: Wo wie ein König das Menschengeschlecht vernichtet wird, werden mit ihm auch die Wildtiere vernichtet. Aus demselben Grund sterben notwendigerweise bei Seuchen zuerst die Wildtiere, und am meisten diejenigen, die mit den Menschen die Nahrung teilen und zusammenwohnen, wie etwa Hunde und ihresgleichen, danach die Menschen.

Zweitens: Wenn der Kopf abgeschnitten ist, macht niemand die Natur verantwortlich, da ja auch so viele andere Teile des Körpers zusammen mit ihm verenden; so soll auch jetzt niemand einen Vorwurf erheben. Denn gleichsam ein Haupt, das herrscht, ist der Mensch; sobald dieser vernichtet wird, ist es nicht verwunderlich, dass andere lebendige Wesen zusammen mit ihm umkommen.

Drittens: Die Wildtiere entstanden nicht um ihrer selbst Willen, wie die Rede weiser Leute ist, sondern für den Dienst und die Bedürfnisse und das Vergnügen des Menschen. Es ist gerecht, dass, sobald jene weggenommen werden, um dessentwillen sie (die Wildtiere) entstanden sind, ihnen gleichfalls des Lebens geraubt wird.

Dies ist der Wortsinn. Aber bezüglich des übertragenen Verständnisses können wir das Folgende sagen: Sobald die Seele von Strömen der Leidenschaft überschwemmt wird und in einem gewissen Sinn untergesunken ist, müssen auch jene, die auf Erden sind – womit ich das Irdische des Körpers meine – mit ihr sterben. Denn Tod ist ein Leben in Bosheit: Es verenden die sehenden Augen, sobald sie mit Unrecht sehen; und es verenden die hörenden Ohren, sobald sie zu mit Unrecht hören; auch stirbt jede Wahrnehmung, sobald sie mit Unrecht wahrnimmt.

10. Was heißt: Ich werde meine Verfügung dir gegenüber bestätigen? (Gen 6,18)

Erstens verkündet er, dass niemand Erbe der göttlichen Reichtums ist als nur der Tugendhafte.

Menschen werden nämlich beerbt, sobald sie nicht mehr sind, sondern tot sind. Gott jedoch, der ewig ist, gibt den Weisen [...]ihr jeweiliges Erbteil und freut sich an ihrem Besitz. Denn der, der alles besitzt, hat keinen Bedarf an irgendetwas, die jedoch, denen alles fehlt, besitzen in Wahrheit nichts. Daher tut er, milde und gütig, denen Gutes, die es wert sind, indem er ihnen das schenkt, wessen sie auch immer bedürften.

Zweitens schenkt er dem Weisen zusätzlich Erbschaften, denn er sagt nicht: Ich werde meine Verfügung mit dir bestätigen, sondern dir gegenüber, was heißt, "Du bist das gerechte Bündnis, welches ich dem Geschlecht der Vernünftigen bestätigen werde zu Besitz und Zierde (dener), die Tugend nötig haben."

11. Warum sagt sie: Geh, du und dein ganzes Haus, in den Kasten, denn ich sah dich als Gerechten vor mir in dieser Generation? (Gen 7,1)

Erstens (ist dies) ein klarer Beweis, dass um eines gerechten und heiligen Mannes willen viele Menschen gerettet werden aufgrund von Verwandtschaft, wie auch die Seeleute und ein Heer, sobald sie einen guten Kapitän erhalten haben, und die anderen einen im Kampf erfahren und guten Heerführer.

Zweitens lobt sie den rechtschaffenen Mann, der nicht nur für sich die Tugend erworben hat sondern auch für sein Haus, weshalb auch dieses der Rettung für wert geachtet wird. Ganz schön wurde auch dieses hinzugefügt: denn ich sah dich als Gerechten vor mir. Denn anders beurteilen Menschen die Lebensläufe, und anders (als) die Gottheit. Sie nämlich urteilen anhand des Sichtbaren, er aber (Gott) nach dem unsichtbaren Gedanken in der Seele.

Es ist nämlich bewundernswert, dass das darauf Folgende früher gesetzt wurde, wenn (die Schrift) sagt: in dieser Generation sah ich dich als Gerechten, damit es weder erscheint, als verurteile er (Gott) die Früheren, noch als schneide er den Kommenden die Hoffnung ab.

Dies ist der Wortsinn, jedoch übertragen: Sobald Gott den Herrscher rettet, den Verstand der Seele, welcher Hausherr ist, dann rettet er auch das ganze Haus mit ihm. Mit diesem meine ich alle die Teile und jene Dinge, die teilweise sind, und die Sprache, die nach außen gerichtet ist, und die körperlichen Dinge. Denn so wie in der Seele der Verstand ist, so ist im Körper die Seele. Durch Reflexion werden alle die Teile der Seele vergnügt, und ihr ganzes Haus erweist sich mit ihr als Wohltat. Sobald es jedoch der ganzen Seelen gut ergeht, dann erweist sich auch ihr Haus, der Körper, mit ihr als Wohltat durch Mäßigung und Einschränkung, (nachdem) die Unersättlichkeiten, welche Ursachen von Krankheiten sind, zuvor abgeschnitten wurden

12. Warum befiehlt er (Gott), von den reinen Tieren sieben (...), Männchen und Weibchen, jedoch von den nicht reinen zwei, Männchen und Weibchen, hineinzuführen, (...) um Nachkommenschaft weiterzuernähren auf der ganzen Erde. (Gen 7,2f)

In gottgeziemender Weise nennt (die Schrift) die Sieben rein die Zwei aber nicht rein, denn naturgemäß ist die Zahl Sieben wahrlich rein, insofern als sie jungfräulich ist und unvermischt und mutterlos, weder zeugend noch gezeugt werdend, wie eine jede Zahl, die in der Dekade ist, wegen ihrer Ähnlichkeit mit dem Seienden, denn er ist ungeworden und ungezeugt, und nichts wird durch ihn gezeugt, wenngleich er die Ursachen des Werdens und der Zeugungen ist, denn er bewegt die Kräfte des Alls, welche von Natur aus disponiert sind zum Werden des Gezeugten.

Aber die Zahl zwei ist nicht rein. Erstens, weil sie hohl ist und nicht kompakt; was aber nicht voll ist, ist auch nicht rein. Sodann [...]ist sie Anfang von Unendlichkeit und Ungeradheit: von Unendlichkeit wegen der Materie, von Ungeradheit jedoch wegen der Rechtecke. Denn was mit zwei multipliziert wird, sind alles Rechtecke. Aber das Ungleiche ist nicht rein, auch nicht das Materielle; das aber, was (von ihm) kommt, ist unvollkommen und unharmonisch, und es geht ihm die Voraussetzung der Reinheit ab, welche vollkommen macht: Sie macht von sich aus vollkommen durch die Musik der Harmonie und der Ausgewogenheit.

Dies ist die physikalische Deutung. Die ethischen jedoch soll nun angefügt werden: Das Unvernünftige unserer Seelen zerfällt in sieben Teile: in die fünf Sinne, das Sprechorgan und das der Fortpflanzung. Diese sind im Tugendhaften alle rein; auch sind sie von Natur aus weiblich, denn sie sind von der Spezies des Unvernünftigen; dem aber, der sie gut besitzt, (sind sie) männlich, denn die Gedanken des Tugendhaften verschaffen ihnen auch Tugend, da sie vom besseren Teil nicht gelassen werden, denn es ist ihnen nicht von dem besseren Teil erlaubt, voreilig und uneingeschränkt und ungezügelt zu den äußeren Sinnen zu kommen, sondern er dämpft sie und bringt sie zum richtigen Verhältnis zurück.

In dem Schlechten jedoch bringt die Bosheit Zwillinge hervor, gespaltenen Sinnes nämlich, und wankelmütig ist der Tor; er mischt das Unvermischbare und vermengt und verwirrt das, was getrennt werden könnte. Indem seine Seele solche Farben annimmt wie der Aussätzige an seinem Leib; er beschmutzt auch die gesunden Überlegungen durch das, was Tod und Mord bringt.

Jedoch wird der Natur gemäß (von der Schrift) der Grund für das Mitnehmen und die Bewahrung der Tiere hinzugefügt, nämlich wegen des Ernährens und Aufziehens – sagt sie – von Nachkommenschaft. Im Wortsinn: Wenn auch die Individuen zugrunde gehen können, wird wenigsten die Art erhalten durch Hervorbringen anderer, damit der göttliche Vorsatz, den er fasste bei der Welterschaffung, für immer unauslöschbar bleibe, indem er die Art bewahrt.

Aber im übertragenen Sinn war es nötig, dass auch die unvernünftigen (Bestandteile) der Seele (gerettet würden) (und) dass es gewisse samenähnliche Prinzipien reiner Bewegungen gäbe, auch unreiner. Denn die Natur des Menschen ist aufnahmefähig für Gegensätze, für Tugend wie für Schlechtigkeit, alles, was (die Schrift angedeutet hat) bei der Welterschaffung aller Dinge anhand des „Baumes“, welchen sie nennt „Erkennen von Gut und Böse“ (Gen 2,9), da unser Verstand, worin Wissen und Verstehen liegt, beides umfasst, das Gute und das Böse. Jedoch ist das Gute mit der Sieben verwandt, das Böse jedoch ist Bruder der Zwei. Aber es ist umfassender geworden bezüglich der Schönheit des philosophischen Gesetzes (und) hat gesagt, man solle Nachkommenschaft ernähren nicht nur an einem Ort sondern auf der ganzen Erde – sehr naturgemäß, zugleich jedenfalls auch sehr ethisch, denn dass in allen Gegenden und Abschnitten der Erde wiederum Nachkommenschaft der Lebewesen werden soll, ist sehr naturgemäß; und es ist gottgeziemend, die leergewordenen Orte von Neuem zu füllen mit Gleichen durch erneutes Hervorbringen.

Sehr ethisch ist es, dass die Substanz unseres Körpers, die erdig ist, nicht gänzlich übersehen wird, (als wäre sie) von Leben leer, verlassen und öde; sobald wir nämlich ein Leben in Säuferei, Fresssucht, Ausschweifung und überhaupt in Feuchtigkeit und Ausfluss führen, tragen wir den Körper als Leiche. Sobald aber Gott aus Mitleid die Flut der Laster abwendet und die Seelen trocken macht, wird begonnen werden, den Leib lebendig zu tragen und ihn zu beleben mit einer sehr reinen Seele, deren Führerin die Weisheit ist.

13. Weshalb vergehen nach dem Eingehen in den Kasten sieben Tage, nach welchen die Sintflut (kommt)? (Gen 7,4.10)

Erstens gewährt der Gnädige Raum zum Bereuen der Sünden, damit, sobald sie den Kasten sehen – der ein Gegenbild der Erde ist, welches der Zeitumstände wegen entstand und die Gattungen der Lebewesen speichert, deren einzelne Arten die Erde trug –, sie der Ankündigung, betreffs der Sintflut, Glauben schenken in Furcht vor dem Verderben aber auch jede Gottlosigkeit und Schlechtigkeit vernichten.

Zweitens stellt das Orakel deutlich das Übermaß der Milde des Heilands und Wohltäters dar, der die vieljährige Boshaftigkeit der Menschen, die sich fast von der Geburt bis ins Alter erstreckt, den Büßenden erlässt an wenigen Tagen. Denn die Gottheit ist nicht nachtragend und tugendliebend. Dementsprechend, sobald sie echte Tugend in einer Seele sieht, teilt sie ihr unbegrenzte Ehre zu, bis dahin, dass sie alles schenkt, was es an Ursachen für die früheren Vergehen noch gibt.

Drittens ist die Zahl von sieben Tagen, für die der Befehl (gilt), die Sintflut zurückzuhalten nach dem Eingehen in den Kasten, eine Erinnerung an die Entstehung der Welt, deren Geburtstag am siebten Tag begangen wird, wobei sie ausdrücklich den Vater zeigt, als ob (er spräche): „Ich bin es, der damals die Welt schuf und das Nichtsseiende ins Sein führt und der jetzt in einer großen Katastrophe, was auf der Erde ist, vernichten wird. Die Ursache aber für die Welterschaffung war meine eigene Güte und Milde, (Ursache) der künftig zu bewirkenden Zerstörung ist das Undankbarwerden und die Irreligion derer, die Gutes erhalten hatten. Und zwar legt er die sieben Tage dazwischen, damit die Kleingläubigen und die Ungläubigen die Welterschaffung bedächten und als Bittsteller vom Schöpfer aller Dinge den Bestand seiner Werke erbäten – und erbäten nicht mit Mund und Zunge mehr als mit dem Verstand der Berichtigung.

14. Weshalb fällt der Regen der Überschwemmung vierzig Tage hindurch und ebenso viele Nächte hindurch? (Gen 7,4.12)

Erstens wird Tag auf zweifache Weise gesagt: Erstens als diejenige Zeit, welche vom Morgen bis zu Abend reicht, vom Aufgang des Sonnenlichts bis zum Niedergang. Diejenigen, die es so definieren, sagen: „Es ist Tag, sobald die Sonne über der Erde ist.“ Jedoch ein zweites Mal wird Tag genannt, jener, der mit der Nacht gezählt wird. So sagen wir, dass der Monat dreißig Tage habe, indem wir zu ihm auch die Nachtzeit addieren. Nun, nachdem dies zuerst definiert ist, sage ich, dass nicht vergeblich dieses Wort in sich umfasst: vierzig Tage und vierzig Nächte hindurch, sondern damit es die zwei Zahlen anzeigt, die festgesetzt sind zur Entstehung des Menschen: die Vierzig und die Achtzig, wie es angezeigt wird von vielen anderen – von Ärzten, zugleich auch von Naturkundlern, am meisten aber von der heiligen Schrift des Gesetzes, welches ihr Physiologe war für den Anfang des Entstehens. Daher, als eine Vernichtung überall bevorstand – aller Männer und Frauen zugleich, wegen der Verbrechen von Zwietracht und Härte, worin sie sich übermäßig einig waren – beschloss der Richter für die Vernichtung eine angemessene Zeit festzusetzen, welche er festgesetzt hatte für die Erschaffung der (einzelnen menschlichen) Natur und die erste Belebung. Denn Anfang des Werdens ist die Ewigkeit in Teilen des Samens. Denn es war notwendig, den Mann zu ehren mit reinem und schattenlosem Licht; die Frau jedoch, weil sie eine Mischung war, mit Nacht und Dunkelheit, auch ein Gemisch <...>. Deshalb bringt bei der Erschaffung des Universums die Ungeradheit des Männlichen, von der Einheit an aufgereiht, die Quadratenzahlen hervor, das Weibliche jedoch die gerade Zahl ab der zwei, die anderen Rechtecke. Nun sind die Quadratzahlen Glanz und Licht, aus der Gleichheit der Seiten bestehend. Die anderen rechteckigen Zahlen jedoch haben Nacht und Dunkelheit wegen ihrer Ungleichheit, denn das Übermäßige wirft einen Schatten auf das, was unter den Exzess fällt.

Zweitens ist die Zahl vierzig eine Kraft, die vieles hervorbringt, wie woanders gezeigt worden ist, und wird sehr oft als Hinweis genommen auf die Gesetzesgebung, sowohl bezüglich derer, die in Geradheit etwas erreicht haben an Lob und Ehre, als auch bezüglich derer, die wegen Verstößen strafens- und tadelnswert werden; doch ein ausdrückliches Zeugnis zu bringen, würde eine lange Rede werden.

15. Was heißt: Ich werde auswischen das gesamte Wachstum, das ich gemacht habe, vom Angesicht der Erde. (Gen 7,4)

Habt ihr euch beim Hören nicht vielleicht sehr gewundert über die Schönheit des Gemeinten. Es heißt nicht „von der Erde tilgen“ sondern vom Angesicht der Erde, das heißt von der Oberfläche, damit in der Tiefe die Lebenskraft aller Samen gesund erhalten bleibe und unversehrt von allem, was schaden könnte. Sein eigenes Vorhaben hat der Schöpfer nämlich nicht vergessen; sondern er zerstört zwar das, was sich oben auf der Oberfläche bewegt, die tiefen Wurzeln aber lässt er zum Entstehen von anderem.

Gottgeziemend aber steht auch das ich werde auswischen geschrieben, es geschieht nämlich, sobald etwas ausgewischt wird, dass zwar die Schrift verschwindet, die Tafeln oder Bücher aber bleiben. Damit erweist (die Schrift), dass er (Gott) ein oberflächliches Geschlecht wegen Gottlosigkeit wegwischt, wie eine Schrift, das Land aber und den Bestand des Menschengeschlechts wird er bewahren zu erneuter Aussaat. Damit stimmt auch das Folgende überein; denn zu dem ich werde auswischen ist gesetzt das Wachstum von Pflanzen“. Zu Wachstum aber ist das Gegenteil Vernichtung; das Vernichtete aber verliert seine Qualität, aber Wesen und Materie behält es.

Dies ist der Wortsinn. Übertragen aber ist die Flut ein Symbol geistlicher Auflösung. Und so, sobald wir durch die Gnade des Vaters vom Verstand abwerfen und abwaschen wollen alles Wahrnehmbare und Körperliche, womit er wie mit Geschwüren befleckt war, wird er überschwemmt wie ein salziger Tümpel von Süß(wasser)strömen und trinkbaren Quellen.

16. Warum sagt sie: Noe tat alles, was der HERR, Gott, ihm aufgetragen hatte? (Gen 7,5)

Großes Lob für den Gerechten: Erstens, weil er nicht einen Teil sondern alle Befehle ausführte mit starker Überzeugung und gottliebendem Verstand. Zweitens aber, weil er (Gott) nicht so sehr befehlen als vielmehr auftragen will: Es befehlen nämlich Herren den Dienern, Freunde aber tragen auf, insbesondere die Älteren den Jüngeren. Ein bewundernswertes Geschenk wäre es doch wohl, selbst im Rang von Sklaven und Dienern Gottes eingestuft zu werden; Übermaß der Wohltat aber ist es, sobald ein Gewordener Freund des Ungewordenen wird. Mit Absicht aber verwendete (die Schrift) hier beide Wörter; sie spricht von den obersten Kräften, der vernichtenden und der wohltätigen, und setzte zunächst HERR, womit sie die wohltätige an zweiter Stelle stellt, Gott. Denn es ist Zeit des Gerichts: Es gehe voran, sagt sie, die vernichtende. Jedoch ist der König freundlich, wohltätig und mild, und lässt als Reste samenhafte Anfänge, durch welche das Freigewordene gefüllt werden soll. Deswegen (steht) am Anfang des Geschaffenen „es werde“ (Gen 1), keine vernichtende Kraft, sondern die wohltätige. So wechselte er bei der Welterschaffung die Benennungen. Denn, wenn er Gott genannt wird, ist (es die) wohltätige, diese häufig benutzend, schuf er die Gesamtheit des Universums. Aber nachdem all dies vollendet worden war, wurde er auch „HERR“ genannt in der Welterschaffung (Gen 2,4ff); und dies ist sein königlicher und vernichtender Name. Denn, wo es ein Lebendigwerden ist, wird „Gott“ vorangestellt, wo es aber ein Strafgericht ist, wird „HERR“ vor „Gott“.

17. Warum (sagt sie): Im sechshundertsten Jahr des Lebens Noes geschieht die Flut, im siebten Monat, am siebenundzwanzigsten des Monats? (Gen 7,11)

Vielleicht wäre es passend gewesen, dass der Gerechte am Beginn des Monats geboren wird, im ersten Monat der Zeit nach, am Anfang jenes Jahres, in der es Sitte ist, einen heiligen Monat feierlich auszurufen. Denn (sonst) hätte (die Schrift) nicht so genau den Monat und die Tage bezeichnet, wo die Flut geschah, sowohl den siebten Monat als auch den siebenundzwanzigsten Tag bezeichnend. Aber vielleicht zeigt sie hierdurch die Zeit um die Frühlings-Tag-und-Nachtgleiche an, denn sie tritt im siebten Monat immer am siebenundzwanzigsten auf. Aber warum fällt die Flut auf die Frühlings-Tag-und-Nachtgleiche? Weil zu dieser Zeit Wachstum und Geburten aller Lebewesen insgesamt und Pflanzen stattfinden. Nun dürfte eine Bestrafung die um so schrecklichere Drohung darstellen zur Zeit des Wachstums und der Wohlgenährtheit aller Herden, sobald in der Frucht das Böse hereinbricht als Züchtigung für die Gottlosigkeit (jener), die die Bestrafung erleiden werden. Denn (die Schrift) sagt offenbar, die Natur aller Dinge enthält in sich selbst das Ihre in reicher Fülle – Weizen, Gerste und alles, was sich nur irgend aussäht –, im Zustand des Austreibens, und sie beginnt die Früchte der Bäume zu treiben. Aber ihr verderbt als Sterbliche seine Gnadengaben, womit ihr auch die Absichten der göttlichen Gaben verderbt. Denn, wenn die Flut zufällig zur herbstlichen Tag-und-Nachtgleiche stattgefunden hätte, wo es nichts auf der Erde gibt, aber alles in seiner Fülle gesammelt wird, würde es weniger als Strafe gegolten haben als vielmehr als Wohltat: Wassers reinigt Ebenen und Berge. Zu jener Zeit jedenfalls entstand der erste Erdgeborene, den die göttliche Anordnung Adam nennt. Denn es war sinnvoll, dass der Urheber des Menschengeschlechts oder der Urahn oder der Vater oder, wie auch immer man jenen Allerältesten nennt soll, zur Zeit der Frühlings-Tag-und-Nachtgleiche geformt würde, in der das Irdische randvoll ist mit Früchten. Frühlings-Tag-und-Nachtgleiche aber erfolgt im siebten Monat, derselbe heißt auch erster nach jeweils abweichender Auffassung. Weil nun auch Noe nach der Vernichtung durch die Sintflut zum ersten Anfang wird für die zweite Ausbreitung von Menschen gleicht er dem ersten Erdgeborenen weitestmöglich. Nun hat das sechshundertste Jahr als seinen Ursprung die Zahl sechs; die Welt wurde aber anhand der Zahl sechs geschaffen; daher wiederum überführt er dadurch die Täter des Unrechts und beschämt sie; denn in keiner Weise würde der, der das All durch die Sechs zeugte, die Irdischen vernichtet haben durch die Form der Sechs, wäre nicht das Übermaß der Gesetzlosigkeiten gewesen. Denn eine Sechsergestalt, (aber nur) dritte und kleinste, ist die Sechshundert, und Mitte der beiden die Sechzig. Denn ein deutlicheres Abbild der Eins stellen die Zehner dar und schwächeres die Hunderter.

18. Was heißt: Alle Quellen des Abgrunds brachen auf und die Wasserfälle des Himmels wurden geöffnet? (Gen 7,11)

Der Wortsinn ist klar; denn es wird dargelegt: Prinzipien und Äußerstes des Alls sind Erde und Himmel, vereint zur Verurteilung und Vernichtung der Sterblichen, wobei die Wasser aufeinander stießen; einiges quoll von der Erde empor und einiges strömte vom Himmel herab. Und noch klarer wird gesagt: Quellen brachen auf, denn wo es Aufbruch gibt, wird der Elan ungehindert.

Aber im übertragenen Sinn ist dies zu sagen: Der Himmel ist symbolisch der menschliche Verstand, und die Erde ist Wahrnehmung und Körper. Und große Verwirrung greift Platz, sobald das eine nicht bestehen bleibt, sondern die beiden gemeinsam Täuschung betreiben. Was meine ich damit? Oftmals verhält sich der Verstand verstellt und bösartig und bitter zu allen Dingen; jedoch die Sinnesfreuden des Körpers werden zurückgehalten. Und oft geschieht das Gegenteil, dass das Umgekehrte eintrifft: Die Sinnesfreuden werden beglückt; sie schlängeln sich vorwärts, genährt von einem weichlichen und üppigen Leben. Die Zielhäfen dieser Dinge sind Sinnlichkeit und der Körper. Wenn der Verstand, die Dinge ignorierend, bei sich bleibt, nehmen sie ab und schwinden; sobald sie jedoch aber beide zusammentreffen und alle Gedanken sich in Bosheit ergehen und der Körper mit allen Empfindungen überflutet wird und mit allen Lastern bis zur Sättigung sich ergeht, werden wir überflutet. Und dies ist wahrlich eine große Überschwemmung, sobald Ausflüsse des Verstandes geöffnet werden durch boshafte Handlungen, Verstiegenheiten, unersättliche Begierden, Ungerechtigkeiten, Torheiten, Unbedachtheiten und Entheiligungen – und sobald Quellen des Körpers geöffnet werden durch Sinnesfreuden, Begierden, Berauschungen, Schwelgereien und Obszönitäten mit Verwandten und Schwestern und unheilbaren Lastern.

19. Was heißt: Gott schloss von außen seinen Kasten zu? (Gen 7,16)

Da wir gesagt haben, dass der Bau des menschlichen Körpers symbolisch durch den Kasten angezeigt wird, ist auch zu beachteten, dass unser Körper rings eingeschlossen wird durch eine robuste Haut, rings umschlossen zur Bedeckung aller Teile. Denn diese hat die Natur gewissermaßen als Kleidungsstück gemacht, damit weder Kälte noch Hitze Schaden zufügen können.

Der Wortsinn ist klar. Denn mit Sorgfalt wird der Kasten geschlossen durch die göttliche Kraft zu seiner Bewahrung, damit nicht an irgendeiner Stelle das Wasser eindringt, da er dazu bestimmt war, ein ganzes Jahr auf den Wellen getragen zu werden.

20. Was heißt: Das Wasser nahm zu und hob den Kasten und er wurde getragen auf dem Wasser? (Gen 7,18)

Der Wortsinn ist klar; aber folgendermaßen ist zu allegorisieren: Unser Körper muss in einem gewissen Sinn das Meer überqueren und, auf den Wellen getragen, den Bedürfnissen, hinweggehen über Hunger und Durst, Kälte und Hitze, von denen er auf- und niedergeworfen, geschüttelt und gerüttelt wird.

21. Warum wurde das Wasser fünfzehn Ellen höher als alle hohen Berge? (Gen 7,20)

Es ist zu wissen, dem Wortsinn nach, dass es nicht im Vergleich zu allen hohen Bergen um fünfzehn Ellen höher war, sondern im Vergleich zu den spitzesten und höchsten; gegenüber den niedrigeren war es noch mehr.

Doch muss man dies allegorisch nehmen, denn (als) hohe Berge deutet (die Schrift) in unserem Körper die Sinne an, da sie passenderweise auf dem Gipfel, in unserem Kopf, ihren festen Sitz haben. Es sind nämlich fünf, alle jeweils dreifach betrachtet, so dass sich insgesamt fünfzehn ergeben: Gesicht, Gesehenes, Sehen; Gehör, Gehörtes, Hören; Geruch, Gerochenes, Riechen; Geschmack, Geschmecktes, Schmecken; Berührung, Berührtes, Berühren. Dies sind die fünfzehn Ellen, die oben herausragten. Denn auch sie werden überschüttet vom unablässigen Ansturm von Leidenschaften und werden verdorben von Übeln.

22. Was heißt: Alles sich bewegende Fleisch starb? (Gen 7,21)

Ausgezeichnet und naturgemäß nennt (die Schrift) sich bewegendes Fleisch das im Verderben (befindliche). Denn das Fleisch setzt die Sinnesfreuden in Bewegung und wird von den Sinnesfreuden bewegt, eine Bewegung, welche Ursache des Verderbens für die Seele ist, wie die Enthaltsamkeit (Ursache des) Heils.

23. Was heißt: Alles, was auf dem Trockenen Boden war, starb? (Gen 7,22)

Der Wortsinn ist offenkundig: In der großen Flut wurde alles, was überhaupt auf der Erde war, gänzlich vernichtet.

Aber im übertragenen Sinn gilt: Wie das Holz von Bäumen, sobald er trocken ist und dürr, rasch vom Feuer verzehrt wird, so auch die Seele, wenn sie nicht mit Weisheit vermischt ist und mit Gerechtigkeit und mit Frömmigkeit und mit anderen derartigen Tugenden, die allein die Gedanken erfreuen können, verdorrt sie und trocknet sie aus wie eine nicht keimende, nicht säende Pflanze oder wie ein alter Baumstumpf und stirbt der Sintflut des Körper überlassen.

24. Was heißt: Er wischte alles Wachstum aus, das auf dem Angesicht der Erde war? (Gen 7,23)

Der Wortsinn findet eine deutliche Erklärung. Doch lässt sich folgendermaßen allegorisieren: Nicht von ungefähr spricht (die Schrift) von Wachstum , denn dies ist der Name von Anmaßung und Überheblichkeit, wodurch die Menschen sowohl die Gottheit wie auch menschliche Rechte verachten. Anmaßung und Überheblichkeit jedoch erscheinen auf der Oberfläche unserer irdischen und körperlichen Natur mehr eher, wo das Gesicht hochgehoben und die Stirn gerunzelt ist. Denn es gibt manche, die mit ihren Unterschenkeln herangehen, aber mit Brust, Hals und Kopf pendeln, zurückschwingend wie eine pendelnde Waage: Mit der Hälfte des Körpers, mit den Unterschenken, kommen sie vorwärts, jedoch, von der Brust aufwärts, lehnen sie sich zurück wie jene, deren Rückrat und Nacken schmerzt, deren natürliches Bücken verhindert wird. Es war jedoch angebracht, alle Derartigen auszutilgen aus der Erinnerung des HERRN und aus der göttlichen Geschichteschreibung.

25. Was heißt: Allein Noe blieb übrig und, die mit ihm im Kasten waren? (Gen 7,23)

Der Wortsinn ist klar. Aber übertragen dürfte es etwa Folgendes sein: Der Verstand schneidet wie bei einem Baum alles schädliche Wachstum, das auf ihm sich auswächst und ihm die Nahrung aussaugt, von sich ab. Damit meine ich Maßlosigkeiten der Leidenschaften und Boshaftigkeiten und ihre Auswirkungen. Er wird allein zurückgelassen mit dem, was zu ihm gehört. Und es gehören zu jedem einzelnen besonders all diejenigen Gedanken, die tugendgemäß geordnet werden. Daher wird noch angefügt: Er allein blieb übrig und, die mit ihm waren, um einen deutlichen Eindruck der wahrhaftigsten Freude zu geben. Und er blieb im Kasten, ich meine im Körper, der rein war von allen Leidenschaften und geistigen Schwächen, nachdem es ihm noch nicht ermöglicht worden war, ganz unkörperlich zu werden.

Doch Dank soll auch dieser Wohltat wegen dem Retter und Vater gegeben werden, dafür dass er den (Leib als) Partner bekam, nicht mehr als Herrn sondern unter seiner Herrschaft. Deswegen wird sein Körper nicht von der Flut verschlungen, sondern, oberhalb der Flut, nicht verdorben durch die Strudel der Wasserfälle, welche ringsum sprudeln lassen, ungezügelte und lüsterne und schlüpfrige Lebensweise und der nichtige Wille.