Schlagwort-Archive: Gendermedizin

Amboss Blog: Gender-Bias in der Anatomie

Einem aktuellen Paper zufolge zeigen anatomische Lehrbücher deutlich weniger weibliche Körper als männliche. Warum das früh unser ärztliches Denken prägt und wie digitale Plattformen dieser Verzerrung ein Ende bereiten, erklärt Studienautor Dr. Dogus Darici im Interview.

AMBOSS-Blog: Herr Dr. Darici, Sie haben gerade eine Studie zu Gender-Bias in anatomischen Lehrmaterialien veröffentlicht. Wie kamen Sie dazu?

Dr. med. Dogus Darici: Im Rahmen einer Histologie-Veranstaltung hat sich eine Studentin bei uns beschwert: „Wir schauen uns den Penis genau an, aber was ist mit dem äußeren weiblichen Genital? Das wird viel zu oberflächlich behandelt.“ Und tatsächlich findet sich – gerade in der Standardliteratur, die wir und dementsprechend auch die Studierenden verwenden – einfach sehr wenig zu dem Thema. Das war der Anlass, uns zu fragen: Gibt es da tatsächlich eine Verzerrung?

AMBOSS: Und, gibt es sie?

Darici: Ja, und das ist, wie uns dann schnell klar wurde, auch schon lange bekannt! Zum einen gibt es einen quantitativen Bias, bei dem es schlicht um die Anzahl der Darstellungen geht. Bereits in den 90er-Jahren wurde im JAMA publiziert, dass Anatomie-Lehrbücher und Atlanten Frauen viel seltener als Männer abbilden. Mir war das gar nicht bewusst, obwohl ich täglich mit diesem Material zu tun habe. Das zeigt, dass es sich um einen impliziten Bias handelt: Es erscheint uns völlig normal, dass wir beispielsweise beim Bewegungsapparat vor allem Männer sehen – und Frauen erst, wenn es um Reproduktionsorgane geht.

  • Das komplette Interview
  • Dr. med. Dogus Darici ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Anatomie und Molekulare Neurobiologie der Universität Münster. Die hier besprochene Studie “Are stereotypes in decline? The portrayal of female anatomy in e-learning” in Anatomical Sciences Education hat er gemeinsam mit Agnes Yüeh-Dan Schneider, Prof. Dr. med. Markus Missler und Prof. Dr. med. Dr. rer. nat. Bettina Pfleiderer vorgelegt.

Das Lernkarten- und IMPP-Fragenprogramm Amboss von Amboss GmbH für die Vorklinik und Klinik, steht allen Medizinstudierenden für unbegrenztes Kreuzen per Browser bzw. App (iOS und Android) zur Verfügung.

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Text & Abb. © Amboss GmbH

AMBOSS Blog: Pro Choice – Die Abruptio aus ärztlicher Sicht

Arztsuche, Stigma, Pflichtberatung: Ungewollt Schwangere müssen zahlreiche Hürden überwinden. Dr. Alicia Baier von den Doctors for Choice im Interview.

Die Doctors for Choice Germany e.V. sind ein bundesweites Netzwerk aus Ärzt:innen, Medizinstudierenden und Angehörigen anderer Gesundheitsberufe, die sich für einen selbstbestimmten Umgang mit Sexualität, Fortpflanzung und Familienplanung einsetzen. Mit ihrer Vorsitzenden Dr. Alicia Baier sprachen wir über den Versorgungsmangel, Bedürfnisse der Betroffenen, Methoden der Abruptio und beleuchteten kritisch die erste in Deutschland angemeldete Leitlinie zum Schwangerschaftsabbruch.

Das umfangreiche Interview umfasst die Themen

  • Versorgungsmangel: Zu wenig Ärzt:innen bieten eine Abruptio an
  • Pflichtberatung und Kosten: hohe Hürden für ungewollt Schwangere
  • Was ungewollt Schwangere von ihren Ärzt:innen brauchen
  • Methoden der Abruptio: medikamentös oder operativ?
  • Neue Leitlinie, alte Probleme: Wo finden Ärzt:innen Informationen zur Abruptio?
  • Zugang zum Schwangerschaftsabbruch: eine ärztliche Aufgabe

und findet sich hier.

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„Paper of the Month“ Februar 2022 geht an Lena Makowski aus der Klinik für Kardiologie I

Für den Monat Februar 2022 geht das „Paper of the Month“ der Medizinischen Fakultät der WWU Münster an Lena Makowski aus der Klinik für Kardiologie I für die Publikation: Sex-related differences in treatment and outcome of chronic limb-threatening ischaemia: a real-world cohort in der Zeitschrift European Heart Journal, 2022 Feb 3;ehac016 [Volltext].

In den letzten Jahrzehnten wurden geschlechtsspezifische Unterschiede bei der Prävalenz, klinischen Präsentation und dem Outcome von Patienten mit peripherer arterieller Verschlusskrankheit (pAVK) beschrieben. Jedoch sind Frauen in randomisiert kontrollierten Studien deutlich unterrepräsentiert. Daher ist die Datengrundlage für eine geschlechterspezifische Versorgung unzureichend.

Wir haben in unseren Analysen fast 200.000 pAVK Patienten im Stadium der kritischen Extremitätenischämie untersucht. Grundlage waren Sekundärdaten der AOK Krankenkasse. Unsere Ergebnisse zeigen, dass Frauen im Durchschnitt fast acht Jahre älter waren und seltener im Krankenhaus behandelt wurden. Im Index-Aufenthalt erhielten Frauen weniger häufig eine diagnostische Angiographie (67 % vs. 70 %) oder Revaskularisierung (61 % vs. 67 %). Des Weiteren war die Verschreibungsrate der Leitlinien-empfohlenen Medikation bei Frauen signifikant geringer (Statin: 35 % vs. 43 %; orale Blutverdünner: 48 % vs. 53 %). Trotz der schlechteren Versorgung war die Überlebensrate im Zehn-Jahre-Follow-up bei Frauen höher und die Amputationsrate geringer im Vergleich zu den Männern.

Die Analysen zeigen, dass die Versorgung von pAVK-Patienten weiterhin mangelhaft ist. Vor allem Frauen werden häufig nicht nach den aktuellen Leitlinienempfehlungen behandelt. Eine auf die geschlechtsspezifischen Unterschiede fokussierte Forschung ist notwendig, um die Ursachen dieser Mangelversorgung zu identifizieren.

Eine Liste aller bisherigen Gewinner der Paper of the Month – Auszeichnung finden Sie hier.

Der Paper of the Month – Aufsteller in der Zweigbibliothek Medizin bietet den Besuchern die Lektüre der Studie vor Ort an.

Foto: MFM/Christian Albiker

AMBOSS Blog: Geschlecht und Gender

Geschlecht und Gender haben einen großen Einfluss auf unsere Gesundheit. Wieso Geschlechtsunterschiede in der Medizin immer noch unterschätzt werden und was wir im Alltag dagegen tun können, darüber sprechen wir mit Notfallmedizinerin Dr. Alyson McGregor.

AMBOSS-Blog: Die Gendermedizin zielt darauf ab, allen Menschen zugute zu kommen. Sie wird jedoch häufig mit Frauengesundheit verwechselt, deren Fokus wiederum oft die Reproduktionsmedizin ist. Warum gibt es eine solche Diskrepanz zwischen Männer- und Frauengesundheit?

Dr. Alyson McGregor: Als wir begannen, Forschung und klinische Studien zu betreiben sowie wissenschaftliche Methoden und Forschungsprozesse zu entwickelten, betrachteten wir Frauen aufgrund ihres Menstruationszyklus als schutzbedürftig – was, wenn sie schwanger würden? Außerdem wurden Frauen als Probandinnen wegen der Fluktuation von Östrogen und Progesteron als kompliziert angesehen. Daher basiert unser grundlegendes Verständnis von Krankheiten auf der Erforschung dieser Krankheiten bei Männern. Das Einzige, was wir bei Männern nicht untersuchen konnten, waren Aspekte der weiblichen Fortpflanzung. Also untersuchten wir die Menopause, die Menstruation und die Geburt bei Frauen, was schließlich mit Frauenheilkunde gleichgesetzt wurde. Bei Frauengesundheit dachten wir also nur an die Körperteile, die sich von denen der Männer unterscheiden. Damit haben wir den Frauen einen Bärendienst erwiesen, weil wir somit davon ausgingen, dass sie genau wie Männer reagieren, genauso einen Herzinfarkt erleiden und genauso Medikamente verstoffwechseln würden. Und jetzt merken wir, dass das nicht stimmt.

Das vollständige Interview finden Sie hier.

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