Arbeitsgruppe Dynamische Inverse Probleme

In einer Vielzahl von industriellen, medizinischen oder wirtschaftlichen Problemen ist man an einer Größe interessiert, die nicht direkt zugänglich ist und daher aus indirekten Messungen rekonstruiert werden muss. Ein gängiges Beispiel ist die Computertomographie, bei der die dreidimensionale Anatomie eines Patienten computergestützt aus zweidimensionalen Röntgenbildern rekonstruiert werden muss, die aus allen Richtungen aufgenommen wurden. Solche Probleme werden als inverse Probleme (IPs) bezeichnet; ihre Lösung trägt enorm zum technologischen und wissenschaftlichen Fortschritt bei, von der bildgebenden medizinischen Diagnose für personalisierte Medizin über die Optionspreisbestimmung oder die Ermittlung physikalischer Konstanten bis hin zur Überwachung von intelligenten Strukturen, um nur einige Beispiele zu nennen.

Inverse Probleme werden üblicherweise in einem statischen Rahmen formuliert, in dem eine Fülle von theoretischen Ergebnissen und numerischen Werkzeugen zur Verfügung stehen. Mit der aktuellen Zunahme von Empfindlichkeit und zeitlicher Auflösung in der Messtechnologie erleben wir eine Verschiebung des Schwerpunkts von statischen zu (weitaus komplizierteren) dynamischen inversen Problemen (DIPs), bei denen sich die interessierende Größe dynamisch über die Zeit während des Messvorgangs ändern kann. Dies erfordert die zusätzliche Bestimmung der Dynamik aus den raumzeitlichen Messdaten: Manchmal sind diese lediglich erforderlich, um Artefakte einer Rekonstruktion zu erklären und zu entfernen (wie bei der Bewegungskompensation in der medizinischen Bildgebung), manchmal sind die Dynamiken die eigentliche interessierende Größe (wie bei der Bildgebung von Leukozytenverkehr oder Frakturwachstum). Die riesigen wissenschaftlichen und technologischen Möglichkeiten, die sich durch die Beobachtung zeitlicher Prozesse eröffnen, werden die Nachfrage nach DIP-Forschung in den nächsten Jahren drastisch steigern.

Die Einbeziehung der Zeitabhängigkeit führt zu erheblich größeren Problemgrößen, einer erhöhten Anzahl unbekannter Modellparameter oder einem höheren Grad an Modellunsicherheiten im Vergleich zu statischen Einstellungen. Noch schlimmer ist, dass die undifferenzierte Einbeziehung der Zeit als eine weitere Dimension die Kausalität ignoriert und damit zu Informationsverlust und veränderten IP-Merkmalen führt. Daher erfordern DIPs die Entwicklung eines neuen umfassenden Rahmens, der sich von der Modellierung und dem Lernen über Reduktionsmethoden bis hin zu stabilen und effizienten numerischen Lösungen erstreckt, um Anwendungsprobleme anzugehen, die derzeit unerreichbar sind. Die mathematischen Werkzeuge, z. B. in IPs, Optimierung, maschinellem Lernen oder Modellreduktion, sind nun ausreichend gereift, um diese Entwicklung zu verfolgen und DIPs auf integrierte Weise anzugehen. Aus heutiger Sicht bietet unser Ansatz das Potenzial, eine breite Palette von entscheidenden Anwendungen wie Bewegungskompensation in der Tomographie, dynamische Magnetresonanz oder dynamische Lastüberwachung in Kohlefaserkompositen zu verbessern.

Das übergreifende Ziel der Arbeitsgruppe ist die Entwicklung eines ganzheitlichen Ansatzes für die dynamische Bildrekonstruktion und Informationsgewinnung, der eine effiziente Behandlung von hochdimensionalen DIPs ermöglicht. Dies wird durch die Entwicklung sowohl modellbasierter als auch datengesteuerter Ansätze erreicht, gefolgt von Techniken zur Ableitung einer rechnerisch realisierbaren Näherung. Die Themen der Arbeitsgruppe stehen sowohl an der Spitze der Forschung in inversen Problemen als auch im Zentrum einer breiten Palette zukünftiger technologischer Entwicklungen, die derzeit unerreichbar sind.