Die häufigste Dummheit bei Dissertationen: Der Guttenberg-Fehler

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Rabbi Löw und der Golem (Zeichnung von Mikolas Ales, 1899)

Bei einem Vortrag wurde ich kürzlich gefragt, was der Nummer 1-Fehler beim Zitieren in Dissertationen sei. Welcher Fehler wird am häufigsten gemacht? Wissenschaftliche Aussagen zu wenig oder zu viel belegt? Zu viel Text zitiert, zu viele schmückende Goethe-Zitate? Falsche Zitierweisen, falsche Zitatstile? Nein – nichts von alledem. Die häufigste Dummheit beim Zitieren ist der Guttenberg-Fehler.

Wie bekannt, wurde Karl-Theodor zu Guttenberg der Doktortitel aufgrund von zahlreichen Plagiaten aberkannt.

Was ist der Guttenberg-Fehler? Karl-Theodor zu Guttenberg hatte seine Dissertation aus vielen Quellen zusammenkopiert, diese Quellen aber nirgendwo angegeben. Dies kann absichtlich so gemacht werden, um die externen Quellen zu verschleieren und als seine eigenen auszugeben. Meist jedoch passiert dies unabsichtlich und ist der modernen Arbeitsweise des Cut & Paste geschuldet. Ich möchte hier nicht in die Diskussion einsteigen, ob er es selber war oder ein Ghostwriter. Ich möchte nur auf folgende Arbeitsweise beim Schreiben hinweisen, die ich als ziemlich typisch erlebe:

Man muss einen Artikel, ein Buch, eine Dissertation abgeben. Man fängt an, erratisch Stoff zu sammeln. Man findet schnell eine Vielzahl eigener Texte, Fundstücke aus Google-Suchen, aus Zeitschriften, etc pp. Per Cut & Paste füllt sich so schnell ein Worddokument. Nach einer Stunde sind mehrere Seiten geschafft. Das fühlt sich schon mal sehr gut an. Die akute Attacke einer Schreib- und Denkblockade konnte gebannt werden. Die Deadline ist noch weit in der Zukunft. Der Artikel, das Buch, die Dissertation bleibt liegen. Schliesslich gibt es Wichtigeres/Dringenderes.

Soweit – sogut. Einige Wochen später ist die Deadline bedrohlich nahe gerückt. Man nimmt sich den Text wieder vor. Der ist ja total unfertig und erratisch! Das ist ein Steinbruch, ein wahrer Ideen-Ameisenhaufen. Leichte Panik breitet sich aus. Man verschiebt Textbruchstücke von A nach B und B nach A. Füllt die sich aufzeigenden Leerstellen mit eigenem Geschreibsel. Bis jetzt liegt kein Makel auf der Aktion. Doch man hat verdrängt, dass nicht alles auf dem eigenen Mist gewachsen ist. Man hat es vergessen. Man weiss nicht mehr, was eigenes und was fremdes Geistesgut ist. Man belegt das Fremde nicht, man zitiert es nicht. Aus unbelebter Google-Materie wurde ein Plagiate-Golem zum Leben erweckt. Mit gutem Gewissen gibt man die Arbeit ab. Das einzige was zählt: Ich habe die Deadline geschafft. Doch vier Wochen später kommt die schlechte Nachricht. Der Plagiate-Checker hat angeschlagen und je nach Situation heisst es nun: Zurück auf Los! oder Gehe ins Gefängnis!

Übrigens: Die Unibibliothek bietet ein sehr gutes E-Tutorial zum Zitieren und Plagiate vermeiden.

Foto: Mikoláš Aleš, Public Domain (https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Golem_and_Loew.jpg)