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An die Heimat

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Chorlieder mit Klavier von Brahms und Reger

14. Juni,  Petrikirche, Münster, 19:30 Uhr, Eintritt frei, Klavier: Tilman Wolf

Programm

Johannes Brahms: Drei Quartette op. 64
An die Heimat / Der Abend

Clara Wieck-Schumann
Quatre Pièces caractéristiques op. 5: Nr. 3 Romance

Max Reger: Drei Chöre op. 6
Trost / Zur Nacht / Abendlied

Felix Mendelssohn
Sechs Lieder ohne Worte op. 19b Nr. 1

Johannes Brahms: Vier Quartette op. 92
O schöne Nacht / Spätherbst / Abendlied /Warum

Felix Mendelssohn: Elias op. 70
Nr. 28: Hebe deine Augen auf / Nr. 7: Denn er hat seinen Engeln

  • Johannes Brahms: Drei Quartette op. 64

    An die Heimat

    Heimat!
    Wunderbar tönendes Wort!
    Wie auf befiederten Schwingen
    Ziehst du mein Herz zu dir fort,
    Jubelnd, als müßt' ich den Gruß
    Jeglicher Seele dir bringen,
    Trag' ich zu dir meinen Fuß,
    Freundliche Heimat!

    Heimat!
    Bei dem sanftklingenden Ton
    Wecken mich alte Gesänge,
    Die in der Ferne mich flohn;
    Rufen mir freudenvoll zu
    Heimatlich lockende Klänge:
    Du nur allein bist die Ruh',
    Schützende Heimat!

    Heimat!
    Gib mir den Frieden zurück,
    Den ich im Weiten verloren,
    Gib mir dein blühendes Glück!
    Unter den Bäumen am Bach,
    Wo ich vor Zeiten geboren,
    Gib mir ein schützendes Dach,
    Liebende Heimat!

    Otto Julius Inkermann (1823-1862)
    Pseudonym: C. O. Sternau

    Der Abend

    Senke, strahlender Gott - die Fluren dürsten
    Nach erquickendem Tau, der Mensch verschmachtet,
    Matter ziehen die Rosse -
    Senke den Wagen hinab!
    Siehe, wer aus des Meers kristallner Woge
    Lieblich lächelnd dir winkt! Erkennt dein Herz sie?
    Rascher fliegen die Rosse,
    Tethys, die göttliche, winkt.

    Schnell vom Wagen herab in ihre Arme
    Springt der Führer, den Zaum ergreift Cupido,
    Stille halten die Rosse,
    Trinken die kühlende Flut.

    An dem Himmel herauf mit leisen Schritten
    Kommt die duftende Nacht; ihr folgt die süße
    Liebe. Ruhet und liebet!
    Phöbus, der liebende, ruht.

    Friedrich Schiller (1759-1805)

  • Max Reger: Drei Chöre op. 6

    Trost

    Es ist kein Weh auf Erden so heiss, so laut, so wild,
    die Sühne soll ihm werden, sei still so wird's gestillt!
    Und ist kein Tod vorhanden; was Liebes du begräbst,
    gleich ist's dir auferstanden, wie du nur treu ihm lebst.
    Auch gibt's kein wirklich Scheiden, der Trennung öden Schmerz,
    du brauchst ihn nie zu leiden, bleib nah nur Herz an Herz.
    In ihres Mantels Falten trägt Gottes Lieb die Welt,
    wer sich von ihr lässt halten, den sie gar treulich hält.

    Karl Altmüller (1833 - 1880)

    Zur Nacht

    Nun fallen die Augen
    Müde mir zu,
    Komm, Engel des Schlummers,
    Hüte die Ruh';
    Komm', halte am Bette
    Freundliche Wacht,
    Und kosige Träume
    Webe, o Nacht;
    Und schlürfe, was nimmer,
    Seele, wohl du
    Geathmet im Lichte:
    Friede und Ruh'!

    Franz Engel (1834 - 1920)

    Abendlied

    Friedlicher Abend senkt sich aufs Gefilde;
    Sanft entschlummert Natur, um ihre Züge
    Schwebt der Dämmerung zarte Verhüllung, und sie
    Lächelt, die holde;

    Lächelt, ein schlummernd Kind in Vaters Armen,
    Der voll Liebe zu ihr sich neigt; sein göttlich
    Auge weilt auf ihr, und es weht sein Odem
    Über ihr Antlitz.

    Nikolaus Lenau (1802-1850)

  • Johannes Brahms: Vier Quartette op. 92

    O schöne Nacht!

    O schöne Nacht!
    Am Himmel märchenhaft erglänzt der Mond
    In seiner ganzen Pracht;
    Um ihn der kleinen Sterne
    Liebliche Genossenschaft.

    O schöne Nacht!
    Es schimmert hell der Tau am grünen Halm;
    Mit Macht im Fliederbusche
    Schlägt die Nachtigall;
    Der Knabe schleicht zu seiner Liebtsten sacht.
    O Schöne Nacht!

    Georg Friedrich Daumer (1800-1875)

    Späthersbst

    Der graue Nebel tropft so still
    Herab auf Feld und Wald und Heide,
    Als ob der Himmel weinen will
    In übergroßem Leide.

    Die Blumen wollen nicht mehr blühn,
    Die Völglein schweigen in den Hainen,
    Es starb sogar das letzte Grün,
    Da mag er auch wohl weinen.

    Hermann Allmers (1821-1902)

    Abendlied

    Friedlich bekämpfen
    Nacht sich und Tag;
    Wie das zu dämpfen,
    Wie das zu lösen vermag!

    Der mich bedrückte,
    Schläfst du schon, Schmerz?
    Was mich beglückte,
    Sage, was war’s doch, mein Herz?

    Freude wie Kummer,
    Fühl ich, zerrann,
    Aber den Schlummer
    Führten sie leise heran.

    Und im Entschweben,
    Immer empor,
    kommt mir das Leben
    Ganz wie ein Schlummerlied vor.

    Friedrich Hebbel (1813-1863)

    Warum?

    Warum doch erschallen
    Himmelwärts die Lieder?
    Zögen gerne nieder
    Sterne, Die droben
    Blinken und wallen,
    Zögen sich Lunas
    Lieblich Umarmen,
    Zögen die warmen,
    Wonnigen Tage
    Seliger Götter
    Gern uns herab!

    Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832)

  • Felix Mendelssohn: Elias

    Nr. 28 Terzett

    Hebe deine Augen auf zu den Bergen,
    von welchen dir Hilfe kommt.
    Meine Hilfe kommt vom Herrn,
    der Himmel und Erde gemacht hat.
    Er wird deinen Fuß nicht gleiten lassen,
    und der dich behütet, schläft nicht.

    Psalm 121,14

    Nr. 7 Doppelquartett

    Denn Er hat seinen Engeln befohlen über dir,
    daß sie dich behüten auf allen deinen Wegen,
    daß sie dich auf den Händen tragen
    und du deinen Fuß nicht an einen Stein stoßest.

    Psalm 91, 11–12

  • Zum Programm

    Johannes Brahms Drei Quartette op. 64 – An die Heimat

    Als Norddeutscher im Wiener Exil: Ein großer Kulturschock und für den Hamburger Johannes Brahms wohl eine einschneidende Erfahrung. Das Heimweh überwältigte ihn so sehr, dass er an einem einsamen Weihnachtsabend 1863 die Sehnsucht nach der heimischen Küste in Musik goss: „Heimat“ seufzt der Chor unisono und leitet damit seinen Quartettzyklus op. 64 ein, „Heimat, wunderbar tönendes Wort“. Dabei erliegt Brahms aber nicht der Versuchung des Kitschs:

    Das zugrundeliegende Gedicht „An die Heimat“ von Sternau würde man mit seinem sentimentalen Ton als typischen schwelgerischen Männerchor erwarten, stattdessen zeigt Brahms im kunstfertigen Zusammenspiel von Chor und Klavier seine kammermusikalische Meisterschaft, die die 3 Strophen des Gedichts zu einer festlichen Motette verbindet. Die Heimat findet Brahms im Lied, in der Musik: „heimatlich lockende Klänge, nur du allein bist die Ruh“.

    Das zweite Lied des Zyklus‘ „Der Abend“ schrieb Brahms 10 Jahre später, bei einem Sommeraufenthalt am Zürcher See. Die Ruhe eines Sommerabends durchfließt das Lied, die Hitze und Geschäftigkeit des Tages kommt zum Erliegen. Den hohen mythologischen Ton des Gedichts Schillers, das den halben griechischen Götterpantheon heraufbeschwört, konterkariert Brahms durch die schlichte musikalische Gestaltung, die sich ganz auf die innere Empfindung konzentriert: „Ruhet und Liebet!“

    Max Reger: Drei Chöre op. 6

    Bei Familie Reger herrschte große Sorge – da hatte man den jungen 17-jährigen Spross Max noch mit großem Stolz aus der bayerischen Provinz an das Wiesbadener Konservatorium geschickt, sah seiner glanzvollen Karriere entgegen, musste aber den Briefen seines Kompositionslehrers Riemann dann entnehmen, dass sein hochbegabter Schüler in Gefahr war, der Großstadt zum Opfer zu fallen. Und das trotz bester Veranlagung und katholischer Erziehung. Er rauchte, las Nietzsche, verkehrte fast ausnahmslos mit Protestanten, und das schlimmste war: Er trank statt Bier („Was ist das Bier doch für ein gemeines Gesöff“) nur noch Wein.

    Das Bohème-Leben hatte Reger fest im Griff. Als freier Künstler blickte man selbstverständlich auf die konformen jungen Adelssöhne und reichen Unternehmer, die das wilhelminische Wiesbaden bevölkerten, herab. Statt Pickelhaube trug man im Gedenken an italienische Freiheitskämpfer riesige Hüte. Es galt auf den Spuren des Schiller’schen Idealismus das eigene Leben durch die freie Kunst zu veredeln, ein Anspruch, der Reger als Erben der Romantik ein Leben lang begleitete.

    Die Sorgen der Eltern konnte Reger aber durch seine außergewöhnlichen Werke zerstreuen, dass „der Reger einmal ein bedeutender Kerl werden wird“, war sich sein Lehrer sicher. Unter den Frühwerken sticht sein op. 6 hervor, Regers erstes Chorwerk. Es zeigt, wie sehr Reger die Ansprüche seines Mentors verinnerlicht hatte, für den deutsche Polyphonie als höchste Form der Musik galt. Mit seiner ernsten Kunstauffassung stieß er bei seinen Studienkollegen aber auf Unverständnis: „Der Reger komponiert nicht, sondern berechnet“. Aber gerade seine „Drei Chöre“ zeigen, dass sich Formstrenge und schwärmerischer Ausdruck nicht ausschließen müssen.

    Passenderweise attestierte die Kritik dem Werk „ein ganz und gar Brahms’sches Gepräge“ und lobte „ein romantisches Hell-Dunkel (…), dessen Wirkung das begleitende Klavier vortrefflich zu heben weiss.“ Mit seinen kühnen Harmonien zeigte sich Reger als Komponist, der zwar an Brahms geschult wurde, aber schon früh auf eigenen Beinen stehen konnte. Notorisch knapp bei Kasse, finanzierte sein op. 6 ihm die Fahrt in den Sommerurlaub.

    Johannes Brahms: Vier Quartette op. 92 – O schöne Nacht

    Auch wenn er sich anfangs gesträubt hatte – spätestens 1871 war Brahms dem Charme der Donaumetropole erlegen und hatte Wien zu seiner neuen Heimat gemacht. Hier, in Beethovens Stadt, spürte er an jeder Ecke das Erbe des musikalischen Giganten. Aber vielleicht legte gerade das die nötigen kreativen Energien frei, um sich aus seinem Schatten zu befreien und endlich die Sinfonien komponieren zu können, um die er so lange im Anschluss an Beethoven gerungen hatte.

    Parallel zu den vier großen Sinfonien Brahms‘ entstanden die einzelnen Chorsätze aus op. 92, denen die Ruhe eines gereiften Komponisten anzumerken ist, der sich musikalisch gefunden hat. Op. 92 erscheint deutlich introvertierter als op. 64, wie eine einzige Nocturne. In seiner neuen Heimat haderte Brahms nur mit so mancher moralischer Engstirnigkeit der Aristokraten. Auch nur Andeutungen amouröser Abenteuer waren seinen Mäzenen zu viel. Das sei nur etwas für die vulgäre Landbevölkerung und nicht sittsam für die Kunst, musste sich Brahms anhören.

    Bei der Komposition von „O schöne Nacht“, dem Eröffnungsstück seines op. 92, waren ihm aber tatsächlich wieder empörende Indiskretionen unterlaufen: „Der Knabe schleicht zu seiner Liebsten sacht“, lässt uns der Chor wissen. Von seiner eigenen Kühnheit überrascht, notierte Brahms selbstkritisch auf dem Manuskript: „Halt, lieber Johannes, was machst du! Von solchen Sachen darf man höchstens im Volkston reden, den hast du leider wieder vergessen! Nur ein Bauer darf fragen ob er bleiben darf oder gehen soll – Du bist leider kein Bauer! Kränke nicht das holde Haupt, von goldner Pracht umflossen – machs kurz, sage einfach nochmals: O schöne Nacht!“

    Abbitte leistet das zweite Stück „Spätherbst“, das den liebestollen Knaben im düsteren Herbstnebel zurücklässt. Spannungsvoll wird das Tropfen des Nebels in hinabgleitenden Verzierungen in immer neuen harmonischen Varianten hörbar. Das „Abendlied“ kehrt wieder zu der warmen nächtlichen Stimmung des ersten Chorsatzes zurück. Ohne dass sich das Tempo verändert, lässt Brahms den Chor am Ende in seligen Schlaf fallen: „kommt mir das Leben/ganz wie ein Schlummerlied vor“. Aus diesem schreckt er aber mit der titelgeben-den drängenden Frage „Warum?“ des letzen Stücks wieder auf.

    Felix Mendelssohn – Elias

    Mendelssohns „Elias“ gehört zu den großen romantischen Oratorien. Ist einmal nicht die gesamte Stärke des großen Chores gefragt, weil die Intimität der Gottesbeziehung thematisiert wird, greift Mendelssohn auf eine reduzierte Besetzung zurück. Diese Stücke setzten den Schlusspunkt des heutigen Konzerts und geben gleichzeitig einen Ausblick auf die Aufführung des gesamten Oratoriums durch den Unichor Münster und das Ensemble 22: Am 22.6. um 18:00 Uhr in St. Bonifatius Lingen und am 23.6. um 18:00 Uhr in der Kreuzkirche Münster. Herzliche Einladung!