Wilhelm Hittorf (1824-1914)
Lebenslauf
27. März 1824: Geboren in Bonn
1842 - 1847: Studium der Mathematik und Physik in Bonn und Berlin
1846: Promotion in Bonn bei Julius Plücker zu Kegelschnitten
1847/48: Privatdozent für Physik und Chemie in Münster
1852: Außerordentlicher Professor für Physik und Chemie
19. August 1856: Ordentlicher Professor für Physik und Chemie
1870/71: Rektor
ab 1877: Professor für Physik nach der Einrichtung einer eigenständigen Chemie Professur
1888/89: Friedrich Paschen arbeitet als Assistent für Hittorf
1889: Einstellung der Lehrtätigkeit
28. November 1914: Verstoben in Münster
Biographien
Von Adolf Heydweiller (Leipzig 1915, Verlag von S. Hirzel)
Rede von Gerhard C. Schmidt am 17. März 1924 anlässlich des 100. Geburtstages in der Aula der Universität Münster (Schriften der Gesellschaft zur Förderung der Westfälischen Wilhelms-Universität zu Münster)
Von Ulrich Hoyer in "Die Universität Münster 1780-1980"
"Johann Wilhelm Hittorf and the material culture of nineteenth-century gas discharge research"
von Frank Müller in British Society for the History of Science 2010"Der Mann mit der Röhre" 2014 von Anne Hardy auf pro-physik.de
Ehrungen
1877: Ritter des Roten Adler-Ordens 4. Klasse
1884/85: Ernennung zum Geheimen Regierungsrat
Korrespondierendes Mitglied der königlichen Akademie der Wissenschaften zu Berlin
1877: Ritter des Roten Adler-Ordens 3. Klasse mit Schleife
1890/91: Korrespondierendes Mitglied der königlichen Gesellschaft der Wissenschaften in Göttingen
Ehrenmitglied der Londoner physikalischen Gesellschaft
Ehrenmitglied der physikalischen Gesellschaft zu Manchester
1896: Ehrenmitgliedschaft der deutschen elektrochemischen Gesellschaft (später Bunsen-Gesellschaft für angewandte physikalische Chemie)
1896/97: Ehrenmitglied des physikalischen Vereins zu Frankfurt a. M.
Auswärtiges Mitglied der Niederrheinischen Gesellschaft für Natur- und Heilkunde zu Bonn
Auswärtiges Mitglied der königlichen dänischen Gesellschaft zu Kopenhagen
Korrespondierendes Mitglied der königlichen bayrischen Akademie der Wissenschaften zu München
1897: Ritter des Ordens pour le mérite für Wissenschaften und Künste
1900: Ehrenpräsident der deutschen elektrochemischen Gesellschaft
Ehrenmitglied der deutschen chemischen Gesellschaft in Berlin
Korrespondierendes Mitglied der Académie des Sciences in Paris
Ehrendoktor der medizinischen Fakultät der Universität Leipzig
1902: Korrespondierendes Mitglied der botanischen Gesellschaft für Naturwissenschaft in Rotterdam
Korrespondierendes Mitglied der Gesellschaft zur Beförderung der gesamten Naturwissenschaft in Marburg
Ehrendoktor der mathematisch-naturwissenschaftlichen Fakultät der Universität Straßburg
Ehrendoktor-Ing. der Technischen Hochschule von Berlin
Ehrendoktor-Ing. der Technischen Hochschule von Hannover
1902/03: Ritter des Roten Adler-Ordens 2. Klasse
1903: Verleihung der Hughes-Medaille der Royal Society of London
(die Medaille hat Hittorf im November 1914, kurz vor seinem Tod, einschmelzen lassen und den Erlös von 300 Mark dem Roten Kreuz gespendet)
Auswärtiges Mitglied der holländischen Gesellschaft der Wissenschaft in Harlem
Ehrenmitglied der finnländischen Gesellschaft der Wissenschaft in Helsingfors
1905: Ehrenmitgliedschaft der königlichen Akademie gemeinnütziger Wissenschaften in Erfurt
1906: Auswertiges Mitglied der Reale Accademia dei Lincei in Rom
1907/08: Ritter des Roten Adler-Ordens 2. Klasse mit Stern
1914: Verleihung der Ehrenbürgerschaft der Stadt Münster
Direkte Nachfolger von Wilhelm Hittorf:
1890-1900 Eduard Ketteler
1901-1908 Adolf Heydweiller
1908-1935 Gerhard C. Schmidt
1935-1949 Hermann Senftleben
1949-1973 Eugen Kappler
1973-1999 Alfred Benninghoven
seit 1999 Markus DonathNach Hittorf benannt sind:
Hittorfsche Röhre: Gasentladungsröhre mit Potentialsonden
Siehe Artikel 'Von Röhren und Strahlen: Kathodenstrahlen, Röntgenstrahlen, Uranstrahlen, Geißler-, Hittorf-, Crookesröhren' in Kultur und Technik Heft 1 (1988)
Hittorfscher Dunkelraum: Dunkler Bereich nahe der Kathode zwischen Glimmhaut und negativem Glimmlicht
Hittorfsche Überführungszahlen: Anteil des Ionenstroms am Gesamtstrom
Hittorf Phosphor: Violet-farbige Allotropie des Phosphors, gehört zu den van der Waals MaterialienSchulen:
Wilhelm-Hittorf-Gymnasium Münster
Hittorf-Gymnasium in Recklinghausen
Straßen:
Es gibt Hittorfstraßen in Münster, Bonn, Köln, Essen, Remscheid, Burghausen und Berlin-Dahlem (am Fritz-Haber-Institut) und die Johann-Hittorf-Straße in Berlin-Adlershof (am Max-Born-Institut)Leistungen
Publikationsliste (A: Aufsatz, B: Bemerkung)
A.1 „Ableitung einiger Eigenschaften der Kegelschnitte aus ihrer Polargleichung“ Crelles Journ. 38, 89-92 (1847) Auszug aus der Dissertation
A.2 „Ueber die Bildung einer blauen Oxydationsstufe des Platins, so wie einiger anderer Oxyde der edlen Metalle auf galvanischem Wege“ Pogg. Ann. 72 (11), 481-485 (1847) [heute: Ann. d. Phys. 148 (11), 481-485 (1847)]
A.3 „Ueber das elektrische Leitungsvermögen des Schwefelsilbers und Halbschwefelkupfers“ Pogg. Ann. 84 (9), 1-28 (1851) [heute: Ann. d. Phys. 160 (9), 1-28 (1851)]
A.4 „Ueber die Allotropie des Selens“ Pogg. Ann. 84 (10), 214-220 (1851) [heute: Ann. d. Phys. 160 (10), 214-220 (1851)]
A.5.1 „Ueber die Wanderungen der Ionen während der Elektrolyse, Erste Mittheilung“ Pogg. Ann. 89 (6), 177-211 (1853) [heute: Ann. d. Phys. 165 (6), 177-211 (1853)]
A.5.2 „Ueber die Wanderungen der Ionen während der Elektrolyse, Zweite Mittheilung“ Pogg. Ann. 98 (5), 1-33 (1856) [heute: Ann. d. Phys. 174 (5), 1-33 (1856)]
A.5.3 „Ueber die Wanderungen der Ionen während der Elektrolyse, Dritte Mittheilung“ Pogg. Ann. 106 (3), 337-411 (1859) [heute: Ann. d. Phys. 182 (3), 337-411 (1859)]
A.5.4 „Ueber die Wanderungen der Ionen während der Elektrolyse (Schluß)“ Pogg. Ann. 106 (4), 513-586 (1859) [heute: Ann. d. Phys. 182 (4), 513-586 (1859)]
A.5.a „Rechtfertigung seiner Mittheilungen „Ueber die Wanderungen der Ionen“. Elektrolyse einer Lösung zweier Salze“ Pogg. Ann. 103 (1), 1-56 (1858) [heute: Ann. d. Phys. 179 (1), 1-56 (1858)]
A.5.b „Rechtfertigung des Satzes: „Electrolyte sind Salze“ als Erwiderung auf Dr. L. Bleekrode’s Kritik“ Wied. Ann. 4 (7), 374-416 (1878) [heute: Ann. d. Phys. 240 (7), 374-416 (1878)]
A.5 auch erschienen in Ostwalds Klassikern der exakten Wissenschaften Nr. 21 und Nr. 23 (1891)
A.6.0 J. Plücker & W. Hittorf, „Neue Untersuchungen über die Spektralanalyse“ Verh. d. naturh. Ver. d. Rheinl. 20, 39-42 und 89-92 (1863)
A.6 J. W. Hittorf & J. Plücker „On the spectra of ignited gases and vapours, with especial regard to the different spectra of the same elementary gaseous substance“ Phil. Trans. 155, 1-29 (1865)
A.7 „Zur Kenntniß des Phosphors“ Pogg. Ann. 126 (10), 193-227 (1865) [heute: Ann. d. Phys. 202 (10), 193-227 (1865)]
A.8.1 „Ueber die Elektricitätsleitung der Gase, Erste Mittheilung“ Pogg. Ann. 136 (1), 1-31 (1869) [heute: Ann. d. Phys. 212 (1), 1-31 (1869)]
A.8.1.1 „Ueber die Elektricitätsleitung der Gase, Erste Mittheilung (Schluß)“ Pogg. Ann. 136 (2), 197-234 (1869) [heute: Ann. d. Phys. 212 (2), 197-234 (1869)]
A.8.2 „Ueber die Elektricitätsleitung der Gase, Zweite Mittheilung“ Pogg. Ann. Jubel-Bd. 430-445 (1874)
A.8.3 „Ueber die Elektricitätsleitung der Gase, Dritte Mittheilung “Wied. Ann. 7 (8), 553-631 (1879) [heute: Ann. d. Phys. 243 (8), 553-631 (1879)]
A.8.4.1 „Ueber die Elektricitätsleitung der Gase, Vierte Mittheilung“ Wied. Ann. 20 (12), 705-755 (1883) [heute: Ann. d. Phys. 256 (12), 705-755 (1883)]
A.8.4.2 „Ueber die Elektricitätsleitung der Gase, Vierte Mittheilung (Fortsetzung)“ Wied. Ann. 21 (1), 90-139 (1884) [heute: Ann. d. Phys. 257 (1), 90-139 (1884)]
A.8.a „Berichtigung zu dem Aufsatz: Ueber die Elektricitätsleitung der Gase“ Wied. Ann. 8 (12), 671 (1879) [heute: Ann. d. Phys. 244 (12), 671 (1879)]
A.9 „Zur Kenntnis der elektromotorischen Kräfte galvanischer Kombinationen“ Z. Phys. Chem. 10, 593-620 (1892)
A.10 W. Hittorf & H. Salkowski „Ueber die merkwürdige Klasse unorganischer Säuren und ihr elektrolytisches Verhalten“ Z. Phys. Chem. 28, 546-555 (1899)
A.11.1 „Ueber das electrochemische Verhalten des Chroms, Erste Mitteilung“ Z. Phys. Chem. 25, 729-749 (1898)
A.11.2 „Ueber das electrochemische Verhalten des Chroms, Zweite Mitteilung“ Z. Phys. Chem. 30, 481-507 (1899)
A.11 auch erschienen in:
Berl. Ber. 14, 193-212 (1898)
Wied. Ann. 65 (6), 320-343 (1898) [heute: Ann. d. Phys. 301 (6), 320-343 (1898)]
A.12 „Über die Passivität der Metalle“ Z. Phys. Chem. 34, 385-402 (1900)
A.13 „Bemerkung über die Bestimmung der Überführungszahlen der Ionen während der Elektrolyse ihrer Lösungen. Das Verhalten der Diaphragmen bei derselben“ Z. Phys. Chem. 39, 613-629 (1902)
A.14 „Das Verhalten der Diaphragmen bei der Elektrolyse von Salzlösungen, Zweite Mitteilung“ Z. Phys. Chem. 43, 239-249 (1903)
B.1 „Bemerkungen zu dem Aufsatz von W. Siemens: Ueber das Leuchten der Flamme“ Wied. Ann. 19 (5), 73-77 (1883) [heute: Ann. d. Phys., 255 (5), 73-77 (1883)]
B.2 „Bemerkungen zum Aufsatz der Herren Nernst und Riesenfeld: Ueber electrolytische Erscheinungen an der Grenzfläche zweier Lösungsmittel“ Ann. d. Phys. 9, 243-245 (1902) [heute: Ann. d. Phys. 314 (9), 243-245 (1902)]
Nachrufe
Aus der Chronik der Universität 1914/15
Im Wintersemester 1914/15 erlitt die Universität einen überaus schweren Verlust. Am 28. November 1914 verschied nach kurzem Leiden im Alter von 90 Jahren Seine Exzellenz der Wirkliche Geheimer Rat Dr. Wilhelm Hittorf o. ö Professor der Physik an unserer Westfälischen Wilhelms- Universität, Ritter des Ordens pour le mérite für Wissenschaft und Kunst sowie anderer hoher Orden, Ehrendoktor der Universitäten Leipzig und Straßburg und der Technischen Hochschulen Berlin und Hannover, Mitglied vieler Akademien und gelehrter Gesellschaften, Ehrenbürger der Stadt Münster. Zu Ehren des Verstorbenen fand am 2. Dezember eine Akademische Trauerfeier in der Universitätsaula statt, an der außer Vertretern der technischen Hochschulen Hannover und Charlottenburg das Professorenkollegium, Se. Durchlaucht der Herr Universitätskurator und dessen Stellvertreter sowie Vertreter der Verwaltungsbehörde, der Studentenschaft und Mitglieder der Hittorfschen Familie teilnahmen. Der Rektor Prof. Dr. Mausbach und der Nachfolger im Lehramt der Physik, Prof. Dr. Schmidt, widmeten dem Heimgegangenen Worte voller innerer Bewegung und hoher Anerkennung. Nach der ergreifenden Feier fand die Überführung des Verstorbenen zum Zentralfriedhofe statt, wo die kirchliche Beisetzung in einer besonderen Gruft erfolgte.
Wilhelm Hittorf ist am 27. März 1824 in Bonn geboren; nach dem Besuch des dortigen Gymnasiums studierte er 1842 bis 1847 Mathematik und Physik in Bonn und Berlin. An ersterer Universität wurde er am 21. Dezember 1846 zum Doktor promoviert. Im Jahre 1848 wurde er vom Ministerium nach Münster berufen, um an der hiesigen vormaligen Akademie Physik und Chemie zu lehren. Am 12. Januar 1852 wurde er zum außerordentlichen Professor und am 19. August 1856, nachdem er einen Ruf als ordentlicher Professor nach Bern abgelehnt hatte, zum ordentlichen Professor ernannt. 32 Jahre hat er beide Fächer vertreten, bis im Jahre 1877 eine besondere Professur für Chemie errichtet wurde. Er hat dann noch weiter die Professur für Physik bekleidet, die er infolge eines nervösen Leidens, von dem er Heilung in einem Sanatorium suchte, mit Schluß des Sommersemesters 1889 aufgab.
Wenige sind somit die äußeren Ereignisse in den vielen Jahren Hittorfs. Desto reicher ist aber sein somit wissenschaftliches Leben gewesen. Nicht in der Zahl der in Angriff genommenen Fragen lag seine Größe, sondern in dem scharfen Bild für die Auswahl bedeutungsvoller Probleme, in der gleichmäßigen Beherrschung der chemischen wie der physikalischen Seite, in der überaus sorgfältigen und zuverlässigen Durchführung seiner Unternehmungen und in der eigenartigen Auffassung, die, meist in schroffem Gegensatz zu den seinerzeit herrschenden Ansichten stehend, doch auf die Dauer durchdrang und sich behauptete. Dabei muß man noch besonders bemerken, daß Hittorf unter sehr ungünstigen äußeren Bedingungen arbeiten mußte. Für die Vorlesung und seine experimentellen Untersuchungen standen ihm nur 50 Taler zur Verfügung, eine Summe, deren Geringfügigkeit ein jeder beurteilen kann, der erwägt, daß heutzutage der Etat für Physik an jeder Realschule mindestens das vierfache beträgt. Gesuche um Erhöhung wurden abgelehnt, da von dem Provinzialschulkollegium der Grundsatz aufgestellt war, daß der Dozent an der hiesigen kleinen Akademie nicht die Aufgabe habe, durch weitläufige und kostspielige Versuche die Wissenschaft zu fördern. Hittorf war anderer Ansicht, und unter großen persönlichen Opfern und mit unermüdlichem Fleiß hat er trotz der Ungunst der Verhältnisse seine wissenschaftlichen Arbeiten durchgeführt. Er hat es dadurch erreicht, daß schließlich das kleine physikalische Kabinett an der Akademie mindestens als gleichberechtigt den besser dotierten größeren Instituten an den Universitäten angesehen wurde.
Hittorfs Arbeiten sind Gemeingut der Physiker geworden. Es gibt kein Lehrbuch der Physik, das nicht seine großen Entdeckungen behandelt. Er hat als erster in dem Anfang der 50er Jahre des vorigen Jahrhunderts die Vorgänge aufgeklärt, welche sich abspielen, wenn der elektrische Strom durch Flüssigkeiten hindurchgeht. Trotzdem gegen die experimentellen Ergebnisse beigebracht wurde, wurden die Arbeiten abgelehnt, wohl hauptsächlich, weil die sich daraus für einen gesicherten Besitz der Wissenschaft hielt. Erst als Kohlrausch in Würzburg 20 Jahre später auf anderem Wege zu demselben Ergebnisse gelangte und später Ostwald und Arrhenius zeigten, daß sich aus den theoretischen Anschauungen Hittorfseine Reihe wichtiger Gesetze ergaben, erkannte man, daß man dem Münsteraner Gelehrten durch die Ablehnung und die Nichtachtung seiner Arbeiten ein bitteres Unrecht zugefügt hatte. Seitdem hat man immer mehr und mehr erkannt, wie fruchtbar die Hittorfschen Anschauungen sind. Sie bilden mit den Grundstein für das große Gebäude der Elektrochemie.
Ebenso wie diese Arbeiten von der Wissenschaft abgelehnt wurden, so ging es auch mit der anderen großen Entdeckung Hittorfs, der der Kathodenstrahlen. Es sind dies Strahlen, die von Metallen in verdünnten Gasen unter dem Einfluß von hochgespannten elektrischen Strömen ausgehen. Bereits im Jahre 1869 hat Hittorf sie entdeckt und alle ihre Eigenschaften erkannt. Aber erst als Crookes sie fünf Jahre später wiederfand, da wurde die Entdeckung als eine große gefeiert, und nach heute nennen die Engländer, die bekanntlich alles für sich beanspruchen gleichgültig, ob es ihnen zukommt oder nicht, sie als Crookessche Strahlen. Sie bilden die Grundlage für die Entdeckung Röntgens.
Diese beiden Arbeiten bilden den Höhepunkt von Hittorfs wissenschaftlichen Untersuchungen. Daneben hat er auch eine größere Anzahl von Arbeiten aus allen Teilen der Physik und der Chemie veröffentlicht, die alle seinen scharfen Verstand und seine Sorgfalt im Experimentieren zeigen. Auch die Technik hat daraus reichen Nutzen gezogen.
Den Wert seine Entdeckungen hat die Wissenschaft zwar spät, aber dann voll und ganz erkannt. Er ist Mitglied fast alles Akademien der Wissenschaft; die Höchsten Orden zieren ihn, und als er im Frühjahr 1914 seinen 90. Geburtstag feierte, ehrte ihn das Kultusministerium durch den Titel Exzellenz.
Groß sind auch Hittorfs Verdienste um die Universität. Weil unsere Anstalt noch jung ist, kann sie nicht, wie ihre älteren Schwestern, auf eine größere Anzahl von Männern hinweisen, deren Bedeutung in der ganzen Welt anerkannt ist. Aber sie besitzt einen, dessen Namen mit gleicher Achtung überall genannt wird, und das ist Hittorf. Er hat die Akademie berühmt gemacht.
Noch in anderer Hinsicht hat er sich um die Universität große Verdienste erworben. Wie schon erwähnt, hat er bei seinen wissenschaftlichen Forschungen unter den kleinen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln zu leiden. Um seinen Kollegen und den Studenten die Arbeit zu erleichtern, schenkte er ein größeres Kapital, dessen Zinsen jährlich für Unternehmungen aus dem Gebiet der Naturwissenschaft verwandt werden. Manche Arbeit ist hierdurch ermöglicht worden.
Schließlich muß man noch seiner Verdienste um den Ausbau der Akademie zu einer Volluniversität gedenken. Mit Rat und Tat ist er als einer der ersten hierfür eingetreten; er hat es durchgesetzt, daß für die Naturwissenschaft eigene Institute errichtet wurden. Auf seine Anregung wurde das chemische Institut gebaut.
Die Stadt Münster ist mit ihrer Universität innig verbunden; die Blüte der Universität kommt auch der Stadt zugute. Es hat daher Hittorf, indem er seine ganze Kraft für den Ausbau der Akademie einsetzte, sich auch um die Stadt Verdienst erworben. Dies hat die Stadt anerkannt, indem sie ihn als Zeichen des Danks zum Ehrenbürger ernannte.
Ein Großer ist von uns geschieden, ein Mann, den dem man ohne Übertreibung sagen kann: es wird die Spur von einen Erdentagen nicht in Äonen untergehen. Ein köstliches Erbe hat er uns hinterlassen, sein Beispiel und sein Werk. Und wenn auch tiefe Wehmut uns um seinen Heimgang erfüllt, so tritt sie doch in den Hintergrund gegenüber dem Gefühl des Dankes für seine Arbeit um die Wissenschaft und seine Universität. Die Saat, die er gesät, wird niemals untergehen, sondern Früchte tragen tausendfältig. So wird der Name Hittorf stets mit leuchtenden Buchstaben in den Annalen unserer Hochschule verzeichnet bleiben.
(Nach einem Artikel aus der Feder von Prof. Dr. Gerhard Schmidt.)Die Erben Hittorfs schenken der Universität die Gipsbüste des Verewigten sowie eine Reihe wertvoller Erinnerungen (Urkunden, Adressen, Medaillen) und seine wissenschaftliche Bibliothek, außerdem für das Dozentenzimmer ein Bildnis Hittorfs, wofür ihnen auch an dieser Stelle der herzliche Dank der Universität abgestattet sei.
Chronik der Westfälischen Wilhelms-Universität zu Münster für das Jahr vom 1. April bis 31. März 1915
URN urn:nbn:de:hbz:6:1-347912
WeblinkWeiter Nachrufe
Bayerischen Akademie der Wissenschaften von Arnold Sommerfeld
Nature 94, 484 (1914) von J. C. P.
Zeitschrift für angewandte Chemie 27, 657-658 (1914) von Hans Goldschmidt
Z. f. Elektrochem. 21(5/6), 65-69 (1915) von Svante Arrhenius
Die Naturwissenschaften 3(4), 7 (1915) von Alfred Coehn
Physikalische Blätter 4(2), 64-68 (1948) von Gerhard C. Schmidt
Physikalische Blätter 20(12), 571-577 (1964) von Hans Schimank
Kurze Chronik des Fachbereichs
1879: Schaffung einer Professur für Chemie
Seitdem hat Hittorf eigenständige Professur für Physik
1920: Die zweite Physik Professur wird in persönliches Ordinariat für theoretische Physik umgewandelt
Erwin Madelung hat kurzzeitig diese Stelle inne, ab 1922 hat Adolf Kratzer diese Professur
1943: Das Institutsgebäude wird vollständig zerstört
1944: Das Physikalische Institut zieht nach Holzminden
1945: Das Institut kehrt nach Münster zurück, untergebracht in wechselnden Zwischenunterkünften
Das neu gegründete Institut für Theoretische Physik wird im Schloss untergebracht
1952: Das Institut für Angewandte Physik wird gegründet, untergebracht am Schlossplatz 5, Heinz Bittel wird erster Professor
1953: Das Physikalische Institut zieht in das ehemalige Oberpräsidium am Schlossplatz 7
1959: Das Institut für Kernphysik wird gegründet, untergebracht in der Tibusstr., E. Huster ist erster Professor
1966: Das Institut für Theoretische Metallphysik wird gegründet, O. Krisement ist erster Professor
Das Institut für Angewandte Physik zieht in Neubau am Naturwissenschaftlichen Zentrum um
1970: Die Mathematisch-Naturwissenschaftliche Fakultät wird aufgelöst und der Fachbereich Physik gegründet
Astronomisches Institut (seit 1958 von H. Straßl geleitet)
Institut für Geophysik (seit 1959 von B. Brockamp geleitet)
Institut für Metallforschung (seit 1959 von Th. Heumann geleitet)
werden Teile des Fachbereichs
1972: Das Institut für Kernphysik zieht in Neubau am Naturwissenschaftlichen Zentrum um
1980: Die restlichen Institute ziehen in Neubau am Naturwissenschaftlichen Zentrum um
Während des Nationalsozialismus
von Achim Weiguny
Die Physik an der Universität Münster im Spannungsfeld des Nationalsozialismus
Erschienen in:
Wiederaufbau in der Nachkriegszeit
Biographie über Adolf Kratzer von Norbert Schmitz
Erschienen in:
Wissenschaftliche Schriften der Universität Münster / Reihe XIV, Bd. 1