Teilprojekt B2:
'Virtus' in der Kunst und Kunsttheorie der italienischen Renaissance
| Projektbeschreibung |
Für die symbolische Vermittlung von Werten und Normen durch verschiedene Bedeutungsträger, wie Figur, Gebärde, Mimik, dargestellte Handlung und charakteristische Attribute, aber auch durch andere Komponenten der Bildsprache, wie Licht, Farbe, Form und Material, ist die bildende Kunst (zumal in Kombination mit Schrift) seit eh und je als besonders geeignetes, relativ dauerhaftes und auch im öffentlichen Raum wirksames Medium in Anspruch genommen worden. Gerade die Kunst der frühen Neuzeit stellte in dieser Hinsicht Künstlern wie Auftraggebern ein hochentwickeltes, reich differenziertes und auch theoretisch fundiertes Instrumentarium zur Verfügung, das geeignet war, bestimmte, in der Gesellschaft anerkannte Werte und Normen je nach Intention in affirmativer, offen repräsentativer oder eher verhüllter Form zur Anschauung zu bringen, um dadurch einen spezifischen Effekt beim Betrachter zu erzielen. Die beabsichtigte Wirkung umfaßte die Erregung bestimmter Affekte ebenso wie die Unterhaltung und Belehrung. Nicht zuletzt aber sollte durch die Visualisierung beispielhafter Repräsentanten bestimmter Werte die Nachahmung der jeweils Dargestellten angeregt werden, die - auch als fiktive Personen - durch ihr Ethos, ihre Werke und Taten Ruhm und Ansehen erlangt hatten.
Da im Wertekanon der frühneuzeitlichen Gesellschaft Italiens und generell in der vom Humanismus geprägten Kultur der Renaissance im Wiederentdecken antiker Leitbilder und Wertvorstellungen der Begriff der ‚Virtus' zentrale Bedeutung erlangt hatte, und zwar nicht nur bezogen auf die individuelle Vortrefflichkeit der autonomen Persönlichkeit und ihrer Leistung, sondern auch als ein gesellschaftliches Ideal, steht dessen ubiquitäre bildkünstlerische Thematisierung und mehr oder minder explizite Manifestation im Zentrum der Forschungen des Teilprojekts B2. Das kunsthistorische Teilprojekt untersucht dabei in enger Kooperation mit anderen Teilprojekten des B-Komplexes die Zusammenhänge von tugendethischen Theorien bzw. Affektlehren, konkreter künstlerischer Realisierung von Tugendbildern im weitesten Sinne und zeitgenössischer kunsttheoretischer Reflektion über die Bestimmung und die Möglichkeiten der verschiedenen Kunstgattungen und die daraus hergeleiteten Anforderungen an den Künstler, der selber ein "portatore di virtù" zu sein hatte.
Eine nicht nur punktuelle, die verschiedenen angedeuteten Aspekte umfassende Darstellung dieses für die Kunst der italienischen Renaissance und für das Selbstverständnis des Renaissancemenschen ohne Zweifel zentralen Themas steht bisher noch aus. Den Zeitraum von 1400 bis 1600 sowie schwerpunktmäßig die als Heimstätten humanistischer Gelehrsamkeit bekannten Kunstmetropolen Florenz und Venedig ins Auge fassend, berücksichtigt das Teilprojekt B2 die ikonographisch-motivischen und formal-stilistischen Gegebenheiten der Kunstwerke ebenso wie die kunsttheoretischen Diskussionen. Philosophische und literarische Texte als Quellen der Inspiration von Auftraggebern und Künstlern sowie als Basis-Medien der Begründung und Vermittlung von Wertvorstellungen werden im Rahmen der Projektstudien ebenso herangezogen wie zeitgenössische Dokumente der Rezeption der Bildwerke. Konkret konzentrieren sich die Bearbeiter auf die Skulptur der Florentiner Frührenaissance und die Malerei der venezianischen Hoch- und Spätrenaissance. Darüber hinaus ist - auch außerhalb von Florenz und Venedig, z. B. in Ferrara, Urbino und Mantua - die Ausstattung von italienischen Kommunalpalästen und fürstlichen Residenzen in den Blick zu nehmen. Im einzelnen geht es darum, zu klären, welche Strategien die Künstler jeweils entwickelten, um ihre Vorstellungen geltender Normen und Werte und insbesondere ihre ‚Virtus'-Konzeptionen entsprechend den Vorgaben ihrer Auftraggeber ins Werk zu setzen. Ein Novum des methodischen Zugangs besteht unter anderem in der gleichzeitigen Untersuchung bildlicher Repräsentationen von ‚Virtus' einerseits (beispielsweise im Sinne von "Exempla virtutis" oder Tugendpersonifikationen) und der sich im bildnerischen Realisierungsprozeß sowie im Kunstwerk manifestierenden ‚virtù' des Künstlers andererseits. Ein weiteres Augenmerk gilt der Funktionalisierung (z. B. im Rahmen performativer Akte, politisch-zeremonieller Vorgänge usw.) und der zeitgenössischen Rezeption tugendethischer Leitbilder, deren bisweilen stark verschlüsselte Botschaften ein adäquates Verständnis oftmals nicht gerade erleichterten.
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