Physik jenseits des Standardmodells

Künstlerische Darstellung einer Karte des „Quanten-Universums“
© www.form-one.de

Die eindrucksvollen theoretischen Einsichten und experimentellen Entdeckungen in der Hochenergiephysik während der vergangenen 40 Jahre haben sich zu einem äußerst kohärenten Bild gefügt, dem sogenannten „Standardmodell“ der Teilchenphysik. Diese Leistungen werden bis heute durch zahlreiche Nobelpreise gewürdigt (z. B. ’t Hooft und Veltman 1999; Gross, Politzer und Wilczek 2004; und Nambu, Kobayashi und Maskawa 2008). Zugleich ist die Tatsache heute weithin akzeptiert, dass das Standardmodell nur eine effektive Theorie sein kann, da es viele wichtige physikalische Fragen offenlässt, wie z. B.: Was sind die wirklich fundamentalen Teilchen, Kräfte und Symmetrien in der Natur? Wie entstand unser Universum, und wie hat es sich in seinen heutigen Zustand fortentwickelt?

Viele Modelle für die Physik jenseits des Standardmodells wurden bereits und werden immer noch vorgeschlagen. Oft sind sie von der Stringtheorie inspiriert, einer vielversprechenden, endlichen Theorie, die die Gravitation einschließt, eine Grand Unified Theory der drei Eichwechselwirkungen ermöglicht, eine Supersymmetrie von Fermionen und Bosonen erfordert und (mindestens) sechs zusätzliche Raumdimensionen mikroskopischen Ausmaßes vorhersagt.

Erste experimentelle Hinweise auf neue Physik wurden kürzlich in indirekten Messungen bei niedrigen Energien und bei astrophysikalischen Beobachtungen entdeckt. So können zum Beispiel weder das gemessene anomale magnetische Moment des Myons noch die beobachteten Neutrino-Oszillationen, die von überraschend kleinen, aber nicht verschwindenden Massen induziert werden, und auch nicht das Vorkommen kalter dunkler Materie und dunkler Energie im Universum im Rahmen des Standardmodells erklärt werden. Präzise experimentelle Hinweise können jedoch nur aus der direkten Beobachtung neuer Teilchen und Symmetrien in der kontrollierten Umgebung eines Hochenergie-Colliders gewonnen werden, da indirekte Messungen meist verschiedene theoretische Interpretationen zulassen und astrophysikalische Beobachtungen oft durch die Propagation des Signals durch unzureichend bekannte kosmische Milieus verwässert werden. Während der vergangenen zehn Jahre haben Europa und die restliche Welt eine enorme Summe in den Large Hadron Collider am CERN investiert, um erstmals die TeV-Energieskala zu untersuchen. Diese Investition muss selbstverständlich auf bestmögliche Weise genutzt werden.