Der Forschungsschwerpunkt Diversität.Leben befindet sich aktuell im Aufbau. Daher sind bislang noch keine konkreten Forschungsthemen/-projekte festgelegt. Die nachfolgend aufgeführten Forschungsthemen knüpfen an die Interessensgebieten der beteiligten Hochschullehrer_innen an. Sie stellen exemplarische erste Vorschläge dar und sind als Anregung für mögliche Themensetzungen in Qualifikationsvorhaben zu verstehen.

  • Sozialpädagogische Handlungsfelder zeichnen sich seit ihrer Entstehung durch eine dynamische Bezugnahme auf variierende und sich über die Zeit wandelnde Diversitätsdimensionen aus, die sich in Adressat_innenkonstruktionen widerspiegeln. Besonders deutlich wird dies z.B. anhand der Einführung des Kinder- und Jugendstärkungsgesetz (2021), durch das Behinderung als bedeutsame Diversitätsdimension, zusätzlich zu den bereits vorhandenen, in den Mittelpunkt sozialpädagogischen Handelns rückt. Der Wandel und die Intersektionalität von der Diversitätsdimensionen stellen hohe Anforderungen an alle Fachkräfte der (inklusiven) Kinder- und Jugendhilfe. Diversitätssensible (intersektionale) Forschung hat somit eine hohe Aktualität und Relevanz für die professionelle Arbeit in der Kinder- und Jugendhilfe und könnte den Wandel des Feldes empirisch untersuchen und zugleich wichtige Entwicklungsimpulse liefern.

    Ideengeber: Onno Husen

  • Mit Blick auf den Bildungserfolg und die gesellschaftliche Teilhabe von sozial benachteiligten Kindern und Jugendlichen kommt der systematischen, inklusionsorientierte Weiterentwicklung der multiprofessionellen Kooperation von Schule und Jugendhilfe ein zentraler Stellenwert zu. Die Aktualität des Themas wird mit Blick auf die Kinder und Jugendlichen mit sonderpädagogischem Unterstützungsbedarf durch das in Kraft treten des Kinder- und Jugendstärkungsgesetz (2021) einmal mehr verdeutlicht. Vor diesem Hintergrund soll aus multiprofessioneller Perspektive (Sozialpädagogik und Schulpädagogik) untersucht werden, wie sich (kokonstruktive) Kooperationsprozesse zwischen Schule und Jugendhilfe ausgestalten. Es könnte z.B. untersucht werden, wie eine diversitätssensible individuelle Förderung von sozial benachteiligten Kindern und Jugendlichen (1) auf kommunaler Ebene koordiniert und (2) wie sie etwa im Rahmen von Hilfeplangesprächen etabliert wird. Hier ist insbesondere eine Betrachtung der Perspektiven verschiedener Akteure von Interesse (z.B. pädagogische Fachkräfte, Kinder und Jugendliche, Eltern, kommunale Akteure, Schulleitung).

    Ideengeber_innen: Sabine Gruehn, Onno Husen & Karolina Urton

  • In der Bildungsforschung besitzt die Thematik des Umgangs mit einer heterogenen Schülerschaft im Unterricht eine zentrale Bedeutung. Die Aufgabe von Lehrkräften im inklusiven Unterricht besteht u.a. in der Förderung der sozialen Partizipation sowie der individuellen Qualifikation bzgl. des Lernens und der sozial-emotionalen Entwicklung aller Schüler*innen. Die bisherige Forschung betrachtet die intraindividuellen Heterogenitätsdimensionen der Schüler*innen (z.B. sonderpädagogischer Förderbedarf, soziale Ungleichheit, Migrationshintergrund) häufig isoliert und nicht im Sinne verschränkter Heterogenitätsdimensionen. Es soll erforscht werden, inwiefern die unterschiedlichen Heterogenitätsdimensionen sowie deren Zusammenwirken die Wahrnehmung der Kompetenzen der Schüler:innen seitens der Lehrkräfte bedingt. Weiterhin werden adaptive Lehr-Lernsituationen im inklusiven Unterricht untersucht, die einer diversitätssensiblen individuellen Förderung der Schüler*innen Rechnung tragen.

    Ideengeberin: Karolina Urton

  • In der schulischen Bildung stellt der kompetente Umgang mit der Heterogenität von Schüler_innen im Unterricht eine Herausforderung für (angehende) Lehrpersonen dar. So nehmen Lehrkräfte im Kontext der individuellen Förderung unterrichtliche Modifikationen vor, um den unterschiedlichen Bedürfnissen der Lernenden gerecht zu werden. Im Rahmen eines potenzialorientierten Umgangs mit Diversität wird darüber hinaus die Vielfalt von Schüler_innen und (angehenden) Lehrpersonen als Gewinn und Lernressource betrachtet. In der Forschung zur schulischen Bildung soll daher der Fokus auf die Diversität als Ressource für individuelles und wechselseitiges Lernen und Entwicklung im Unterricht gelegt werden. Hierbei wird sowohl die interpersonale Diversität (d.h. Verschiedenheit zwischen Personen einer Gruppe), als auch die intrapersonale Diversität (d.h. Unterschiedlichkeit innerhalb einer Person) betrachtet. Im Sinne der Potenzialorientierung soll in der Forschung etwa die Neurodiversität (z.B. Twice Exceptionality) als mögliche Ressource für die individuelle (kognitive) Entwicklung und das wechselseitige (kooperative) Lernen genauer untersucht werden.

    Ideengeber: Christian Fischer

  • Ein gesellschaftspolitisches Argument für längere Formen des gemeinsamen schulischen Lernens ist seit den Bildungsreformen der 1960er Jahren die soziale Durchmischung von Schulklassen. Inzwischen existieren in nahezu allen Bundes­ländern koope­rative oder inte­grierte Schulformen in der Sekundarstufe I. Diese Entwicklung wird ergänzt durch die Ausweitung des gemeinsamen Unterrichts von Kindern mit und ohne sonderpädago­gis­chen Förderbedarf (SPF). Empirische Befunde zeigen jedoch, dass allein die gemeinsame Beschulung nicht automatisch zu gleichberechtigter Teilhabe von Kindern mit SPF am schulischen Alltag führt. Insofern ist fraglich, inwieweit die gemeinsame Beschulung von Kindern unterschied­lichs­ter Herkunftsmilieus zu der gewünschten Diversifizierung der sozia­len Bezie­hun­gen führt. So ließe sich mittels sozialer Netzwerkanalysen im Schulformvergleich untersuchen, inwiefern eine heterogene Schülerzusammensetzung mit einer Reduktion von Homophilie-Effekten assoziiert ist, und welchen Einfluss darüber hinaus weitere Klassen- und Lehrkraftmerkmale auf die Struktur von Klassennetzwerken nimmt. 

    Ideengeberinnen: Sabine Gruehn & Stefanie van Ophuysen

  • Im Rahmen der Forschung zur Professionalisierung von Lehrkräften betonen zahlreiche Arbeiten die Bedeutung von Lehrkraftüberzeugungen sowohl proximal für deren Unterrichtsplanung und das Unterrichtshandeln, als auch distal für den Lernerfolg der Schülerinnen und Schüler. Ein weiterer Forschungsbedarf in Bezug auf Lehrkraftüberzeugungen zeichnet sich gerade auch auf dem Gebiet von Heterogenität und Diversität ab. Dazu könnte zwei verschiedenen Fragestellungen nachgegangen werden: Ein konkretes Forschungsinteresse zielt ab auf die von (Grundschul-)Lehrkräften wahrgenommene Zunahme an Heterogenität, sowie auf die Frage, inwieweit Lehrkräfte eine eventuell wahrgenommene Zunahme an Heterogenität als handlungsleitend für Unterricht und Schule einschätzen. Ein weiteres Forschungsfeld eröffnet die Verknüpfung der Herausforderung der schulischen Digitalisierungsentwicklung mit der Frage des Umgangs mit Heterogenität an (Grund-)Schulen.

    Ideengeber: Horst Zeinz

  • Die literale Fähigkeit des Schreibens ist zentral für den schulischen Erfolg von Kindern und Jugendlichen. Daher stellt die Förderung dieser Fähigkeit eine fachübergreifende Aufgabe für Unterricht dar, die in der Migrationsgesellschaft aufgrund von häufig auftretenden Leistungsdisparitäten zuungunsten von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund eine hohe Relevanz besitzt. Eine genaue Untersuchung der Wirksamkeit einzelner Instruktionsansätze für mehrsprachig aufwachsende Lernende steht allerdings an vielen Stellen noch aus und bildet daher den Ausgangspunkt für das Forschungsprogramm. Die Einbindung von Familiensprachen im Sinne eines potenzialorientierten Umgangs mit Diversität und die Untersuchung von sprachübergreifenden Transfereffekten der Interventionen stellen dabei bedeutsame Desiderate dar.

    Ideengeberin: Vera Busse

  • Exzellente Wissenschaft braucht Vielfältigkeit – nicht nur in Themen, Ideen und Methoden, sondern auch in den Menschen, die Wissenschaft betreiben (DFG, 2017). Die Forschung zeigt die hohe Bedeutung des Gefühls sozialer Zugehörigkeit für eine erfolgreiche akademische Bildungskarriere und belegt gleichzeitig, dass dieses Gefühl beispielsweise bei Studierenden aus bildungsfernen Elternhäusern geringer ausgeprägt ist. Wie kann es gelingen, insbesondere marginalisierten Studierenden, Promovierenden und Post-Docs in unterschiedlichen Wissenschaftsdomänen ein soziales „Zuhause“ zu bieten? Wie können Hochschulen aus dem Blickwinkel von Intersektionalität entsprechende diversitätskompetente Angebote in Lehre und Nachwuchsförderung gestalten, um eine gleichberechtigte Teilhabe an akademischer Bildung zu gewährleisten? Welche Prozesse und Strukturen in (in der Regel „männlich“ und „weiß“ dominierten) Hochschulen stellen darüber hinaus Barrieren für Chancengleichheit dar – und wie können diese abgebaut werden?

    Ideengeberin: Stefanie van Ophuysen

  • Diversität beschäftigt die Erwachsenen- und Weiterbildung nicht nur im Rahmen einer beobachtbaren ungleichen Weiterbildungsbeteiligung, sondern auch im Kontext der Professionalisierung des Weiterbildungspersonals durch die Entwicklung von Diversitätskompetenzen. Der aktuelle Forschungsdiskurs richtet in diesem Zusammenhang den Blick sowohl auf Migration und weitere Diversitätsaspekte, als auch auf den Konstruktcharakter von Diversitätskategorien. Forschungsdesiderata entstehen insbesondere aus der beobachtbaren Diskrepanz zwischen den Perspektiven des wissenschaftlichen Diskurses und der erwachsenen- und weiterbildnerischen Praxis im Feld Diversitätskompetenzen. Diese wirft Fragen nach der gesellschaftlichen Entstehung von Anforderungen und Erwartungen an Diversitätskompetenzen sowie nach Bedingungen und konzeptionellen Gestaltungsweisen eines (reflexiven) Theorie-Praxis-Transfers auf.

    Ideengeber: Halit Öztürk

  • Individualisierte Konzepte zur Förderung beruflicher Laufbahnen bieten nicht nur die Chance, spezifische Ausgangslagen zu berücksichtigen. Die Förderung von Diversität in der beruflichen Bildung offeriert Perspektiven einer vielfältigen personalen Repräsentanz beruflicher Domänen. Es stellt sich die Frage, ob mit der Förderung von Diversität stereotype Zuschreibungen auf berufliche Domänen nicht nur aufgebrochen, sondern Vorstellungen über berufliche Domänen und deren Repräsentanten auch verändert werden können. Hieran schließt sich die Frage an, inwieweit dadurch auch die Attraktivität für eine Vielzahl beruflicher Perspektiven individuell erweitert wird. Ansatzpunkte ergeben sich z.B. in den Gesundheitsberufen als bisher weiblich dominiertes bzw. nachgefragtes Berufsfeld. Darüber hinaus gilt es u.a., die im Kontext der beruflichen Bildung relevanten Akteure aus Schule und Betrieb in die Diskurse und Maßnahmen einzubinden und die damit verbundenen Aufgaben als gemeinsame Entwicklungsaufgaben zu definieren.

    Ideengeberinnen: Katja Driesel-Lange & Ulrike Weyland