Jerry Springers Verhältnis zu seiner Show
Was immer momentan in den USA schiefgeht, die
amerikanische Öffentlichkeit findet in Jerry Springer den Sündenbock. Wen wundert es da,
daß der Talkmaster in Interviews sich und seine Show immer wieder verteidigen und
rechtfertigen muß.
In einem Bericht des Magazins "Der Spiegel" wird die Einstellung des Talkmasters
zu seiner Show deutlich (Der Spiegel). Ein Journalist begleitete den erfolgreichen
Springer einen Tag lang bei seiner Arbeit und führte mit ihm ein Interview, aus dem die
in diesem Artikel verwendeten Zitate stammen.
Zum Format seiner
Sendung sagt Springer: " Dies ist keine Talkshow. Hier wird nicht getalkt. Hier
wird geflucht und mit Sachen herumgeschmissen, die die Leute gerade zur Hand haben. Was
wir hier machen, ist professionelles Wrestling." Seinen Kritikern nimmt Springer
mit dieser Aussage schon eine Menge Wind aus den Segeln, weil er seine Show gar nicht erst
versucht zu verteidigen, sondern den – traurigen – Tatsachen ins Auge sieht,
wenn er ohne Umschweife zugibt, daß die hohen Einschaltquoten nur allzu oft mit
Beschimpfungen und Prügeleien seiner Talkgäste - eben mit "professionellem
Wrestling" - erzielt werden. Der US-Talker betont, daß "die Leute, die sich
in der Sendung prügeln, niemals toll aussehen, im Gegenteil. Sie werden ausgebuht."
Die Show sei höchst moralisch, weil sie zeige, daß Gewalt schlecht sei. Diese
Ansicht erscheint allerdings sehr fragwürdig, wenn man die johlende und "Jerry,
Jerry" rufende Zuschauermenge sieht, die sich erst für die Talkgäste zu
interessieren scheint, wenn diese aufeinander losgehen und gewalttätig werden. Solcher
Kritik entgegnet Springer mit Aussagen wie: "Meine Show ist in der Geschichte des
Fernsehens nicht mehr als ein langer, unbedeutender Beep." "Eine dumme,
verrückte, lustige Sache. Nichts, was man ernst nehmen sollte." Im
Spiegelartikel wird allerdings ein sehr tragisches Beispiel dafür angeführt, daß ganz
"normale" Menschen – in diesem Fall Teenager – seine Show sehr wohl
sogar sehr ernst nehmen, sie sogar als Vorbild haben. In diesem Beispiel geht es um die
jahrelange Vergewaltigung eines achtjährigen Mädchens durch ihr beiden älteren Brüder.
Die beiden Jungen haben gegenüber niemandem – nicht einmal gegenüber der Polizei
– Reue gezeigt. Die Erklärung für ihre grausame Tat: "Das alles haben wir bei
Jerry Springer gelernt." Springer weist jegliche Vorwürfe, daß er mit seiner Show
zumindest mitverantwortlich sei für dieses Verbrechen, weit von sich. In seiner Sendung
sei niemals ein ähnliches Thema behandelt worden, welches die Teenager veranlaßt haben
könnte, ihrer Schwester so etwas anzutun.
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Zu den Themen seiner Sendungen sagt Springer: "Jemand hat jemandem jemand ausgespannt." Damit trifft er wirklich den Kern der Themenpalette, die von "Hilfe, ich hatte Sex mit einem Transsexuellen" über "Ich betrüge meinen Mann mit einer Frau" bis zu "Ich habe Sex mit meinem Haustier" reicht. Wer mit wem dabei ein Verhältnis hat, ist eigentlich ganz egal. Hauptsache, es gibt mindestens einen Betrogenen, der seiner Wut noch in der Sendung und damit vor laufenden Kameras freien Lauf läßt. Von Themenvielfalt kann nicht mehr die Rede sein, denn nur mit dem von Springer formulierten "Grundthema" läßt sich eine hohe Einschaltquote erzielen. Wenn sich doch einmal ein anderes Thema einschleicht, ist es nicht weniger spektakulär als die Beziehungsgeschichten. |
Die mehr oder weniger großen Katastrophen, die sich in seinen Sendungen teilweise abspielen, scheinen den "Gastgeber" nicht weiter zu interessieren. "Wenn einer Hilfe braucht – warum kommt er dann zu mir? Ich bin kein Psychologe. Eine Fernsehshow ist sicher nicht der richtige Ort, um persönliche Probleme zu lösen." Springer lehnt jede Verantwortung für den Seelenstrip seiner Gäste und die daraus entstehenden Folgen ab nach dem Motto "Die Leute sind doch erwachsen, also wissen sie auch, was sie tun." Wie auch bei den vorangegangenen Aussagen ist auch hier wieder interessant, daß sich Springer nicht verteidigt, sondern eigentlich die allgemein herrschende Meinung, Talkshows könnten keine Probleme lösen, unterstützt. Es stellt sich die Frage, wie Springer einer solchen Show seinen Namen leihen kann und sie moderieren kann, wo er selber doch eine so abwertende Meinung von ihr hat. Auf diese Frage entgegnet er: "Ich könnte genausogut einen Lastwagen fahren oder Kühlschränke verkaufen." Mit welcher Art von Arbeit er sein Dasein fristet und seinen Lebensunterhalt verdient, scheint ihm recht gleichgültig zu sein. Bei einem Blick auf seine Kontoauszüge wird er aber sicherlich froh sein, kein LKW-Fahrer oder Kühlschrankverkäufer zu sein... . Wen wundert da noch seine Antwort auf die Frage, welche der Sendungen, die am Tag des Interviews aufgezeichnet wurden, ihn am meisten beeindruckt hätte: "Keine. Ich habe alles vergessen."
Hielt man die bisherigen Zitate schon für ironisch, zynisch oder sogar sarkastisch, das folgende stellt sie alle in den Schatten und bedarf daher keines weiteren Kommentars: "Die amerikanische Regierung sollte mir dankbar sein. Unsere Sendung wird an 40 Länder verkauft. Die Leute, die uns dort sehen, werden nicht mehr das Verlangen haben, die USA zu überfallen." Seine Sendung zeige schließlich eine untergehende Zivilisation. ...Na, da kann man den USA ja nur gratulieren!