| Projektbeschreibung |
In Zusammenarbeit mit dem Kulturhistorischen Museum Magdeburg bereitet der SFB 496 eine Ausstellung zum Thema "Rituale im vormodernen Europa" vor, die in der zweiten Hälfte des Jahres 2008 stattfinden und einen prominenten Gegenstand der SFB-Thematik einem breiteren Publikum vermitteln soll. Bisher gibt es für ein solches Projekt, Ergebnisse eines großen kulturwissenschaftlichen Forschungsverbundes mittels einer Museumsausstellung zu visualisieren, kaum Vorbilder. Für die Besucher soll anschaulich gemacht werden, auf welche Weise Rituale die politische und soziale Ordnung der mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Gesellschaft sowie deren Werte inszenierten und erfahrbar machten. Dabei soll sowohl die Kontinuität der Grundelemente im vormodernen Europa als auch die Varianz ihrer Verwendung deutlich werden. Begleitet wird die Ausstellung von einem Katalog- und Essayband sowie von einer im Jahr 2007 stattfindenden Tagung über "Die Bildlichkeit symbolischer Akte". An dem Ausstellungsprojekt haben alle Teilprojekte des Sonderforschungsbereichs Anteil. Es ist formal als ‚Transfer-Projekt' zwischen der Universität Münster und dem Museum von Magdeburg angelegt.
Die Konzeption der Ausstellung geht von einem grob vereinfachten, idealtypischen Ritualverlauf aus, der in den Stationen der Ausstellung räumlich durchschritten werden kann. So wird Schritt für Schritt nachvollzogen, wie die historischen Akteure selbst ein Ritual als zeitlich-räumliche Sequenz erlebten: Einholung, Begrüßung, Gabentausch, Prozession, Gottesdienst, performative Akte des Statuswandels als Kern jedes Rituals, Mahlzeit und Fest, Spoliierung und Abschied. Dabei soll in den einzelnen Stationen exemplarisch angedeutet werden, welche regionalen und ständespezifischen Varianten es gab, welche diachronen Veränderungen vom Mittelalter zur Frühen Neuzeit zu beobachten sind und welche unterschiedlichen Arten von Quellen uns die Rituale überliefern (Artefakte, Bilder, Texte).
Rituale werden verstanden als wiederholte, formalisierte, aus dem Alltagsverlauf herausgehobene und öffentlich inszenierte Handlungssequenzen, die symbolisch über den Augenblick hinausweisen und die Ordnung einer Gesellschaft und die ihr zugrundeliegenden Kategorien und Wertvorstellungen nicht nur zum Ausdruck bringen, sondern auch stets aufs Neue performativ erzeugen. Rituale des vormodernen Europa weisen quer durch die verschiedenen sozialen Stände und Gruppen und quer durch die Jahrhunderte auffällig ähnliche Grundzüge auf, was den Verlauf und die einzelnen symbolischen Elemente betrifft. Es gab ein symbolisches Grundvokabular, das stets neu und kreativ zusammengesetzt werden konnte, um wechselnde Botschaften zu transportieren, konkurrierende Geltungsansprüche auszudrücken und so weiter.
Die Ausstellung wird durch Auswahl besonders signifikanter Themen, Beispiele und Objekte einen anschaulichen Eindruck davon vermitteln, wie die zentralen Handlungselemente einer idealtypischen rituellen Handlungssequenz aussahen, welche Funktionen solche Rituale erfüllten und wie der symbolische ‚Grundwortschatz' der Gesten, Gebärden, Sprachformeln, Klänge und Bewegungen im Raum beschaffen war und immer wieder neu zusammengesetzt wurde. Darüber hinaus wird dem Besucher anschaulich gemacht, ob und inwiefern signifikante Veränderungen im Untersuchungszeitraum zu beobachten sind, in welchen verschiedenen Medien die Rituale über die unmittelbar Beteiligten hinaus vermittelt wurden, wie Grundelemente satirisch verfremdet, karnevalesk umgekehrt und künstlerisch parodiert wurden; aber auch wie Rituale mißlingen, in die Irre führen und zum Kristallisationskern für Konflikte werden konnten.
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