Komödie nimmt Lateinunterricht aufs Korn
Bei "Codrus" (lat. "der Dumme") handelt es sich nicht nur um eine lateinische Schulkomödie über einen dummen Lateinlehrer im 15. Jahrhundert, sondern auch um eine druckhistorische Besonderheit: das erste in Westfalen gedruckte Buch und ein frühes Zeugnis des Humanismus. Das schmale Bändchen, nur wenige Lagen stark, von Johannes Kerckmeister erschien vor 530 Jahren, Ende Oktober 1485. Gedruckt wurde das Werk von Johannes Limburg aus Aachen.
Nur zwei Exemplare dieses Druckes sind erhalten, eines befindet sich in der Universitäts- und Landesbibliothek (ULB) Münster, das andere in der Stadtbibliothek Dortmund. Das Buch – auch "Comedia Codri" genannt – ist als Zeugnis frühen humanistischen Denkens in Münster von herausragender geistesgeschichtlicher Bedeutung. Ob die Komödie allerdings jemals aufgeführt wurde, ist nicht bekannt.
Geschildert wird die Geschichte eines alten Latein-Lehrers, des "Codrus", der sich aus seiner kleinen Dorfschule aufmachte, um sein Wissen durch das Studium der Logik an der Universität zu Köln zu erweitern. Seine Schüler verließen den Unterricht in Scharen und wandten sich Lehrern zu, die neue humanistische Bildungsinhalte vermitteln: Statt Grammatikpauken rückte die Lektüre der antiken lateinischen Autoren in den Mittelpunkt.
Johannes Kerckmeister, Leiter der damaligen Domschule, schrieb die Komödie, weil er mit der althergebrachten mittelalterlichen Form und den Inhalten des Lateinunterrichts nicht zufrieden war. Stattdessen wollte er die moderne Unterrichtsform, die aus Italien kam, einführen.
Er schrieb zu Lebzeiten des Domherrn Rudolf von Langen (1438-1519), der als erster bedeutender Humanist in Westfalen angesehen wird und von dem ein nachhaltiger Einfluss auf den Humanismus in Münster ausging. Das Stück entstand in der Phase des Umbruchs vom traditionellen mittelalterlichen zum neuen humanistischen Denken. Es zeigt, dass der Humanismus schon zu dieser frühen Zeit auch in Münster Fuß gefasst hatte.