Geologe Prof. Harald Strauß erforscht Unterwassergeysire im Südpazifik
Die Verblüffung ist riesig, als Geologen 1977 mit dem Tauchboot Alvin vor den Galapagos-Inseln auf Fahrt gehen. In 2500 Metern Tiefe in absoluter Dunkelheit und bei einer Umgebungstemperatur von zwei Grad Celsius untersuchen sie unbekannte Unterwassergeysire. Sie trauen ihren Augen nicht: An den meterhohen Schloten, aus deren Mündung bis zu 350 Grad heißes schwefelsaures Wasser herausschießt, wimmelt es von Leben.
Bis zu diesem Zeitpunkt hatte niemand die Unterwassergeysire, sogenannte Schwarze Raucher, mit eigenen Augen gesehen. Dass sie die Heimat für zahllose Tierarten sind – Oasen des Lebens in der Tiefsee – hätte sich damals niemand vorstellen können. An ihren finsteren Lebensraum angepasste Muscheln, Krebstiere und Röhrenwürmer tummeln sich dort. Grundlage dieser Lebensgemeinschaft sind Bakterien, die ihre Energie mithilfe chemischer Reaktionen gewinnen. Sie nutzen Schwefel, Wasserstoff oder Methan und bauen aus Kohlendioxid Biomasse auf – vergleichbar mit der Fotosynthese bei Pflanzen.
Bis heute bergen die Schwarzen Raucher und ihre Bewohner unzählige Geheimnisse, die Wissenschaftler entschlüsseln wollen. So auch Prof. Harald Strauß vom Institut für Geologie und Paläontologie der WWU. Der Geologe gehört einem 40-köpfigen Forscherteam an, das am 22. Dezember mit dem Forschungsschiff "Sonne" aufbricht, um das Phänomen der Schwarzen Raucher zu untersuchen. Die vierwöchige Exkursion beginnt in Nouméa, der Hauptstadt von Neukaledonien, einer Inselgruppe östlich von Australien. Die Fahrt endet im Hafen von Auckland, Neuseeland.
Schwarze Raucher entstehen an den Grenzen von Erdplatten. Meerwasser dringt durch Spalten tief in den Meeresboden ein, erhitzt sich in der heißen ozeanischen Kruste, schießt nach oben und tritt wieder aus dem Meeresboden aus. Durch Ablagerungen der im Wasser enthaltenen Mineralien, vor allem Metalle und Schwefel, bilden sich die Schlote der Unterwassergeysire. "Die Schwarzen Raucher, die wir untersuchen wollen, liegen im Südpazifik vor Tonga und vor den Kermadec-Inseln. Sie werden erst etwa seit dem Jahr 2000 systematisch erforscht und liegen in wenigen hundert Metern Wassertiefe", berichtet Harald Strauß.
Die Wissenschaftler werden vier Unterwasservulkane anfahren und dort – vor allem mithilfe eines Tauchroboters – jeweils mehrere Tage lang Proben nehmen, in verschiedenen Höhen vom Meeresgrund bis zur Wasseroberfläche. Dabei wollen sie das Gestein der Schwarzen Raucher, die im Wasser gelösten Mineralstoffe und die dort lebenden Organismen unter die Lupe nehmen. Ziel ist es, die geochemischen und ökologischen Auswirkungen der Prozesse zu verstehen, die sich in der Erdkruste unter den Schwarzen Rauchern abspielen. Die Wissenschaftler – darunter neben Geologen und Biologen auch Chemiker und Ozeanografen – arbeiten Hand in Hand. Jeder liefert seinen Beitrag, um das "große Ganze", also die Schwarzen Raucher und ihre Bedeutung für den Ozean mit seinen Ökosystemen, zu verstehen.
Wenn das heiße Ozeanwasser in Wechselwirkung mit den Gesteinen der Erdkruste tritt, finden charakteristische chemische Reaktionen statt – beispielsweise werden Metalle aus dem Gestein gelöst. "Das austretende heiße Wasser enthält unter anderem viel Eisen, einen Mikronährstoff. Dieses Eisen gelangt aus den Tiefen der Schwarzen Raucher bis in höhere Wasserschichten und düngt dort die Pflanzen. Auf diese Weise beeinflussen die Schwarzen Raucher Ökosysteme und Nahrungsketten. Wie groß dieser Einfluss ist, wollen Wissenschaftler auf der 'Sonne' untersuchen", gibt Harald Strauß ein Beispiel für die zahlreichen Forschungsfragen. Der Münsteraner selbst wird unter anderem die Sulfid-Konzentrationen messen, um Rückschlüsse auf den Kreislauf des Elements Schwefel im Ozean ziehen zu können.
Für den Geologen Harald Strauß ist es nicht die erste Forschungsfahrt. So war er im Rahmen eines Schwerpunktprogramms der Deutschen Forschungsgemeinschaft an mehreren Forschungsausfahrten über dem Mittelatlantischen Rücken (einem Unterwassergebirge im Atlantischen Ozean) und im Tyrrhenischen Meer zwischen Sardinien, Korsika und Sizilien beteiligt. Daher weiß er genau, was auf ihn zukommt: "An Bord wird rund um die Uhr in Schichten gearbeitet", berichtet er. "Die Zeit ist kostbar, so eine Gelegenheit für die Forschung gibt es so schnell nicht wieder. Man steht aber im positiven Sinne so unter Strom, dass man mit erstaunlich wenig Schlaf auskommt. Denn so eine Forschungsreise ist extrem spannend."
Christina Heimken
Dieser Artikel stammt aus der Universitätszeitung "wissen|leben" Nr. 8, 14. Dezember 2016.
Terminhinweis:
Prof. Harald Strauß berichtet am Dienstag, 21. Februar, ab 19 Uhr im Rahmen der Vortragsreihe "Geologen unterwegs" über "Geologen auf See: heiße Quellen und blühendes Leben am Meeresboden – mit dem Tauchroboter unterwegs". Zu dem Vortrag im Fürstenberghaus, Domplatz 20-22, sind Interessierte herzlich eingeladen. Vorkenntnisse sind nicht erforderlich. Der Eintritt ist frei.
Die "Sonne":
Die "Sonne" ist ein Forschungsschiff des Bundesministeriums für Bildung und Forschung. 2014 löste sie das 36 Jahre alte Vorgänger-Schiff ab und ist seither hauptsächlich im Indischen und Pazifischen Ozean unterwegs. Bei den Forschungsfahrten untersuchen Wissenschaftler unterschiedlicher Disziplinen unter anderem Fragen zum Klima und zu den Ökosystemen der Meere. Die Forschungsfahrt von Neukaledonien bis Neuseeland vom 22. Dezember bis 21. Januar trägt den Titel "Geochemische und ökologische Auswirkungen hydrothermaler Prozesse in intraozeanischen Vulkanbögen am Beispiel des Kermadec-Bogens (SW-Pazifik)". Beteiligt sind Wissenschaftler der Jacobs University und der Universität mit dem Zentrum für Marine Umweltwissenschaften (MARUM) Bremen sowie des Max-Planck-Instituts für marine Mikrobiologie Bremen und der Universitäten Oldenburg, Hamburg und Münster (Prof. Harald Strauß), außerdem Forscher aus Neuseeland und den USA.