Merkur in einem neuen Licht
Am 1.12.2024 flog die BepiColombo Mission zum fünften Mal am Merkur vorbei und hat dabei als erstes Raumschiff überhaupt, den Planeten im mittleren Infrarot beobachtet. Die neuen Daten zeigen Unterschiede in der Oberflächentemperatur und der Zusammensetzung der kraterreichen Oberfläche.
Der innerste Planet unseres Sonnensystems, Merkur, ist der von Raumfahrtmissionen bisher am wenigsten untersuchte erdähnliche Körper. Lediglich zwei Missionen haben ihn bislang besucht und nur eine davon, die amerikanische MESSENGER Mission, hat ihn zwischen 2011 und 2015 von einer Umlaufbahn aus erkundet. So ist es nicht verwunderlich, dass wir derzeit noch viele wissenschaftliche Fragen haben, die mit den verfügbaren Daten noch nicht beantwortet werden können. Zum Beispiel tritt auf dem Merkur an den Polen trotz der Sonnennähe vermutlich Wassereis auf. Andere leichtflüchtige Komponenten finden sich ebenfalls in überraschend hohen Konzentrationen. Die Oberfläche des Merkurs ist vergleichsweise arm an Eisen, während sein Eisen/Nickelkern ungewöhnlich groß ist. Auch die detaillierte Zusammensetzung der Oberfläche und ihre Mineralogie sind bisher nur ansatzweise bekannt. Wie sind diese Dinge erklärbar? Welche Entwicklung hat der Merkur hinter sich und wie trägt er dazu bei, unser Sonnensystem besser verstehen zu können? Der Merkur ist also ein hochspannender Körper, über den es noch viel zu lernen gibt.
Licht in dieses Dunkel wird die europäisch/japanische Mission BepiColombo bringen, die seit 2018 auf dem Weg zum Merkur ist und dort im November 2026 in eine Merkurumlaufbahn einschwenken wird. „Der Flug zum Merkur folgt einer sehr komplizierten Bahn mit insgesamt neun Vorbeiflügen an anderen Planeten, sogenannten „Flyby Manövern“ erklärt Dr. Johannes Benkhoff, BepiColombo Projektwissenschaftler der ESA. Im Einzelnen waren dies ein Vorbeiflug am Erde-Mond-System, zwei Vorbeiflüge an der Venus und insgesamt sechs Vorbeiflüge am Merkur. „Diese Manöver zur Flugbahnkorrektur sind notwendig, um genau mit den „richtigen“ Bahnparametern am Merkur anzukommen, so dass der kleinste terrestrische Planet das Raumschiff gravitativ „einfangen“ und in seine Umlaufbahn bringen kann“ sagt der Dr. Geraint Jones (ESA).
Am 1.12.2024 um 15:23 Uhr MEZ hat BepiColombo zum fünften Mal einen solchen Vorbeiflug am Merkur durchgeführt. Besonders spannend ist der Merkurvorbeiflug, weil BepiColombos thermales Infrarotspektrometer (MERTIS) zum ersten Mal Daten vom Merkur aufgenommen hat, dem Ziel dieser langen Reise. Nie zuvor wurde der Merkur im von MERTIS abgedeckten Wellenlängenbereich untersucht. Die europäische BepiColombo Mission leistet hier gewissermaßen Pionierarbeit. Die Daten des MERTIS Instruments sind völlig neu und die beteiligten Wissenschaftler dementsprechend neugierig. „Nach vielen Jahren der Vorbereitung sehen wir mit MERTIS den Merkur zum ersten Mal in einem völlig neuen Licht. Wir betreten also Neuland und werden die Zusammensetzung, Mineralogie und die Temperaturen auf dem Merkur viel besser verstehen können. Wir bekommen zum ersten Mal Merkurdaten im Wellenlängenbereich von 7-14 Mikrometern. Dieser Wellenlängenbereich ist besonders zur Unterscheidung von gesteinsbildenden Mineralen geeignet. Wir mussten sehr lange Geduld haben und sind sehr froh, die Daten nun endlich zu sehen!“ sagt Prof. Dr. Harald Hiesinger von der Universität Münster, der wissenschaftliche Leiter (PI) des Instruments. Dr. Solmaz Adeli vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt in Berlin (DLR), die als Projektleiterin ganz wesentlich an der Planung des jetzigen Vorbeiflugs beteiligt war fügt hinzu: „MERTIS ist wirklich ein einzigartiges Instrument, das selbst aus einer Vorbeiflugentfernung von 37.626 km Daten mit ca. 26-30 km Bodenauflösung liefern kann. Im Jahr 2026 wird sich BepiColombo mit dem MERTIS Instrument bis auf 460 km der Merkuroberfläche annähern und dann Daten mit einer Auflösung von bis zu 500 m generieren.“ Dr. Jörn Helbert (DLR), der das Instrument über viele Jahre als Co-PI mitentwickelt und betreut hat und ab Januar für die ESA tätig sein wird, freut sich: „Es ist schon etwas ganz Besonderes nach so vielen Jahren die ersten Merkurdaten zu bekommen und es ist sicher ein Höhepunkt in meiner Karriere.“
Für den Merkur zeigen die MERTIS-Daten Temperaturen von bis zu 420 Grad Celsius auf der von der Sonne beschienenen Seite und unterschiedliche spektrale Signaturen von Einschlagkratern. Das MERTIS-Bild hebt den Einschlagskrater Bashō hervor, der bereits von den US-amerikanischen Raumsonden Mariner 10 gesehen und von MESSENGER im Detail beobachtet wurde. Bilder im sichtbaren Wellenlängenbereich zeigen, dass der Bashō-Einschlagskrater sowohl sehr dunkles als auch sehr helles Material aufweist. Die Vorbeiflugbeobachtungen von MERTIS zeigen eine Anomalie in der Strahlungsintensität im mittleren Infrarot, die die besonderen Eigenschaften des Kraters bestätigt.
Das deutsche Mercury Thermal Infrared Spectrometer (MERTIS) ist eines der wenigen Instrumente, das bereits zu diesem frühen Zeitpunkt Beobachtungen durchführen kann. Dazu war eine Umprogrammierung der Instrumentensoftware notwendig. Normalerweise würde MERTIS durch die sogenannte ‚Planet View‘ Optik beobachten und die Daten mit Hilfe einer zweiten Optik (‚Space View‘), die den kalten Weltraum anvisiert, kalibrieren. Durch die Umprogrammierung konnte nun der ‚Space View‘ verwendet werden, um bereits auf dem Weg zum Merkur bei den Vorbeiflügen Daten zu generieren, obwohl der Blick zum Planeten eigentlich blockiert ist. Auf diese Weise haben die MERTIS Wissenschaftler bereits sehr gute Daten vom Mond und der Venus erhalten und das Instrument sowie Prozessabläufe testen können.
"MERTIS ist ein Paradebeispiel deutscher Ingenieurskunst da bei der Planung und dem Bau des Instruments eine fantastische Miniaturisierung bei gleichzeitig hoher Zuverlässigkeit erreicht werden konnte“ sagt Gisbert Peter (DLR), der Instrumentenmanager. Das MERTIS-Team besteht aus zahlreichen Wissenschaftlern aus mehreren Ländern Europas und den USA, die die Daten des Vorbeifluges gemeinsam auswerten. BepiColombo sieht während des Vorbeifluges Teile des ca. 1550 km großen Caloris-Beckens und auch Teile einer großen vulkanischen Ebene in der nördlichen Hemisphäre. Zusätzlich sind einige spektral interessante Krater abgedeckt. „Es ist wirklich eine Freude, mit einem fantastischen Team gemeinsam an der Auswertung der Daten zu arbeiten. Und das Beste kommt ja noch, nämlich wenn wir 2026 tatsächlich in die Umlaufbahn um den Merkur einschwenken werden. Dann kann MERTIS sein volles Potential ausschöpfen.“ sagt Harald Hiesinger.
BepiColombo besteht aus mehreren Komponenten, die auf ihrem Weg zum Merkur alle miteinander verbunden sind. Da ist zunächst das ‚Mercury Transfer Module‘ (MTM), das mit seinen großen Sonnenpanelen ein Ionentriebwerk antreibt, welches die Mission bis zum Merkur bringt. Der ‚Mercury Planetary Orbiter‘ (MPO), die europäische wissenschaftliche Komponente der Mission, hat elf Instrumente an Bord, die den Planeten und sein Umfeld auf vielfältige Weise untersuchen werden. Aufsitzend auf dem MPO befindet sich in einem Sonnenschutz (MOSIF) der japanische ‚Mercury Magnetospheric Orbiter‘ (MIO), welcher unter anderem das Magnetfeld des Merkurs untersuchen soll. Am Merkur angekommen, werden die Komponenten voneinander getrennt, um auf jeweils unterschiedlichen Bahnen ihre geplanten wissenschaftlichen Untersuchungen durchzuführen. Bis dahin müssen sich die Wissenschaftler allerdings noch gedulden: bis zur Trennung der Komponenten ist es zahlreichen Instrumenten auf dem MPO unmöglich Beobachtungen zu machen, weil ihr Blickfeld durch das MTM blockiert ist. So ist MERTIS bei diesem Vorbeiflug tatsächlich eines der wenigen wissenschaftliche Instrument, das bereits in dieser Missionsphase wertvolle Daten liefert. Sehr zur Freude des Wissenschaftlerteams.