Untersuchung psychologischer Determinanten kulturspezifischer Unterschiede in der Einstellung gegenüber einer Psychotherapie

Antragsteller: Pascal Schlechter
Fachbereich, Studienrichtung: Psychologie
Projekttitel: Untersuchung psychologischer Determinanten kulturspezifischer Unterschiede in der Einstellung gegenüber einer Psychotherapie
Fördersumme: 4.528,00 Euro
Kontakt: Pascal Schlechter

Projektbeschreibung:

Ziel des Projekts war es, die Einstellung Geflüchteter gegenüber psychotherapeutischer Hilfe zu untersuchen. Häufig erleben Geflüchtete traumatische Dinge vor, während und nach ihrer Flucht, die zu psychischen Erkrankungen führen können. Die Inanspruchnahme psychologischer Hilfe ist häufig ein notwendiger Schritt für viele Betroffene, der aber aus unterschiedlichen Gründen nicht erfolgt. Diese Gründe können in versorgungstechnischen Fragen, Problemen mit dem Asylstatus oder einer Sprachbarriere liegen. Zahlen der Bundestherapeutenkammer zur Versorgungssituation legen indes nahe, dass nur ca. 5 % der Geflüchteten adäquate psychische Versorgung erhalten. Diese Zahl ist alarmierend und lässt sich zum Teil durch die gerade genannten Gründe erklären.

Geflüchtete treffen bei uns jedoch auf eine neue Kultur. Das beinhaltet auch, dass der Umgang mit psychischen Erkrankungen ein anderer sein kann als der hiesige. Das kann Erklärungsmodelle, den Umgang mit psychischen Erkrankungen aber auch Einstellungen gegenüber psychologischer Hilfe betreffen. Bislang wissen wir relativ wenig darüber, was Geflüchtete über das westliche Prinzip der Psychotherapie und unsere Konzeptualisierungen psychischer Erkrankungen denken.

Deshalb begann ich mit meinem einjährigen Projekt, um mehr über die Einstellungen Geflüchteter gegenüber einer Psychotherapie herauszufinden. Dafür begann ich zunächst mit intensiver Literaturrecherche um potenziell wichtige Variablen ausfindig zu machen, die ich erheben möchte. Nachdem die erste Studie fertig war, lies ich entsprechende Fragebögen ins Arabische übersetzen. Die Erhebung sollte aus praktischen Gründen online erfolgen, damit mehr Leute erreicht werden können. Hierbei gab es viele praktische Hindernisse: Auf Arabisch wird von rechts nach links gelesen, viele Geflüchtete haben noch nie an einer Umfrage teilgenommen, ethische Bedenken aufgrund persönlicher und traumatische Erfahrungen betreffende Fragen um nur ein paar zu nennen. Nachdem die Ethikkommission einwilligte, stellte ich die Studie online. Obwohl ich von vielen Leuten große Unterstützung bei der Rekrutierung der Geflüchteten erhielt, war die Akquise der Versuchspersonen sehr schwierig. Auf der anderen Seite wollten die meisten Geflüchteten kein Geld für die Teilnahme (bis zu 6 Euro), sondern ausschließlich der Wissenschaft helfen, was eine sehr gute Erfahrung war. Deshalb habe ich auch nicht alle Gelder komplett ausgeschöpft. Ich schaffte es in der ersten Studie jedoch 200 Flüchtlinge und eine Vergleichsgruppe von 202 zu befragen, was eine sehr gute Sichtprobe darstellt.

Die erste Studie brachte sehr spannende Ergebnisse hervor: Geflüchtete haben im Vergleich zu Deutschen negativere Einstellungen gegenüber psychologischer Hilfe, weniger Therapiemotivation, zeigen weniger Emotionen und schätzen Psychotherapie als stigmatisierter ein. Zeitgleich erleben Geflüchtete aber auch mehr Symptome vieler psychologischer Erkrankungen wie zum Beispiel einer Depression oder Angststörungen. Diese Unterschiede werden durch verschiedene Persönlichkeitseigenschaften, aber auch durch situationale Umständen moderiert und mediiert. Ein erstes wissenschaftliches Paper befindet sich gerade im Peer-Review Prozess einer internationalen Fachzeitschrift.

Aus dieser Studie leitete ich weitere Schritte für die zweite und dritte Studie ab, die das Wissen noch vertiefen sollten. Dabei ging es um verschiedene psychoedukative Maßnahmen, die dazu führen sollen, Einstellungen gegenüber einer Therapie zu verbessern. Auch hier habe ich wieder eine gute Stichprobe mit ungefähr 200 Leute pro Gruppe (Geflüchtete/Deutsche). Derweil bin ich dabei diese Daten auszuwerten.

Insgesamt habe ich in diesem Jahr sehr viele Daten generiert, die in der Auswertung alle sehr spannend sind. Das fängt an bei demographischen Variablen wie Alter, Herkunftsland, Fluchtursache und geht weiter mit Variablen wie Halt im Glauben, Soziale Unterstützung, Resilienz und traumatische Erlebnisse. Aus diesem Variablen möchte ich im nächsten Schritt sinnvolle Modelle ableiten, die uns dabei helfen die psychosoziale Belastung aber auch Einstellungen und Motivation von Geflüchteten gegenüber psychologischer Hilfe zu verstehen.

Abschließend habe ich weit mehr Variablen erhoben und mehr Informationen gewonnen als ich es am Anfang des Projektes eingeschätzt habe. Diese Daten müssen aber alle sorgfältig ausgewertet und analysiert werden, was sehr viel Zeit in Anspruch nimmt. Das Projekt wird jedoch in jedem Fall im kommenden Jahr in verschiedenen wissenschaftlichen Publikationen kumulieren.

Ein weiteres Ziel war es ein Manual zu schreiben, das aus meinen Daten praktische Implikationen ableitet. Dazu bin ich aber aufgrund der schwierigen Erhebung und der komplexen statistischen Auswertungen noch nicht gekommen. Für ein Jahr war dieses Ziel auch zu ambitioniert. Es ist zunächst einmal wichtiger, robustes und psychometrisch zuverlässiges Wissen aus den reichhaltigen Daten zu gewinnen. Nichtsdestotrotz lassen sich aus den Daten wichtige Implikationen ableiten, die vor allem psychoedukative Maßnahmen betreffen und das Wissen um verschiedene Mechanismen und Moderatoren, die negativeren Einstellungen zu Grund liegen. Diese sind dann in den entsprechenden Publikationen zu finden.

Insgesamt hat das Projekt sehr viel Aufmerksamkeit erregt, was nicht nur für Freunde und Bekannte gilt. Ich hatte das Privileg mit verschiedenen Wissenschaftlern der WWU anregende und erkenntnisreiche Gespräche zu diesem Themengebiet zu führen. Darüber hinaus habe ich mit einem Professor der American University of Beirut intensiv über mein Projekt gesprochen als dieser in Deutschland zu Besuch war. Außerdem stehe ich im Kontakt mit einem Wissenschaftler der University of Cambridge, der sich auch mit dem Thema Behandlungsbarrieren beschäftigt. Abschließend glaube ich, dass das Projekt zum wissenschaftlichen Fortschritt beiträgt, aus dem sich langfristig praktische Implikationen ableiten lassen.