Andere Religionen waren „falsches Teufelswerk“
Ringvorlesung endet mit Mittelalter-Vortrag über nicht-christliche Religionen
Über die christlich-abendländische Wahrnehmung anderer Religionen im frühen und hohen Mittelalter hat der Hamburger Historiker Prof. Dr. Hans-Werner Goetz in der Ringvorlesung des Exzellenzclusters gesprochen. Mit seinem Vortrag beendete er die Reihe „Verfolgung um Gottes willen. Politisch-religiöse Konflikte in Vormoderne und Moderne“. Prof. Goetz legte dar, wie Christen des lateinischen Abendlandes zeitgenössische Heiden, Muslime, Juden, Häretiker und Griechisch-Orthodoxe wahrnahmen. „Insgesamt zeigt sich eine kontextabhängige Vielfalt der Wahrnehmungsmuster – ein Wissen über die anderen Religionen, das nur nach Bedarf ‚aktiviert‘ wurde“, sagte der Wissenschaftler von der Universität Hamburg.
Christen des 6. bis 12. Jahrhundert hätten durchaus zwischen anderen Religionen zu unterscheiden gewusst, erläuterte Prof. Goetz. „Sie hatten klare Vorstellungen von dem, was unter Heidentum oder etwa Häresie zu verstehen war.“ Aus christlich-katholischer Sicht seien die anderen Glaubensrichtungen aber eng zusammengerückt, „indem man sie allesamt als nicht-christlich, ungläubig, falsch und als Teufelswerk betrachtete“. Die Analyse der Wahrnehmung anderer Religionen erlaube zugleich einen Einblick in das christliche Selbstverständnis, in dem das „Andere“ stets in Abgrenzung vom „Eigenen“ betrachtet worden sei.
Der Vortrag trug den Titel „Die christlich-abendländische Wahrnehmung anderer Religionen im frühen und hohen Mittelalter: methodische und vergleichende Aspekte“. Der Historiker stellte darin Ergebnisse seines Forschungsprojektes „The Perception of Other Religions in the Christian Occident during the Early and Central Middle Ages (5th – 12th centuries)“ vor, das der „European Research Council“ (ERC) von 2009 bis 2012 förderte. Zuvor sei das christliche Heidenbild nur beiläufig und die Wahrnehmung von Häretikern und Griechisch-Orthodoxen noch nicht umfassend analysiert worden, so der Forscher. Das Juden- und Sarazenen-Bild wurde nach seinen Worten meist im Zusammenhang mit dem Antijudaismus oder dem mozarabischen Islambild untersucht. Die vergleichende Betrachtung der Wahrnehmung aller Religionen hat demnach das ERC-Projekt von Prof. Goetz erstmals in Angriff genommen.
Die Ringvorlesung des Exzellenzclusters „Religion und Politik“ und des Centrums für Mittelalter und Frühneuzeitforschung (CMF) beschäftigte sich im Sommersemester mit dem Thema „Verfolgung um Gottes willen. Politisch-religiöse Konflikte in Vormoderne und Moderne“. Sie ging der Diskriminierung und Verfolgung Andersgläubiger anhand zahlreicher Beispiele quer durch die mittelalterliche und neuzeitliche Geschichte nach. Die Themen reichten von der christlichen Häresiebekämpfung im Frühmittelalter und den Konfessionskonflikten der Frühneuzeit über den Kirchenkampf in der DDR bis zur Buddhistenverfolgung im kommunistischen Kambodscha und zur Christenverfolgung im Nahen Osten. Zu Wort kamen Geschichts- und Religionswissenschaftler, Soziologen, Theologen, Buchwissenschaftler, Romanisten und Byzantinisten. (han/vvm)