Teilprojekt B7:
Das Buchgeschenk in England im Spätmittelalter und in der frühen Neuzeit
| Projektbeschreibung |
Das Projekt untersucht im Rahmen
einer allgemeinen Theorie des Schenkens zum Mittelalter und zur
frühen Neuzeit
die Besonderheiten des Buchgeschenks in England von ca. 1400 bis ca.
1600.
Vorrangig ist mit
Blick auf die
zentrale Frage nach dem Zusammenhang von symbolischer Kommunikation und
gesellschaftlichen Wertesystemen auf der einen Seite die Untersuchung
der
Wertdimensionen zur Handlung ‘Schenken’ und zum
Artefakt ‘Buch’, auf der
anderen Seite die Untersuchung der Funktionsbestimmung des
Buchgeschenks in
Bezug auf die sog. sekundären Buchfunktionen, die jenseits des
Lesens, also der
text- und bildbezogenen Informations- und Wissensvermittlung, liegen.
Auf der
Grundlage der spezifischen, in religiösen und weltlichen
Handlungsfeldern
verankerten Wertdimensionen des Buches kann das geschenkte Buch in
seinem
Stellenwert in sozialen Interaktionen vor allem in seiner spezifisch
symbolischen Funktion in den Blick geraten, z.B. im Aufbau und bei der
Festigung sozialer Beziehungen und in der Sicherung des Statussystems einer Gruppe. Ausgehend von
dem
grundlegenden Zusammenhang von Buch (Materialität), Text
(Inhalt) und Kultur
(soziale Werte und Normen) werden sowohl Aspekte der
Kontinuität als auch des
Wandels in der Bewertung und Funktionsbestimmung des Buchgeschenks vom
14. bis
zum 16. Jahrhundert erforscht. Dabei spielt der Medienwechsel vom codex manuscriptus zum codex
impressus mit Blick auf den nicht konfliktfreien Wandel vom
Unikatcharakter
des Buches zum ‘Massenprodukt’ in seinen
Auswirkungen auf das Beziehungsgefüge
der an seiner Produktion, Distribution und Rezeption Beteiligten eine
große
Rolle (‘vom Mäzen zum Markt’).
Im Mittelpunkt der Projektarbeit
in der ersten Phase (2006-2008)
standen sowohl Bemühungen um eine Typologie von Buchgeschenken
als auch
Untersuchungen zur Materialität von ausgewählten
Manuskripten und Drucken, vor
allem in ihrer Funktion als Präsentationsexemplare und unter
Einschluss
bildlicher Darstellungen von Buchpräsentationen.
In der zweiten Phase des Projekts (2009-2011) sollen über die
bisher im Zentrum
des Interesses stehenden nachweisbaren Buchgeschenke hinaus
verschiedene Typen
von Paratexten untersucht werden, um so vor allem die unter den
Bedingungen des
Buchdrucks zunehmend komplexeren Beziehungen zwischen den Akteuren
(Autor,
Drucker, Verleger, Mäzen, Auftraggeber) als Kontexte
für Zueignungen und
Widmungen wie auch für konkrete Buchgeschenke für
eine angemessene Einschätzung
der Funktionen von Buchgeschenken interpretatorisch nutzen zu
können. Der
Bedeutung komplexerer
Beziehungsgefüge
jenseits dyadischer Modelle (Schenker und Empfänger, Autor und
Mäzen usw.) wird
durch das Einbeziehen neuerer Ansätze wie z.B. zu
‘Netzwerken’ in
kultursoziologischer Perspektive Rechnung getragen. Für Februar 2010 ist zu diesem Themenbereich ein
interdisziplinäres Kolloquium an der Universität
Münster geplant. Ein zweiter
zu vertiefender Aspekt in dieser Projektphase wird der des
Wertdiskurses sein,
der mit Blick auf das Buch als Geschenk von einer besonderen Spannung
zwischen
materiellen und immateriellen Werten geprägt ist und eine
Differenzierung nach
unterschiedlichen Wertvorstellungen zum Buch im intellektuellen,
literarischen
wie künstlerischen Feld erforderlich macht.
|