Elektrooptische Kompositpolymere

Zusammensetzung der Polymere

 
In elektrooptischen Materialien besteht der photorefraktive Effekt, d.h. die lichtinduzierte Brechungsindexänderung, aus mehreren Schritten. Zunächst werden durch Lichteinstrahlung aus Störstellen Ladungsträger freigesetzt. Durch verschiedene Transportmechanismen können diese im Material wandern und in weiteren Störstellen wieder eingefangen werden. Durch diese Umverteilung von Ladungen kommt es zum Aufbau eines Raumladungsfeldes, welches über den elektrooptischen Effekt in eine Brechungsindexänderung umgesetzt wird. Daraus ergeben sich folgende Anforderungen an ein Material, dass photorefraktiv sein soll:

  1. Lichtinduzierte Generierung von freien Ladungsträgern
  2. Erhöhte Leitfähigkeit für eine Ladungsart
  3. Fallen für die transportierten Ladungsträger
  4. Elektrooptische Änderung des Brechungsindexes
In polymeren Materialien können diese Eigenschaften grundsätzlich durch zwei Ansätze realisiert werden. Zum einen können alle Anforderungen durch einen einzigen Stoff bereitgestellt werden. Dies kann in vollfunktionalisierten Polymeren durch Binden von Funktionsgruppen an das Polymer selbst oder durch Einbringen kleiner glasbildener Moleküle in ein Hostpolymer erfolgen. Die zweite Realisierungsmöglichkeit beruht darauf, jede der oben genannten Anforderungen an das Material durch verschieden Komponenten,die vermischt werden, bereitzustellen. Diese Kompositmaterialien haben den Vorteil der viel leichteren Herstellung, sowie der Anpassung der unterschiedlichen Eigenschaften durch einfache Änderung der Zusammensetzung. Da letztere Materialklasse auch die größten Nichtlinearitäten aufweist, konzentrieren wir uns auf die Herstellung und Anwendung von diesen Kompositpolymeren und gehen im Folgenden näher auf sie ein.

Hoppingmodell in Polymeren
Ladungstransportmodell in Polymeren, bei dem Elektronen zwischen verschiedenen Molekülniveaus hüpfen können und so positive Löcher transportiert werden.

Zur lichtinduzierten Generierung von Ladungsträgern werden Sensibilisatoren verwendet, die häufig eine breite Absorbtionsbande im sichtbaren Wellenlängenbereich aufweisen. Die Auswahl wird vor allen Dingen durch die gewünschte Arbeitswellenlänge des Komposites bestimmt. Der eigentliche Prozess der Ladungsgenerierung besteht aus der Absorption eines Photons und nachfolgender Erzeugung eines Elektronen-Loch Paares. Durch ein angelegtes äußeres Feld können diese Elektronen-Loch Paare dissoziieren und durch die Ladungstransportmoleküle räumlich umverteilt werden.
Der Ladungstransport wird durch Ladungstransportmoleküle (charge transfer agents CTA) ermöglicht. Nach einer Ladungsinduzierung aus Sensibilisatoren in ein HOMO-Niveau dieser CTA's erfolgt der Transport über Hüpfprozesse von Ladungen zwischen einzelnen Molekülen. Für diese Art des Ladungstransportes ist es wichtig, dass die einzelnen Moleküle räumlich nahe zueinander angeordnet sind und dass die Ladungsträger durch ein äußeres Feld von Molekül zu Molekül "gezogen" werden. Häufig wird die Rolle des CTA's durch das Polymer selbst übernommen, wobei dann Löcher also positive Ladungsträger bevorzugt transportiert werden.
Für die Entstehung eines Raumladungsfeldes ist es wichtig, dass Ladungsträger nicht nur transportiert, sondern wirklich umverteilt werden. Daher ist es unerlässlich, dass die transportierten Ladungsträger in sogenannten Fallen für eine gewisse Zeit vom Ladungstransportprozess ferngehalten werden, bevor sie wieder mit komplementären Ladungen rekombinieren können. Diese Fallen stellen energetisch tiefe Störstellen dar, deren mikroskopische Identifikation in Polymeren bisher nicht eindeutig geklärt ist. Zum einen können dies lokale Störungen der Polymerniveaus oder Verunreinigungen bzw. Dotierungen sein. Auch die Sensibilisatoren könnten hier eine bedeutende Rolle spielen. Eine eindeutige Klärung bedarf allerdings noch weiterer Forschung.

Kerreffekt in Polymeren
Änderung der Doppelbrechung aufgrund der Orientierung von dipolartigen Chromophoren mit großer Differenz der Polarisierbarkeiten. Oben: Isotrope Verteilung von Chromophoren im Polymer. Mitte: Ausrichtung der Chromophore in einem äußeren Feld (Ermöglichung des linearen elektrooptischen Effektes). Unten: Ausrichtung der Chromophore im Feld aus der Summe des äußeren und des Raumladungsfeldes

Ist es zum Aufbau eines Raumladungsfeldes gekommen, muss dieses über den elektrooptischen Effekt in eine Brechungsindexänderung umgesetzt werden, um ein photorefraktives Material zu erhalten. Diese Funktion wird durch Chromophore bereitgestellt. Zum einen können diese den Pockels-Effekt, also den linearen elektrooptischen Effekt, wie in kristallinen photorefraktiven Materialien zeigen. Hierzu müssen die meist stabförmigen Dipolchromophore in einem äußeren eletrischen Feld ausgerichtet werden, um die durch die zufällige Ausrichtung gegebene Isotropie zu brechen. In den meisten Polymeren überwiegt jedoch ein quadratischer oder Kerr-Effekt, der durch Orientierung der polaren Chromophore im Raumladungsfeld zu einer Änderung der Doppelbrechung führt (Abb. xx4). Dieser auch häufig Orientierungsverstärkung genannte Effekt macht eine leichte Ausrichtung der Chromophore in der Polymermatrix unter Einfluss eines elektrischen Feldes nötig. Dies kann durch Einstellung der Glasübergangstemperatur in die Nähe der Arbeitstemperatur durch zusätzliches Einbringen von Weichmachern in die Polymermatrix geschehen. Eine weitere Optimierungsmöglichkeit dieser Doppelbrechungsänderung besteht in der Vergrößerung des statischen Dipolmomentes, sowie der Anisotropie der Polarisierbarkeiten entlang der Molekülachse und senkrecht dazu. Die meisten Ansätze verwenden deshalb stabförmige push-pull-Systeme mit Doppelbindungen als Übergangselement (Beispiele siehe Chromophore). Aufgrund der Schlüsselstellung der Chromophore für die photorefraktiven Eigenschaften des Komposites werden diese anders als die restlichen Bestandteile, die komerziell erhältlich sind, in unserer Arbeitsgruppe synthetisiert.

Bei der Herstellung eines photorefraktiven Polymers kommt es jedoch nicht nur auf die einzelnen Bestandteile, sondern auch auf deren Verhalten im Verbund an. Die Sensibilisatoren bestimmen nicht nur die Arbeitswellenlänge sondern auch den Quantenwirkungsgrad, sowie die Leitfähigkeit des Materials und durch Chromophore kann es zu unerwünschter Absorption im Bereich der Arbeitswellenlänge kommen. Zusätzlich ist für möglichst große Brechungsindexänderungen und schnelle Antwortzeiten eine möglichst große Konzentration an Sensibilisatoren und Chromophoren in einer möglichst weichen Polymermatrix wünschenswert. Die Umsetzung dieser Zusammensetzung stößt aber durch die Lösungseigenschaften der Moleküle in der Matrix an ihre Grenzen und führt zur Auskristallisation der funktionalen Komponenten. Daher müssen alle Komponenten sowohl in ihrer Auswahl als auch in ihrem Anteil an der Materialmischung sorgfältig auf die gewünschten Eigenschaften abgestimmt werden. Für eine bestimmte Anwendung ist die Optimierung der Polymere jedoch nur durch eine arbeitsintensive experimentelle Vorgehensweise möglich.

Herstellung von polymeren photorefraktiven Elementen

Polymerprobe
Aufbau eines photorefraktiven Polymerelementes

 
Wie im vorherigen Abschnitt erläutert, werden in Kompositmaterialien verschieden funktionelle Bestandteile in einer Polymermatrix gelöst. Experimentell werden dazu alle Bestandteile eines Komposites in einem definierten Mengenverhältniss in einem geeigneten Lösungsmittel wie z.B Methylpyrilidon gelöst und gut durchmischt. Diese Mischung wird dann entweder direkt oder nach Abzug des Lösungsmittels zwischen zwei Glasplatten gepresst. Auf diesen Platten befinden sich optisch transparente Elektroden aus Indium-Zinnoxid (ITO), über die das notwendige elektrische Feld angelgt werden kann. Aufgrund der Höhe des elektrischen Feldes von bis zu 150 V/µm ist auf eine sorgfältige Verarbeitung der Elektroden und des Polymers zu achten, um Durchschläge zu vermeiden. Die Dicke der Polymerschicht kann über Abstandshalter eingestellt werden und liegt typischerweise bei 100 µm.

Charakterisierung der Eigenschaften der Kompositpolymere

 
Neben mechanischen Eigenschaften wie der Glasübergangstemperatur, die mit DSC-Messungen überprüft werden kann, stehen vor allem die optischen Eigenschaften der Polymere im Mittelpunkt unseres Interesses. Als grundlegende Eigenschaften sind die Absorption und die optische Qualität der photorefraktiven Elemente wichtig. Von besonderem Interesse sollen aber die nichtlinearen und photorefraktiven Eigenschaften im Weiteren betrachtet werden. Mithilfe von ellipsometrischen Messungen ist eine Beurteilung der Orientierung von Chromophoren in einem elektrischen Feld möglich. Durch Wellenmischexperimente wie Zwei- und Vier-Wellen-Mischen können wir sowohl die Stärke der lichtinduzierten Brechungsindexänderungen als auch aus Brechungsindexgittern verursachte Strahlverstärkungen bestimmen. Mögliche Abhängigkeiten des Gitteraufbaus von der Stärke des äußeren Feldes, der Lichtwellenlänge und Intensität sowie verschiedener Schreibwinkel bilden freie Parameter für die Materialoptimierung für gedachte Anwendungen. Für hohe Energieüberträge zwischen zwei Lichtwellen wird besonders die Phasenverschiebung zwischen einem einfallenden Intensitätsmuster und dem resultierenden Brechungsindexmuster wichtig, weshalb diese mit der Technik des bewegten Gitters untersucht wird.

Polymer in Halter
Fotografie eines photorefraktiven Polymers in einer Halterung für optische Untersuchungen

Ziele der Materialoptimierung

 
Hauptziel dieser Forschung soll die optimierte Anwendung von photorefraktiven Polymeren in einem bewegungsdetektierenden Mikroskop auf der Basis photorefraktiver Stahlkopplung sein, wie es in unserer Arbeitsgruppe zur Untersuchung von bewegten Amplituden und Phasenobjekten Verwendung findet. Bislang publizierte Polymere wurden dabei vorrangig im roten Wellenlängenbereich eingesetzt. Um das volle Auflösungsvermögen unseres Mikroskopsystems auszunutzen, arbeiten wir an einem Polymer, das eine hohe Strahlkopplung im blauen Wellenlängenbereich aufweist. Zusätzliche Anforderungen an das Material sind dabei eine hohe optische Qualität, ein hohes Auflösungsvermögen sowie eine gute thermische wie mechanische Stabilität.

Ansprechpartner: Thomas Schemme