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„Paper of the Month“ April 2023 geht an Robert Seifert und Kambiz Rahbar aus der Klinik für Nuklearmedizin

Für den Monat April 2023 geht das „Paper of the Month“ der Medizinischen Fakultät der WWU Münster an Robert Seifert und Kambiz Rahbar aus der Klinik für Nuklearmedizin für die Publikation: A Prognostic Risk Score for Prostate Cancer Based on PSMA-PET-derived Organ-specific Tumor Volumes. Radiology 2023 Apr 18 [Volltext].

Die das prostataspezifische Membranantigen darstellende PSMA-PET/CT hat sich zum Referenzstandard der Bildgebung von Patienten mit Prostatakarzinom entwickelt. Sie ermöglicht die genaue Lokalisierung von Tumormanifestationen und Metastasen. Die Untersuchungen werden aktuell jedoch manuell ausgewertet und nur exemplarische Läsionen in der klinischen Routine genauer charakterisiert.

Durch einen KI-basierten Ansatz wurden zunächst alle Tumormanifestationen und Metastasen in den PSMA-PETs segmentiert. Das so bestimmte PSMA-PET-basierte Tumorvolumen ist ein hervorragender Parameter, um die Erkrankungsschwere quantitativ zu erfassen. Die Studie konnte darüber hinaus zeigen, dass die Bestimmung des Tumorvolumens pro Organsystem zu einer höheren Genauigkeit bei der Vorhersage der Überlebenswahrscheinlichkeit führt. Dies scheint darin begründet zu sein, dass der Ort der Metastase die Aggressivität der Krebserkrankung bestimmt. Mittels der PSMA-PET-basierten Parameter wurde ein Nomogramm entwickelt, das jeder Nuklearmediziner zur Bestimmung der Überlebenswahrscheinlichkeit verwenden kann.

Diese Arbeit konnte erstmals die Relevanz der Bestimmung des Tumorvolumens zur Vorhersage der Überlebenswahrscheinlichkeit von Patienten mit Prostatakarzinom an einer Kohorte von über 1.000 Patienten zeigen. Die Ergebnisse konnten an einer externen Validierungskohorte der Universitätsklinik Wien bestätigt werden.

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„Paper of the Month“ März 2023 geht an Emily Hoffmann und Mirjam Gerwing aus der Klinik für Radiologie

Für den Monat März 2023 geht das „Paper of the Month“ der Medizinischen Fakultät der WWU Münster an Emily Hoffmann und Mirjam Gerwing aus der Klinik für Radiologie für die Publikation: Profiling specific cell populations within the inflammatory tumor microenvironment using oscillating-gradient diffusion-weighted MRI. Mar 2023 | Journal for Immunotherapy of Cancer 11 (3) [Volltext].

Die Interaktion zwischen intratumoralen T-Zellen und tumorassoziierten Makrophagen ist ein zentraler Mediator von Tumorprogression, Metastasierung und Therapieansprechen. Derzeit eingesetzte Verfahren zur Bildgebung des intratumoralen Immunzellinfiltrats belaufen sich auf eine invasive Gewebebiopsie mit anschließender histopathologischer Untersuchung des Tumorgewebes oder kontrastmittelgestützte Zellmarkierungsverfahren.

In dieser Studie wurde ein nicht-invasiver Bildgebungsansatz zur Charakterisierung des intratumoralen Immunzellinfiltrats etabliert. Die Anwendung von diffusionsgewichteter Magnetresonanztomographie mit oszillierenden Diffusionsgradienten konnte eine zellgrößenbasierte Unterscheidung zwischen Tumorzellen, T-Zellen und Makrophagen vornehmen. Evaluiert an murinen Mammakarzinom-Modellen mit unterschiedlichen Malignitätsgraden, konnten hierbei die Veränderungen des Tumormikromilieus während der Tumorprogression sowie nach Makrophagen-Depletion erfasst werden. Zudem konnte die MRT-Sequenz ein Ansprechen auf klinisch etablierte Immuncheckpoint-Inhibition bereits drei Tage nach Therapiebeginn und somit schon vor Eintreten einer Abnahme des Tumorvolumens detektieren.

Die vorgestellte diffusionsgewichtete MRT-Sequenz liefert ein wertvolles Werkzeug zur Charakterisierung des inflammatorischen Tumormikromilieus sowie zur repetitiven Analyse des Ansprechens auf Immuntherapien. Aufgrund der nicht-invasiven Eigenschaften bietet der Bildgebungsansatz essenzielle Voraussetzungen für eine klinische Translation.

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„Paper of the Month“ Februar 2023 geht an Franziska Günl und Linda Brunotte aus dem Institut für Virologie

Für den Monat Februar 2023 geht das „Paper of the Month“ der Medizinischen Fakultät der WWU Münster an Franziska Günl und Linda Brunotte aus dem Institut für Virologie für die Publikation: The Ubiquitination Landscape of the Influenza A Virus Polymerase. Nature communications. 11 February 2023 [Volltext].

Bekannt als Grippe-Viren, lösen Influenza-A-Viren schwere Atemwegsinfektionen aus. Die virale Polymerase spielt dabei eine Schlüsselrolle und ist für die Vervielfältigung des Virusgenoms verantwortlich. Für die Koordination ihrer Aufgaben ist die Polymerase auf Ressourcen der Zelle angewiesen, wobei vermutet wird, dass post-translationale Modifikationen (PTMs), wie Ubiquitine, vermittelt durch Wirtszellenzyme, eine entscheidende Rolle spielen.

Günl et al. beschreiben zum ersten Mal das vollständige Ubiquitin-Muster der Influenza-A-Virus-Polymerase während der Infektion. Funktionelle Untersuchungen zeigen, dass 17 von insgesamt 59 Ubiquitinylierungen einen direkten Einfluss auf die RNA-Synthese-Funktion der viralen Polymerase haben. Speziell die Ubiquitinylierung an Position K578 in der PB1-Untereinheit kontrolliert dabei strukturelle Veränderungen, die für die räumlich-zeitliche Ausbildung von Polymerase-Dimeren und Nukleoprotein-Bindung notwendig sind und somit die unterschiedlichen Schritte der viralen Genomreplikation koordiniert.

Diese Studie deckt einen neuen Mechanismus auf, wie Influenzaviren Wirtszellen ausnutzen. Gleichzeitig zeigen die Ergebnisse auch, dass die Notwendigkeit für Ubiquitin-Modifikationen durch E3-Ubiquitin-Ligasen der Wirtszelle eine neue Achillesferse des Virus darstellt, die zur Entwicklung neuer antiviraler Medikamente ausgenutzt werden kann.

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„Paper of the Month“ Januar 2023 geht an Vanessa Krausel und Lisanne Pund aus der Medizinischen Klinik D

Für den Monat Januar 2023 geht das „Paper of the Month“ der Medizinischen Fakultät der WWU Münster an Dr. Vanessa Krausel und  Dr. Lisanne Pund aus der Medizinischen Klinik D für die Publikation: The transcription factor ATF4 mediates endoplasmic reticulum stress-related podocyte injury and slit diaphragm defects. Kidney International. 2022 Dec 29;S0085-2538(22)01088-2 [Abstract].

Chronische Nierenerkrankungen gehen zu einem großen Teil auf eine Schädigung von Podozyten zurück, welche die Filtrationsbarriere der Niere bilden. Das Galloway-Mowat-Syndrom ist eine genetische Erkrankung, die durch schwere neuro-renale Defekte charakterisiert ist, den Podozyten betrifft und u.a. durch Mutationen in Genen des KEOPS-Komplexes verursacht wird. Die Pathomechanismen dieser genetischen Erkrankung sind nicht gänzlich verstanden.

In dieser Studie konnte in einer Podozyten-Zelllinie und einem In-vivo-Podozyten-Model, dem Nephrozyten aus der Fruchtfliege, gezeigt werden, dass ein Knockdown der katalytischen Einheit OSGEP/Tcs3 des KEOPS-Komplexes eine Zellschädigung induziert. Darüber hinaus konnten Defekte der Schlitzmembran als Folge der OSGEP/Tcs3-Reduktion nachgewiesen werden, die durch humane Mutationen nicht verbessert wurden. ER-Stress, insbesondere der PERK/PEK Signalweg und der Transkriptionsfaktor ATF4/Crc, wurden als zentrale Regulatoren der Pathogenese identifiziert und durch pharmakologische und genetische Inhibitionsstudien getestet. Eine Transkriptom-Analyse der regulierten Gene in Knockdown-Podozyten bestätigte die identifizierten Signalwege und deren Inhibition hatte positive Effekte auf den Phänotyp.

Anhand der Erkenntnisse dieser Studie konnte gezeigt werden, dass ER-Stress, insbesondere die Aktivierung von ATF4, ein wichtiger Pathomechanismus für Podozytenschädigungen bei glomerulären Erkrankungen ist. Dieses Ergebnis eröffnet gegebenenfalls neue Therapieansätze für Patienten mit Podozytenerkrankungen.

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„Paper of the Month“ Dezember 2022 geht an Dr. Patrick Ostkamp aus dem Institut für Translationale Neurologie

Für den Monat Dezember 2022 geht das „Paper of the Month“ der Medizinischen Fakultät der WWU Münster an Dr. Patrick Ostkamp aus dem Institut für Translationale Neurologie für die Publikation: A single-cell analysis framework allows for characterization of CSF leukocytes and their tissue of origin in multiple sclerosis. Science Translational Medicine. 2022 Nov 30;14(673):eadc9778 [Volltext].

Die Cerebrospinalflüssigkeit (oder: Liquor) ist eine im Zentralnervensystem gebildete Flüssigkeit, die unter anderem Leukozyten enthält. Bislang war jedoch unklar, welche dieser Leukozyten aus dem peripheren Blut stammen und welche direkt aus dem Zentralnervensystem.

Mithilfe statistischer Modelle aus dem Bereich der künstlichen Intelligenz haben die Autoren Datensätze aus wissenschaftlichen Datenbanken mit am UKM gewonnenen Daten kombiniert und so ein Studiendesign geschaffen, mit dem sich die Frage nach der Herkunft der Liquor-Leukozyten klären ließ: Unbehandelte Multiple-Sklerose-Patientinnen und -Patienten wurden verglichen mit solchen, die mit Natalizumab behandelt wurden, einem Antikörper, der die Migration von peripheren Leukozyten in das Zentralnervensystem blockiert. Dabei stellte sich heraus, dass unter der Behandlung nur noch solche Zellen im Liquor gefunden werden konnten, die üblicherweise in Geweben vorhanden sind, zum Beispiel Makrophagen und gewebsständige T-Zellen, während im Liquor unbehandelter Patienten auch Zellen des peripheren Blutes gefunden wurden.

Mithilfe dieser Erkenntnis könnte es in Zukunft möglich sein, mithilfe einer Lumbalpunktion Rückschlüsse auf den immunologischen Zustand des Zentralnervensystems zu ziehen. Die Ergebnisse wurden anderen Forschenden außerdem in Form einer Software zur Verfügung gestellt.

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„Paper of the Month“ November 2022 geht an Anna Speicher und Matthias Pawlowski aus der Klinik für Neurologie

Für den Monat November 2022 geht das „Paper of the Month“ der Medizinischen Fakultät der WWU Münster an Dr. Anna Speicher und Priv.-Doz. Dr. Dr. Matthias Pawlowski aus der Klinik für Neurologie mit Institut für Translationale Neurologie für die Publikation: Deterministic programming of human pluripotent stem cells into microglia facilitates studying their role in health and disease. Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS). 119(43).2022: e2123476119 [Volltext].

Mikroglia sind die Makrophagen des zentralen Nervensystems. Sie spielen eine wichtige Rolle in der Entstehung und Auflösung nahezu aller Krankheiten des Gehirns. Die Untersuchung humaner Mikroglia war bis vor kurzem auf nur spärlich vorhandenes Zellmaterial beschränkt, das aufwändig aus Post-mortem-Hirngewebe oder neurochirurgischen Biopsien isoliert werden musste.

Die Autoren haben eine neue Methode zur hocheffizienten Herstellung von reinen und großen Mengen Mikroglia aus humanen pluripotenten Stammzellen etabliert. Die Mikroglia sind mittels Transkriptions-, Proteom- und Funktionsanalysen im Detail charakterisiert, welche in Summe zeigen, dass die Stammzell-derivierten Mikroglia einen hervorragenden Vertreter primärer humaner Mikroglia in der Zellkultur darstellen. Ferner konnten in einem komplexen humanen In-vitro-Kokultur-Modell der Frontotemporalen Lobärdegeneration, bestehend aus humanen Taumutanten kortikalen Neuronen und Mikroglia, verschiedene Genotyp-abhängige Mikroglia Phänotypen identifiziert werden.

Der Einsatz dieser Mikroglia in zellulären Kokulturen wird die unterschiedlichsten humanen In-vitro-Modelle des Gehirns verbessern und interdisziplinär die Basis darstellen für Arzneimittel-Screenings und Transplantationsstudien.

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„Paper of the Month“ Oktober 2022 geht an AG Rescher aus dem Institut für Medizinische Biochemie

Für den Monat Oktober 2022 geht das „Paper of the Month“ der Medizinischen Fakultät der WWU Münster an Arbeitsgruppe Prof. Rescher aus dem Institut für Medizinische Biochemie für die Publikation:: 3D Ex vivo tissue platforms to investigate the early phases of influenza a virus- and SARS-CoV-2-induced respiratory diseases. Emerging Microbes & Infections. 11(1).2022: 2160-75 [Volltext].

Viruspandemien bedrohen die Gesundheit und die weltweite Wirtschaft. Zellkulturbasierte Modelle des viralen Lebenszyklus spiegeln nicht die physiologische Umgebung wider, Tiermodelle sind aber ethisch umstritten. Zur Untersuchung von Virus-Wirt-Interaktionen in einem natürlichen Wirt wurden neue ex-vivo-Infektionsmodelle aus tierischen und humanem Lungengewebe entwickelt und verglichen.

Die auf Lungengewebeexplantaten basierenden ex-vivo-Infektionsmodelle unterstützten eine effiziente Virusreplikation von Influenza A und SARS-CoV-2, setzten entzündlicher Zytokine frei und rekapitulierten den Beginn der Interferonantwort, einem bekannten zellulären Programm zur Induktion der Abwehr von Pathogenen. Die Tiermodelle waren vergleichbar mit ex-vivo-Infektionen in menschlichen Lungenexplantaten. Manipulationen der Wirts-Endolysosomen störten die Virus-Endosomen-Fusion, verringerten die Virustiter und die Anzahl infizierter Zellen und korrelierten mit einer reduzierten Immunantwort. Die Modelle bestätigen, dass die endolysosomale Wirt-Pathogen-Schnittstelle durch die Umwidmung klinisch zugelassener Medikamente gezielt für pharmakologische Interventionen eingesetzt werden kann.

Die ex-vivo-Lungenmodelle können in einem Standard-Zellkulturlabor ohne ausgeklügelte Ausrüstung aufgebaut werden, eignen sich als präklinische Plattformen, um die Anfangsphase der viralen Atemwegsinfektion in einem physiologisch sinnvollen Umfeld zu rekapitulieren und können als praktisches Modell für Medikamententests verwendet werden.

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„Paper of the Month“ September 2022 geht an AG Wagner aus der Klinik für Anästhesiologie

Für den Monat September 2022 geht das „Paper of the Month“ der Medizinischen Fakultät der WWU Münster an AG Prof. Nana-Maria Wagner aus der Klinik für Anästhesiologie, operative Intensivmedizin und Schmerztherapie für die Publikation: Targeting Procalcitonin Protects Vascular Barrier Integrity.  American Journal of Respiratory and Critical Care Medicine.  206(4).2022: 488-500 [Volltext]

Im Rahmen systemischer Inflammation, wie bei Sepsis oder großen chirurgischen Eingriffen, kommt es häufig zu einer Störung der Gefäßbarriere mit massivem Übertritt von Flüssigkeit aus dem Gefäßsystem in die Gewebe. Das entstehende Ödem beeinträchtigt die Versorgung der Organe, der intravasale Volumenmangel kann zu gefährlicher Hypotension führen. Procalcitonin ist ein bekannter Sepsisbiomarker, dessen Funktion bislang jedoch unbekannt ist.

Es konnte gezeigt werden, dass herzchirurgische Patienten mit Charakteristiken eines Kapillarlecksyndroms auch hohe Procalcitoninspiegel aufweisen. Im Grundlagenlabor wurde identifiziert, dass Procalcitonin durch Dipeptidylpeptidase 4 zunächst aktiviert wird und an einen Rezeptor auf dem Endothel bindet, dessen Aktivierung einen molekularen Mechanismus induziert der zu einer Öffnung der Zellkontakte zwischen den Endothelzellen führt.  Inhibition der Dipeptidylpeptidase 4 in der experimentellen murinen Sepsis konnte durch Verhinderung der Aktivierung Procalcitonins die Ödembildung deutlich reduzieren. Schließlich konnte auch in herzchirurgischen Patienten nach Einnahme des Dipeptidylpeptidase 4 Inhibitors Sitagliptin ein reduziertes Kapillarlecksyndrom beobachtet werden.

Durch die Identifikation der funktionellen Bedeutung von Procalcitonin für die Gefäßbarriere konnte eine therapeutische Strategie zum Schutz der Vaskulatur im Rahmen systemischer Inflammation identifiziert werden. Dies könnte mit dem verbesserten Erhalt der Organfunktionen in Patienten mit Sepsis oder nach Operationen verbunden sein.

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„Paper of the Month“ August 2022 geht an Dr. Dogus Darici aus dem Institut für Anatomie und Molekulare Neurobiologie

Für den Monat August 2022 geht das „Paper of the Month“ der Medizinischen Fakultät der WWU Münster an Dr. Dogus Darici aus dem Institut für Anatomie und Molekulare Neurobiologie für die Publikation: Are stereotypes in decline? The portrayal of female anatomy in e-learning. Anatomical Sciences Education 2022 Jul 18 [Volltext].

Studierende der Medizin lernen die Anatomie des menschlichen Körpers häufig anhand von Abbildungen in Lehrbüchern. Die dargebotenen Darstellungen vermitteln jedoch nicht nur anatomisches Wissen, sondern prägen auch die impliziten Normvorstellungen von den Medizinstudierenden. Vorbefunde aus dem englischsprachigen Raum zeigten, dass weibliche Abbildungen dabei besonders häufig von stereotypisierten Darstellungen betroffen sind.

Anhand einer Inhaltsanalyse untersuchten wir 3767 Abbildungen aus 10 populären deutschsprachigen Büchern und fanden einen vergleichbar hohen Bias wie im englischsprachigen Raum. So zeigten nur knapp 30% der Abbildungen aus Textbüchern und Atlanten einen weiblichen Körper. Das Verhältnis Mann-Frau wies in einem Atlanten sogar eine Verzerrung von ca. 7:1 auf. Frauen wurden hauptsächlich in Kapiteln zum Reproduktionstrakt und überzufällig häufig von einer kaudalen Perspektive, d.h. einer Ansicht von unten, gezeigt. Weiterhin fanden wir, dass sich der Bias in e-learning Plattformen verändert. So waren hier 66% der Abbildungen weiblich, die häufiger in einer Ganzkörperperspektive und außerhalb des Reproduktionstraktes gezeigt wurden.

In deutschsprachigen Anatomiebüchern finden sich Hinweise auf Stereotype, die den weiblichen Körper vorallem im Kontext von Sexualität und Reproduktion abbilden. Mit dem Aufkommen von digitalen Plattformen zeichnet sich erstmalig ein gegenläufiger Trend ab, das neue Chancen für die Reduzierung von Geschlechtsstereotypen in der Medizin bietet.

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„Paper of the Month“ Juli 2022 geht an Nils Winter, Prof. Tim Hahn und Prof. Udo Dannlowski aus der Translationalen Psychiatrie

Für den Monat Juli 2022 geht das „Paper of the Month“ der Medizinischen Fakultät der WWU Münster an Nils Winter, Prof. Tim Hahn und Prof. Udo Dannlowski aus dem Institut für  Translationale Psychiatrie für die Publikation: Quantifying Deviations of Brain Structure and Function in Major Depressive Disorder Across Neuroimaging Modalities. JAMA PSYCHIATRY 2022 Jul 27: e221780 [Abstract].

Seit Jahrzehnten ist die Identifikation von neurobiologischen Unterschieden zwischen Personen mit Depression und gesunden Kontrollprobanden ein Eckpfeiler der klinischen Neurowissenschaften. Aktuelle Meta-Analysen werfen jedoch Zweifel auf bezüglich der Reproduzierbarkeit und klinischen Bedeutung der Befunde zu depressionsbedingten Hirnveränderungen.

Die in dieser Studie verwendete Stichprobe (861 Personen mit Depression, 948 gesunde Kontrollprobanden) stammte aus der „Marburg-Münster Affektive Kohortenstudie“ (MACS, FOR2107) und umfasste hirnbildgebende Verfahren der Magnet-Resonanz-Tomographie (strukturelles MRT, funktionelles MRT, Diffusions-Tensor-Bildgebung) sowie Genetik. Selbst die größten Unterschiede innerhalb der einzelnen Hirn-Modalitäten erklärten lediglich 2 % der Varianz zwischen depressiven und gesunden Personen. Die Ähnlichkeit zwischen Personen mit und ohne Depression betrug dabei zwischen 87 % und 95 %. Die größtmögliche Güte der Klassifikation auf Grundlage dieser univariaten Biomarker belief sich auf 54 % bis 56 % (Zufallsvorhersage = 50 %). Vergleichbare Ergebnisse lieferte der genetische Depressions-Risikoscore.

Unterschiede zwischen Personen mit Depression und gesunden Kontrollprobanden in einzelnen neurobiologischen oder genetischen Markern scheinen vergleichsweise gering und eine Klassifikation auf deren Grundlage nicht möglich zu sein. Die biologische Psychiatrie sollte daher vermehrt auf klinisch nützliche Outcomes und prädiktive, multivariate Methoden setzen, um eine Personalisierung des klinischen Alltags zu ermöglichen.

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„Paper of the Month“ Juni 2022 geht an Prof. Meersch-Dini aus der Klinik für Anästhesiologie, operative Intensivmedizin und Schmerztherapie

Für den Monat Juni 2022 geht das „Paper of the Month“ der Medizinischen Fakultät der WWU Münster an Prof. Meersch-Dini aus der Klinik für Anästhesiologie, operative Intensivmedizin und Schmerztherapie für die Publikation: Effect of Intraoperative Handovers of Anesthesia Care on Mortality, Readmission, or Postoperative Complications Among Adults: The HandiCAP Randomized Clinical Trial. JAMA 327 (24), 2403-2412 [Volltext].

Diese Publikation klärt erstmals prospektiv die Frage, ob eine Übergabe des Anästhesisten während einer Operation einen Einfluss auf das Ergebnis hat und ist somit für die anästhesiologische Versorgung von sehr hoher Relevanz.

Retrospektive Analysen großer Kohorten von Patienten mit kardialen und größeren nicht-kardialen Eingriffen erbrachten widersprüchliche Ergebnisse zu den Auswirkungen der intraoperativen Übergabe der Anästhesieversorgung auf unerwünschte Ergebnisse. Während in einigen Fällen kein Zusammenhang festgestellt werden konnte, berichteten andere, dass die Übergabe mit der Sterblichkeit und schweren postoperativen Komplikationen verbunden war.
Von den 1.817 randomisierten Patienten schlossen 1.772 (98 %) Teilnehmer [mittleres Alter, 66 (SD 12) Jahre; 997 (56 %) Männer; 1.717 (97 %) American Society of Anesthesiologists Körperstatus 3] die Studie ab. Der primäre Endpunkt (kombiniertes Zielkriterium bestehend aus Tod, Wiederaufnahme ins Krankenhaus und schwere postoperative Komplikation innerhalb von 30 Tagen) trat bei 268/891 (30 %) der Patienten auf, die einer Übergabe unterzogen wurden, und bei 284/881 (33 %) der Patienten, die keiner Übergabe unterzogen wurden (absolute Risikodifferenz, -2,5 % [95 % CI, -6,8 % bis 1,9 %]; Odds Ratio, 0,89 [95 % CI, 0,72 bis 1,10], P=0,27). Von den 19 vordefinierten sekundären Endpunkten unterschied sich keiner signifikant.
Bei Erwachsenen, die sich ausgedehnten chirurgischen Eingriffen unterzogen, gab es keinen signifikanten Unterschied zwischen der Übergabe des Anästhesisten im Vergleich zu keiner Übergabe der Versorgung in Bezug auf das zusammengesetzte primäre Ergebnis von Sterblichkeit, Wiederaufnahme oder schweren postoperativen Komplikationen innerhalb von 30 Tagen.

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„Paper of the Month“ Mai 2022 geht an Prof. Heindel und Prof. Weigel aus der Klinik für Radiologie

Für den Monat Mai 2022 geht das „Paper of the Month“ der Medizinischen Fakultät der WWU Münster an Prof. Walter Heindel und Prof. Stefanie Weigel aus der Klinik für Radiologie für die Publikation: Digital breast tomosynthesis plus synthesised mammography versus digital screening mammography for the detection of invasive breast cancer (TOSYMA): a multicentre, open-label, randomised, controlled, superiority trial. The Lancet Oncology 23 (5).2022: 601-11 [Abstract].

TOSYMA (TOmosynthesis plus SYnthesised MAmmography) ist die erste multizentrische, randomisierte, kontrollierte Studie, in der die diagnostische Genauigkeit der Digitalen Brust-Tomosynthese (DBT) in Verbindung mit daraus errechneter, synthetischer 2D Mammographie (s2D) zur Brustkrebsfrüherkennung mit der aktuellen Standardmethode im Screening, der Digitalen Mammographie (DM), verglichen wurde.
Zwischen Juli 2018 und Dezember 2020 wurden 99.689 Teilnehmerinnen des deutschen Mammographie-Screening-Programms (Alter 50-69 Jahre) randomisiert im Verhältnis 1:1 auf eine Screeningsuntersuchung mit DBT+s2D oder DM zugeteilt. Die Detektionsrate (DR) für invasiven Brustkrebs betrug 7,1 pro 1000 gescreenter Frauen (DBT+s2D) und 4,8/1000 (DM), mit einer Odds Ratio OR = 1,48, 95% KI 1,25-1,78. Dabei war die DR für kleine Tumoren (pT1) mit DBT+s2D substanziell höher als mit DM: OR = 1,73 [1,1-2,19], während in-situ Karzinome gleich häufig entdeckt wurden (OR = 0,94). Auch die Rate von Wiedereinbestellungen bei Verdachtsfällen war in beiden Gruppen ähnlich (OR = 0,98). Die DR war bei Frauen über 60 Jahren und bei wiederholter Screeningteilnahme höher als unter erstmals gescreenten Frauen.
TOSYMA zeigte, dass die Detektionsrate von invasivem Brustkrebs mit DBT+s2D um 48% höher war als mit DM. Zur Abschätzung der prognostischen Implikationen dieses Resultats, werden die Teilnehmerinnen gegenwärtig weiter beobachtet, um die Rate von invasiven Intervallkarzinomen in den beiden Studienarmen über 24 Monate zu ermitteln.

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Der Paper of the Month – Aufsteller in der Zweigbibliothek Medizin bietet den Besuchern die Lektüre der Studie vor Ort an.

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