Neue Nanochips für schnelle und sichere Datenübertragung
Ein riesiger zylinderförmiger Kühlschrank, ein Elektronenstrahlschreiber, ein Reinraum, Ätzanlagen. Manchmal braucht man ganz viel Großes, um etwas ganz Kleines herzustellen. Das wissen die Nanowissenschaftler der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster (WWU) um Prof. Dr. Wolfram Pernice und Junior-Prof. Dr. Carsten Schuck nur zu gut: Sie stellen mit diesen und weiteren Geräten Nanochips von der Größe eines Ein-Cent-Stücks her. Diese kleinen Chips, auf denen sich noch viel kleinere funktionelle Strukturen befinden, können wiederum ganz schön viel – zum Beispiel zu einer abhörsicheren Übertragung von Daten beitragen.
Derzeit arbeiten die WWU-Forscherinnen und -forscher daran, ein sogenanntes quantenkryptographisches Verfahren mittels dieser Chips zu entwickeln – also ein Verfahren, das Quanteninformationen in Form von Lichtteilchen nutzt, um Daten verschlüsselt zu übertragen. Solche Übertragungssysteme werden spätestens dann relevant, wenn es in der Zukunft gelingt, einen Quantencomputer zu entwickeln, der die heutigen Verschlüsselungsverfahren angreifen kann. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) fördert das Projekt namens „Ultraschnelle Quantenschlüssel-Verteilung durch Parallelisierung der Detektionskanäle“, kurz QuPad, seit November vergangenen Jahres mit 2,2 Millionen Euro über gut zwei Jahre. Kooperationspartner im Projekt sind die Technologieunternehmen PicoQuant aus Berlin und Entropy aus München.
„Ziel des Projekts ist es, nach neuen Möglichkeiten der sicheren Datenübertragung zu suchen, nach solchen, die Sicherheit aufgrund der Gesetze der Quantenmechanik bieten – und nicht wie klassischerweise durch Algorithmen“, sagt Wolfram Pernice, Gruppenleiter am Physikalischen Institut und am Center for Nanotechnology (CeNTech) der WWU. Das wollen die Wissenschaftler mit neuartigen Detektoren erreichen, die sich auf den Chips befinden. Diese Detektoren bestehen aus winzigen Nanodrähten, nur wenige Nanometer dünn. Die Forscher platzieren die Nanodrähtchen auf Lichtwellenleitern, die sogar um ein Vielfaches dünner sind als Glasfasern und sich in großen Stückzahlen auf einem Chip herstellen lassen. So können die Detektoren letztendlich Lichtquanten registrieren und übertragen. Ziel der Forscher ist es, auf möglichst vielen Detektionskanälen parallel zu arbeiten, 64 Kanäle sind in Planung. „Wenn diese Parallelisierung funktioniert, kann man bei der Datenübertragung sowohl eine höhere Verschlüsselungsrate als auch eine höhere Geschwindigkeit erreichen“, sagt Carsten Schuck, Nachwuchsgruppenleiter am CeNTech. Die Herstellung dieser Arten von Chips ist in Deutschland einzigartig.
Neuer Kühlschrank für das SoN
Die Nanodrähte können ihre Funktion als Detektoren erst erfüllen, wenn Sie supraleitend werden, das heißt, wenn sie extremer Kälte ausgesetzt sind. Dazu benötigen die Wissenschaftler einen speziellen Kühlschrank, Kryostat genannt, in dem eine Temperatur von minus 271 Grad Celsius herrscht. Leitungen innerhalb des Kryostats dienen dazu, die Detektoren elektronisch anzusprechen. Wer sich den Kühlschrank äußerlich wie ein herkömmliches Küchengerät vorstellt, wird enttäuscht: Es handelt sich um eine Art Fass, um das herum sich einige zusätzliche Gerätschaften befinden – unter anderem ein Kompressor, der Helium durch den Kryostat pumpt, ein Vakuumsystem und eine zweite Tonne, in der das überflüssige Helium gesammelt wird. Das Unternehmen Entropy ist derzeit dabei, den Kryostat zu entwickeln, und voraussichtlich im Mai wird das imposante Gerät im Center for Soft Nanoscience (SoN) der WWU aufgestellt.
Die Forschergruppe um Carsten Schuck arbeitet parallel daran, die extrem dünnen Schichten für die Nanodrähte wachsen zu lassen. Diese Schichten stellen die Forscher im Reinraum her – würden auch nur kleine Schmutzpartikel an die feinen Strukturen kommen, könnten die Leitungen nicht mehr funktionieren. Die Aufgabe der Forschergruppe um Wolfram Pernice ist es, die Nanodrähte an moderne Glasfasernetze anzuschließen. Hierzu sind Methoden der Nanophotonik gefragt, um das Licht aus den Glasfasern zu den Detektoren auf dem Chip zu bringen. Die Arbeiten der beiden Forschergruppen sind eng miteinander verzahnt. Das Unternehmen PicoQuant entwickelt außerdem die passende Elektronik, damit die Nanodrähte richtig funktionieren können.
Sind die Chips so weit, dass sie einer ersten Testphase unterzogen werden können, schicken die Forscher sie hierfür in einem Gehäuse nach Berlin zum Fraunhofer-Institut für Nachrichtentechnik, wo es eine Übertragungsstrecke für derartige Verschlüsselungsmethoden gibt. Die Wissenschaftler dort testen dann zwischen zwei Gebäuden, ob die sichere Datenübertragung funktioniert. Dabei wird ein schwacher Laser auf eine Antenne gerichtet, die das Licht sammelt.
Die Forscher um Wolfram Pernice und Carsten Schuck hoffen, dass die Nanochips später in der Quantenkommunikation Anwendung finden – das betrifft vor allem Verschlüsselungssysteme, aber langfristig auch die Entwicklung eines Quantencomputers selbst. Darüber hinaus können diese Arten von Chips auch für viele weitere Anwendungen relevant sein, zum Beispiel für die biomedizinische Bildgebung, wenn es darum geht, sehr kleine Strukturen unter dem Mikroskop sichtbar zu machen.